Soldaten des Lichts [2025]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 1. Mai 2025
Genre: Dokumentation

Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Johannes Büttner, Julian Vogel
Musik: Jens Mahla


Hintergrund:

Die Filmschaffenden Johannes Büttner und Julian Vogel nähern sich in ihrem Dokumentarfilm der Szene der sogenannten „Reichsbürger“, deren Einzugsgebiet weit diverser ist, als es in der Berichterstattung weithin den Anschein hat. Dabei blicken sie auf Menschen, die in dem alternativen Gesellschaftskonstrukt bereits aufgestiegen sind, und solche, die aus verschiedensten Gründen auf der Suche nach Halt und Antworten in diese Gruppierung hineingeraten sind.


Kritik:
Der Fantasiestaat „Königreich Deutschland“ ist die einflussreichste Gruppierung der Reichsbürger. Sein Gründer und inzwischen „König“ sieht es als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches und die Bundesrepublik Deutschland als „Besatzungskonstrukt“. Dabei besteht die Bewegung aus mehr als lediglich den Rechtsstaat ablehnenden Verschwörungsideologen. Soldaten des Lichts wirft einen Blick auf eine Parallelgesellschaft, deren niederschwellige und breit gefächerten Ansatzpunkte sie für viele Menschen zugänglich machen – und damit nur umso erschreckender.

Eine zentrale Figur des Dokumentarfilms ist der roh-vegane Influencer David, der auf den ersten Blick wie ein junger Unternehmer scheint, der sein veganes Restaurant modern auch in den Sozialen Medien bewirbt. Aber nicht nur, dass David mit eigenen Nahrungsergänzungsmitteln, sogenannte „Supplements“, ein Geschäft zu machen versucht, er mixt mit selbst gesammelten Kräutern und allerlei Pulvern seine Shakes und Drinks, mit denen er die „Dunkelheit“ im Innern vertreiben und die Seele reinigen will. David ist mehr, als nur ein Food-Influencer, er bezeichnet sich als Heiler, der an Krebs erkrankten Menschen Therapien unterbreitet, die u. a. aus Saftkuren und Entgiftungen bestehen. Zugleich behauptet er, Krebszellen würden ab einer bestimmten Temperatur absterben und setzt auf Chlordioxidlösungen (CDL), um vermeintliche Würmer mit Einläufen aus dem Verdauungstrakt auszuspülen. Diese hochgradig ätzenden und gesundheitsschädlichen Lösungen werden seit Jahren in Verschwörungstheorektiker- oder Heilpraktikerkreisen zweckentfremdet, haben jedoch keinerlei therapeutisch überprüfbare, sondern ausschließlich gesundheitsschädigende Wirkungen. Je länger Soldaten des Lichts David begleitet, ihm Zeit gibt, seine Anschauungen wiederzugeben, umso düsterer wird das Gesamtbild.

Zu den Selbstoptimierungskursen und Seminaren, die er im Internet anbietet, gesellen sich esoterische Auffassungen. Einerseits pflegt David Kontakt zu einem der einflussreichsten „Geistheiler“ Deutschlands, der es selbst kaum fassen kann, dass er die Preise seiner Mittelchen und Supplements, Bücher und sonstiger Heilgegenstände im eigenen Internetshop verdreifachen konnte und die Menschen sie ihm immer noch aus den Händen reißen. Auf der anderen Seite ist David in die Struktur des „Königreichs Deutschland“ eingegliedert, in dem der König selbst davon spricht, dass er selbst heilende Kräfte habe und Kraft seiner Gedanken Realitätswechsel vollbringen könne. Dass der Geistheiler voller Überzeugung erzählt, dass nur 13 % echte Menschen auf der Erde leben würden, da der Rest durch künstliche und Echsenwesen ausgetauscht worden sei, ist da beinahe eine Randnotiz. Sie fantasieren von der Welt als Illusion, die sich in der Endzeit befinde, die nur die Guten überleben würden.

Hört oder liest man von Berichten aus jener Szene im regulären Alltag, mag man darüber schmunzeln und vermutlich die Betroffenen mit eigenen Werturteilen abstempeln. Sie in Soldaten des Lichts zu begleiten, ihre Auffassungen zu hören, die mit einer Überzeugung und Selbstverständlichkeit dargebracht werden, ist gelinde gesagt schockierend. Umso mehr, wenn man sieht, wie leicht andere Menschen sich in diesen Narrativen verlieren können. Sei es bei den regelmäßigen Treffen, die mit einer Meditation begonnen werden, ehe über Steuern oder die Ohnmacht des Staates gesprochen wird, zur Lösung der alltäglichen Probleme der Menschen beizutragen. Diese Gespräche wechseln schnell hin zu realitätsfremden Erzählungen einer Umerziehung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland erfolgt sei, oder dass die Erde eine Scheibe sei. Sie bieten den Menschen scheinbare Lösungen, indem sie künftig nicht mehr in Deutschland leben oder arbeiten würden, sondern im Königreich mit eigenen Gesetzen, die der Bundesrepublik Deutschland nicht unterworfen seien.

