Der Pinguin meines Lebens [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 3. August 2025
Genre: Unterhaltung
Originaltitel: The Penguin Lessons
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: Spanien / Großbritannien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Peter Cattaneo
Musik: Federico Jusid
Besetzung: Steve Coogan, Vivian El Jaber, Alfonsina Carrocio, Björn Gustafsson, Jonathan Pryce, David Herrero, Liam Mayne, Micaela Breque, Aimar Miranda, Nicanor Fernandez, Hugo Fuertes, Joaquín Lopez, Miguel Alejandro Serrano, Brendan McNamee
Kurzinhalt:
Im Jahr 1976 soll der britische Lehrer Tom Michell (Steve Coogan) am renommierten St. George’s College in der Nähe von Buenos Aires, Argentinien, eine achte Klasse in englischer Literatur unterrichten. Er findet sich in einem Land wieder, in dem morgens aus dem Radio Militärmusik oder Ansprachen dröhnen, die den sich anbahnenden Putsch bereits ankündigen. Während eine Guerillabewegung Menschen entführt, um Lösegeld zu erpressen, oder Bombenanschläge verübt, greift das Militär zu immer noch größerer Härte. Die Währung befindet sich im freien Fall. Sonderlich motiviert, seine Schüler zu unterrichten, ist Tom nicht und auch seine Klasse hat kein großes Interesse am Inhalt dessen, was er vermitteln soll. Bis Tom aus dem Urlaub ein von ihm nach einer Ölpest geretteten Magellanpinguin zurückbringt, den er mit in den Unterricht nimmt. Seine Schüler schenken ihm mehr Aufmerksamkeit und auch Tom selbst scheint der schweigsame Pinguin zu verändern. Doch dann wird Sofía (Alfonsina Carrocio), die Enkelin der Hausdame María Alvarez (Vivian El Jaber) von der Polizei auf offener Straße verhaftet. Ohne Anklage oder dass die Familie wüsste, wo sie festgehalten wird. Es ist für Tom umso mehr ein Grund, sich über den Wunsch des Rektors Buckle (Jonathan Pryce) hinwegzusetzen, seinen Unterricht unpolitisch zu gestalten. Doch damit zieht Tom in der aufgeheizten Situation im Land auch Aufmerksamkeit auf sich …
Kritik:
Peter Cattaneos Adaption von Tom Michells autobiografischem Buch aus dem Jahr 2015 könnte zu keiner passenderen Zeit kommen. Angesiedelt kurz vor Beginn der Militärdiktatur in Argentinien, die sieben Jahre dauern sollte, erzählt Der Pinguin meines Lebens die Geschichte eines Lehrers, der an einem renommierten College unterrichtet. Wie im Land stehen sich auch im Klassenzimmer unterschiedliche Fraktionen gegenüber, bis ein Pinguin ihr Leben nachhaltig verändert.
Noch bevor Tom Michell am von einer Mauer umgebenen, vornehmen St. George’s College außerhalb von Buenos Aires ankommt, hört er bereits Schüsse und Explosionen in der Stadt. Die Bombe soll von den Montoneros, der argentinischen Stadtguerilla, gelegt worden sein. Das Land steht vor einem Umbruch, ein Militärputsch wird befürchtet. Die Jungen, die am St. George’s unterrichtet werden, sind äußerst privilegiert. Tom wird in der Schule in einem kleinen Apartment untergebracht. Rektor Buckle bittet ihn, sich gegenüber den Schülern politisch neutral zu verhalten. Als nach einem erneuten Zwischenfall die Schule für eine Woche geschlossen wird, reist Tom mit dem Physiklehrer Tapio nach Uruguay. An einem Strand findet Tom einen mit Ölschlick bedeckten Magellanpinguin, der kurz davor steht, wie seine Artgenossen zu verenden. Obwohl er keine Pinguine mag, nimmt er den Vogel mit in sein Hotel und reinigt ihn. Doch bei dem Versuch, ihn wieder auszusetzen, muss Tom feststellen, dass der Pinguin, den er später Juan Salvador nennen wird, nicht mehr von seiner Seite weicht. Notgedrungen nimmt er ihn also mit ans College, wo der Pinguin nicht nur hilft, das Eis zwischen Tom und seinen Schülern zu brechen, sondern er zu einem zentralen Bestandteil von Toms und dem schulischen Alltag wird.
Es fällt beinahe schwer zu erkennen, was Regisseur Peter Cattaneo am Ende wichtiger ist, zu zeigen: welchen Einfluss der Pinguin auf den Alltag an der Schule insgesamt und Toms Umgang mit seinen Mitmenschen im Speziellen hat, oder was sich in Argentinien zu jener Zeit genau abspielt. Diese Einflüsse kann Tom kaum ausblenden, selbst wenn er es eingangs versucht und seine Schüler nach wenigen Minuten dem Selbststudium überlässt, um sich zurück zu ziehen. Der Pinguin meines Lebens zeigt innerhalb der Mauern des St. George’s College im Kleinen, was sich auch außerhalb abspielt, wenn sich Schüler gegeneinander wenden, Kinder, deren Eltern die politische Führung unterstützen, gegen solche, die vermeintliche Sozialisten sind. Es ist ein beständiges Gefühl des Misstrauens, das den gesamten Alltag durchdringt. Für Tom erscheint dies zu Beginn abstrakt und weit weg, bis die 19jährige Enkelin Sofía der Haushaltsdame María auf offener Straße verhaftet wird, da sie Kontakte zu den Montoneros unterhalten soll. Dass Sofía Tom zuvor durch ihre Standhaftigkeit und ihre Überzeugungen imponiert hat, macht die Situation für ihn noch bedrückender.
