Weapons – Die Stunde des Verschwindens [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. August 2025
Genre: Horror / Thriller / Fantasy
Originaltitel: Weapons
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Zach Cregger
Musik: Zach Cregger, Hays Holladay, Ryan Holladay
Besetzung: Julia Garner, Josh Brolin, Cary Christopher, Alden Ehrenreich, Austin Abrams, Benedict Wong, Amy Madigan, June Diane Raphael, Clayton Farris, Whitmer Thomas, Toby Huss, Luke Speakman
Kurzinhalt:
Mitten in der Nacht verschwinden 17 von 18 Schülerinnen und Schüler aus der Klasse der kürzlich hinzugekommenen Lehrerin Justine Gandy (Julia Garner). Nur der schweigsame Alex Lilly (Cary Christopher) ist übrig, weiß jedoch nicht, was geschehen sein könnte. Einen Monat lang sucht die Polizei zusammen mit dem FBI verzweifelt nach den Kindern, doch es fehlt jede Spur. Als die Schule wieder eröffnet werden soll, hält Rektor Marcus (Benedict Wong) eine Veranstaltung für die Eltern ab, bei der nicht nur Archer Graff (Josh Brolin), dessen Sohn verschwunden ist, von Justine Antworten verlangt, die sie nicht geben kann. Um die aufgeheizte Stimmung nicht weiter zu eskalieren, bleibt Justine der Schule fern und will selbst herausfinden, was mit den Kindern geschehen ist. Wie auch Archer. Doch ihrer aller Leben wird ebenso wie diejenigen von Polizist Paul (Alden Ehrenreich) und dem drogenabhängigen Obdachlosen James (Austin Abrams) schon bald auf den Kopf gestellt …
Kritik:
Die größte Stärke von Zach Creggers Horrorfilm Weapons – Die Stunde des Verschwindens ist die Einfachheit der Geschichte. 17 Schülerinnen und Schüler, die alle aus ein und derselben Klasse stammen, sind eines Nachts spurlos verschwunden. Dem Ursprung dessen, was hier vorgefallen ist, nähert sich die Erzählung aus unterschiedlichen Perspektiven und schafft dadurch sowohl eine einnehmende Atmosphäre, wie auch eine Mythologie, die einen am Ende nur noch mehr beunruhigt.
Eine Kinderstimme erzählt zu Beginn, dass vor zwei Jahren an einem Mittwochmorgen um 2:17 Uhr 17 Kinder aus der Klasse von Justine Gandy spurlos verschwanden. Sie wurden nicht entführt. Vielmehr haben sie alle, soweit man es auch mit Kameraaufnahmen nachvollziehen kann, ihre Häuser selbst verlassen und sind, beinahe als würden sie spielen, in die Dunkelheit hinausgerannt. Nachdem die Ermittlungen auch nach einem Monat gar keine Spur zutage förderten, wird die Maybrook Elementary School wieder geöffnet. Bereits bei einer Veranstaltung am Abend vorher wird Lehrerin Justine von den Eltern der verschwundenen Kinder angegangen. Wie kann es sein, dass sie alle aus ihrer Klasse stammen? Kann sie hinter alledem stecken?
Weapons stellt seine Figuren Zug um Zug vor und setzt in mehreren Kapiteln jeweils weiter in der Vergangenheit an. Nach dem, was Schulleiter Marcus erzählt, ist Justine eine engagierte Lehrerin, die sich jedoch um ihre Schülerinnen und Schüler mitunter zu sehr sorgt. Sie fährt sie auch nach Hause, wenn sie nicht abgeholt werden, oder tröstet sie, was als unangemessen empfunden wird. Dass sie nach den Ereignissen und insbesondere nach der verheerenden Informationsveranstaltung, bei der sie als Sündenbock für die gesamte Stadt dienen soll, in einem Laden Alkohol kauft und mehr trinkt, als sie sollte, mag noch verständlich sein. Doch offenbar schlägt sie nicht erst jetzt über die Stränge. Sie hat eine ebenso problematische Vergangenheit wie Polizist Paul, mit dem sie auch etwas anderes verbindet. Seine Perspektive auf die Dinge ist so einzigartig, wie diejenige von Archer Graff, Vater eines der verschwundenen Kinder. Wie Justine versucht er, sich einen Reim auf das Geschehene zu machen und stößt auf eine Gemeinsamkeit, bevor sich die Ereignisse zu überschlagen beginnen.