Einer dieser Menschen ist Timo, der David um Hilfe ersucht. David nimmt ihn auf und bietet ihm an, bei ihm zu arbeiten. Dafür erhält Timo eine Unterkunft und wird versorgt. Es klingt wie eine Leibeigenschaft, bei der Timo zehn Stunden pro Tag schuftet, um Davids Geschäftsmodell am Laufen zu halten. Das gesamte Konstrukt wirkt von außen wie ein Schneeballsystem, bei dem die Schwächsten am Ende unter einer Lawine begraben werden. Zu sehen, in welcher Geschwindigkeit Timo körperlich abbaut, ist erschreckend und nur noch übertroffen davon, dass er David selbst dann noch verteidigt, wenn Timos eigene Familie versucht, ihn zu erreichen und ihm zuzureden. Soldaten des Lichts wertet hierbei nicht und verurteilt ebenso wenig. Die meisten Behauptungen werden stehen gelassen und nur wenige werden ab der Hälfte widersprochen. Dafür zeigen die Filmschaffenden, wie David und die übrigen Reichsbürger von der breiten Gesellschaft angefeindet werden. Es regt sich Widerstand, insbesondere hinsichtlich der rechtsradikalen Ausprägungen der Gruppierung. Was folgt, sind Vandalismus und eine Ausgrenzung, die David und sein Gefolge zum Rückzug drängt.

Was Soldaten des Lichts dabei vermissen lässt, ist der Versuch eines Dialogs. Anstatt die vom Königreich Deutschland Überzeugten zu fragen, was sie in diese Parallelgesellschaft getrieben hat, oder zu versuchen, eine Brücke zu schlagen, wie man diesen Menschen einen Weg zurück ermöglichen könnte bzw. was sich ändern müsste, damit sie ihren Glauben an die Gesellschaft und den Staat zurückgewinnen könnten, lassen Johannes Büttner und Julian Vogel die Personen ihre Ideologien unwidersprochen und ungefiltert verbreiten. Das verdeutlicht dem Publikum zwar einerseits, wie eingekapselt diese Menschen in ihrer Fantasiewelt sind, aber es enthält einem auch vor, ob es wenigstens noch Hoffnung gibt, dass das Miteinander, auf dem die Gesellschaft aufgebaut ist, überhaupt noch möglich ist.


Fazit:
Sei es ein Restaurant oder eine Autowerkstatt, manches sieht alltäglich und harmlos aus, doch die Menschen, die darin arbeiten oder sie betreiben, glauben an Heilkräfte, schmieden Pläne, wie man die Bevölkerung in das „Königreich“ überführen kann, oder bringen Kinder zur Welt, ohne dass für sie Geburtsurkunden ausgestellt werden, und vergrößern ihren Einflussbereich damit noch mehr. Diese Entkoppelung von der Realität und der Gesellschaft mag augenscheinlich amüsant klingen, tatsächlich ist es erschreckend, wenn man hört, dass David die Gruppierung als Sondereinsatzkommando sieht für Gerechtigkeit, Frieden, vegane Rohkost und das Tierleid zu beenden. Die Gruppe bietet so viele unterschiedliche Ansatzpunkte, dass es leichtfällt, sich in irgendeinem wiederzufinden, um einem Prozess der Indoktrinierung zu verfallen. Gleichzeitig binden sie mit eigenen Shops, Produkten oder sonstiger Esoterik die Menschen an ihre Überzeugungen. Sieht man dabei die Anführenden, bestehen sie alle aus Selbstdarstellern, die sich auf sämtlichen Kanälen permanent vermarkten, immer dicht an den neuesten Trends. Nach der Gesundheits- und Selbstoptimierungswelle wartet nun der Crypto-Hype. Soldaten des Lichts ist ein Dokumentarfilm, der nachwirkt. Ruhig und beschreibend, kaum widersprechend, aber entlarvend für ein aufmerksames Publikum, das die Fragen stellt, von denen man sich wünschen würde, die Verantwortlichen hätten dies getan. So erschreckend der Inhalt, das Ende ist tragisch. Um zu verstehen, wie diese Parallelgesellschaften funktionieren und was sie so gefährlich macht, ist das zwar wichtig, aber sehr schwere Kost.