So gleichgültig und zynisch Tom zu Beginn ist, so direkt wie mitunter abweisend seine Antworten, mitanzusehen, wie das Land, in dem er nun unterrichtet, von faschistischen Kräften übernommen wird und welche Auswirkungen dies konkret hat, macht mehr mit ihm, als er sich zugestehen mag. Wirkt er zu Beginn kaum motiviert, seinen Schülern etwas beizubringen, verwebt er in den Unterricht immer mehr politische Themen. Subtil und anhand von Aufsätzen oder Gedichten, aber die Inhalte sind allgegenwärtig und dank des Pinguins ist ihm inzwischen auch die Aufmerksamkeit seiner Schüler gewiss. Der Pinguin meines Lebens lässt sich viel Zeit damit, den Ursprung von Toms sarkastischem Auftreten zu ergründen. Doch wenn sich Regisseur Cattaneo seiner Hauptfigur schließlich nähert, offenbart Steve Coogan in seinem geradezu ansteckend traurigen Blick einen Verlust, den man nur zu erahnen vermag. Es ist eine zurückgenommene Darbietung, die auf leisen Humor und hintersinnige Beobachtungen setzt.
Auch deshalb nimmt man es Der Pinguin meines Lebens nicht übel, dass sich die Verantwortlichen derart stark von der autobiografischen Vorlage entfernen. Dies beginnt bereits damit, dass Coogan gut 35 Jahre älter ist als Tom Michell seinerzeit und entsprechend das persönliche Trauma, das die Filmfigur hier prägt, so nicht stattgefunden hat. Auch sollen in der Vorlage die Schüler stärker im Fokus stehen und welche Auswirkungen der Pinguin auf diese Jungen hatte, deren Zukunftsängste sich in ihrer eigenen Unsicherheit widerspiegelten. In der Adaption konzentriert sich Peter Cattaneo hingegen auf die Erwachsenen, die sich dem Pinguin wie einer Ansprechperson mit ihren Sorgen anvertrauen. Dass auch das Ende abgewandelt wurde, ist unverständlich, zumal die Aussage wie die emotionale Wirkung in beiden Fällen dieselbe wäre.
Als Lehrstück über die Gefahren diktatorischer Regime und der Unterdrückung der armen Bevölkerungsteile wirkt Der Pinguin meines Lebens spürbar zu zahm. Toms Berührungspunkte mit der Militärjunta sind so gering, dass man sich beinahe fragen möchte, was ihn dazu bewog, sich stärker zu engagieren. Der Pinguin ist hierfür zwar ein Katalysator, aber kein Auslöser. Doch tiefgreifende Gespräche liefert das Drehbuch ebenso wenig wie scharfe Beobachtungen einer Gesellschaft, die von faschistischen Kräften im Keim erstickt werden soll. Stattdessen gibt es viele gelungene Momente mit gedämpften, aber zutreffenden Feststellungen, und die zu entdecken, macht durchaus einen Reiz aus. Man sollte nur wissen, was einen erwartet.
Fazit:
„Letzten Endes gewöhnt man sich an alles“ ist Toms Kommentar, als er erfährt, dass der Pinguin, den er gerettet hat, in einem Zoo, an den er das Tier abgeben möchte, für über einen Monat in eine kleine Zelle in Quarantäne gesperrt würde. Es ist eine ebenso gelungene Metapher für den aufsteigenden Faschismus und wie viele Menschen sich damit zu arrangieren oder gar anzupassen scheinen, anstatt sich zu wehren, wie viele andere in Peter Cattaneos Erzählung. Auch Tom ist davon betroffen, bis er zu der Überzeugung gelangt, für das, was seiner Meinung nach richtig ist, einzutreten. Sein Literaturunterricht wandelt sich in politische Bildung, die die Kinder in sich aufsaugen. Thematisch ist das so aktuell wie eh und je. Vor allem aber ist es mit spürbar Herz erzählt, gut gespielt wie gefilmt. Doch packend gerät Der Pinguin meines Lebens kaum und emotional nimmt die Geschichte nur wenig mit. Darum mag man den Verantwortlichen vorwerfen, dass sie in all ihren Darstellungen zu oberflächlich bleiben und auch die Figuren kaum vertiefen. Dank der guten Besetzung und der putzigen Titelfigur lässt es einen aber dennoch öfter schmunzeln, als man erwarten würde, während die Aussagen gleichzeitig zum Nachdenken anregen. Das ist am Ende doch gelungen.
Wertung der Blu-ray-Disc:

Features der Blu-ray | ||
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Tonspuren | Deutsch, Englisch jeweils DTS-HD Master Audio 5.1 | |
Untertitel | Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte | |
Extras |
• Original-Trailer* (2 min.) • Trailer zum Film‡ (2 min.) • weitere Trailer‡ (6 min.) * nur mit englischem Ton ‡ nur mit deutschem Ton |
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Der Pinguin meines Lebens ist ab 8. August 2025 auf Blu-ray und DVD sowie digital zum Leihen bzw. seit 31. Juli 2025 bereits auf allen Plattformen digital zum Kaufen von Tobis Film GmbH (im Vertrieb von LEONINE) erhältlich! |
Urheberrecht des Bildes liegt bei Tobis Film GmbH Verwendet mit freundlicher Genehmigung. |