Obwohl vor allem die Alpträume, die manche Figuren hier erleben, geradezu beängstigend sind, lange Zeit kreist die Geschichte um nicht mehr als die Ausgangslage. Das macht Weapons aber nicht weniger packend, was sowohl an der beunruhigenden wie mysteriösen Grundidee liegt, wie eben den grundverschiedenen Blickwinkeln. So nachvollziehbar die schiere Verzweiflung von Archer ist, der stellvertretend für die andern Eltern vor Fassungslosigkeit und Trauer droht, nicht nur seinen Verstand zu verlieren, sondern dem im beruflichen Alltag, in dem er auch funktionieren soll, so viele Fehler unterlaufen, dass es seinen Betrieb gefährden könnte, so verständlich ist auch Justines Situation. Sie soll die Schuldige sein für etwas, das sich niemand erklären kann, gleichzeitig wird sie aber das Opfer von Bedrohungen und körperlichen Angriffen. Noch während man sich fragt, was tatsächlich geschehen ist, kann man nicht umhin sich zu wundern, wie es einem selbst an einer der beiden Stellen gehen würde.
Dann geschieht jedoch etwas, das beide Perspektiven zusammenbringt und doch ganz neue Fragen aufwirft. Wenn Filmemacher Cregger zusätzlich zum unheimlichen Mysteryelement auch den physischen Horror hinzuzieht, geizt er nicht an Brutalität. Gerade beim Finale geht das aber merklich weit, was insofern schade ist, da sich hier auch eine weniger grafische Lösung hätte finden lassen, die womöglich ein breiteres Publikum angesprochen hätte. Doch das ändert nichts daran, dass Weapons – Die Stunde des Verschwindens geradezu einnehmend erzählt ist.
Die Bilder und Perspektiven sind nicht nur derart bewusst gewählt, dass sie dem Publikum genau zeigen was es sehen soll. Vielmehr erzeugt die Optik gerade durch lange, ununterbrochene Einstellungen, in denen man den Horror sich buchstäblich anbahnen sieht, eine Spannung, die man beinahe mit der Schere zerschneiden könnte. So überragend ist die Präsentation auch dank der gesamten Klangkulisse, bei der das Ausbleiben von Geräuschen so wichtig ist wie die Musik das Tempo steigert, dass man sich regelmäßig dabei ertappt, wie man die Luft anhält, da man zwar kaum mitansehen möchte, was geschieht, aber auch den Blick nicht abwenden kann. Weapons ist fantastisch in Szene gesetzt und die wenigen Schockmomente jagen spürbar den Puls in die Höhe. All das wäre aber nur so viel wert, würde die Geschichte das nicht aufwiegen. Über die sei nicht mehr verraten, außer dass das Drehbuch gerade genügend Mythologie vorstellt, um einen dafür zu interessieren, aber das Mystery-Element doch nicht soweit erklärt, dass man zu viel erfährt. Das Ergebnis ist ein Horrorfilm, der so einfallsreich wie toll umgesetzt ist und einem Publikum, das bereit dafür ist und punktuell einen starken Magen hat, durchaus das Fürchten lehren kann.
Fazit:
So surreal der Auftakt noch scheint, wenn Filmemacher Zach Cregger seine Figuren etabliert hat und sowohl die Ausnahmesituation der Eltern greifbar wird, wie auch die Bedrohung für Justine, an der sich die Wut und Fassungslosigkeit der betroffenen Eltern entlädt, weicht dies einer beunruhigenden und unheilvollen Atmosphäre. Kommt der sichtbare Horror hinzu, gibt es hier Momente, bei denen sich einem die Nackenhaare aufstellen und wohin sich dies entwickelt, ist geradezu verstörend. Die Brutalität am Ende mag unnötigerweise über die Stränge schlagen und auch die Auflösung fällt anders aus, als man es sich für die Figuren wünscht, doch das ändert nichts daran, dass Weapons – Die Stunde des Verschwindens ein so einfallsreicher wie erstklassig inszenierter und von allen Beteiligten, auch dem jungen Cary Christopher, fantastisch gespielter Horrorfilm ist, der die episodenhafte Erzählstruktur gekonnt nutzt, um die Geschichte und die Charaktere zu vertiefen. Wer sich darauf einlässt, wird es nicht bereuen. Man sieht danach beim Spielen rennende Kinder vielleicht nur mit anderen Augen.