Der phönizische Meisterstreich [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 28. Mai 2025
Genre: Komödie
Originaltitel: The Phoenician Scheme
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Wes Anderson
Musik: Alexandre Desplat
Besetzung: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Richard Ayoade, Jeffrey Wright, Scarlett Johansson, Benedict Cumberbatch, Rupert Friend, Hope Davis, Bill Murray, Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe, F. Murray Abraham
Kurzinhalt:
Nach seinem sechsten Flugzeugabsturz in Folge eines weiteren Attentats auf sein Leben, dämmert es dem Firmenmagnaten Anatole Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro), dass ihn sein Glück irgendwann verlassen wird. Um sein Vermächtnis zu bewahren, bestimmt er nicht einen seiner neun Söhne, sondern seine Tochter Liesl (Mia Threapleton), die in Kürze das Gelübde als Nonne ablegen will. Korda kann sie überzeugen, sich probeweise auf seine Nachfolge einzulassen. Dabei hat Korda auch die Fertigstellung seines Meisterstücks im Blick, eine Landentwicklung im ehemaligen Phönizien, die er seit drei Jahrzehnten plant und für die ein Staudamm, Tunnelsysteme und Eisenbahnschienen gebaut werden müssen. Hierfür hat er Geschäftspartner wie Prinz Farouk (Riz Ahmed), die Konsortiumsbosse Leland (Tom Hanks) und Reagan (Bryan Cranston) oder Marseille Bob (Mathieu Amalric) verpflichtet. Doch nachdem die Rohstoffpreise durch eine List seiner Konkurrenz über Nacht in die Höhe schießen, ist die Finanzierung nicht sicher. Um die Lücke zu schließen, reist Korda mit Liesl und dem Hauslehrer Bjørn Lund (Michael Cera) zu seinen Geschäftspartnern, um sie zu überzeugen, mehr zu investieren. Es ist eine Herkulesaufgabe, die zu erfüllen, Korda bereit ist, alles zu opfern … wenn die Attentäter nicht schneller sind …
Kritik:
Abstrus und wirr mögen die ersten Eindrücke sein, die man mit Wes Andersons Der phönizische Meisterstreich verbindet, doch je länger sich die Geschichte um einen skrupellosen Firmentycoon entfaltet, der für sein Herzensprojekt alle Hebel in Bewegung setzt, umso mehr erkennt man, dass hinter dem scheinbaren Chaos eine eindrucksvolle Komposition liegt. Handwerklich aufwändig wie gleichzeitig stellenweise zur Karikatur stilisiert, ist dies kunstvolles Kino für ein anspruchsvolles Publikum. Wenn auch mit Längen.
Im Zentrum steht der einflussreiche Firmentycoon Anatole Zsa-Zsa Korda, der sein Imperium mit Mitteln aufgebaut hat, die Andere als ausbeuterisch oder unlauter bezeichnen würden. Entsprechend lang ist die Liste seiner Feinde, die nicht müde werden, sein Ableben herbeiführen zu wollen. Zahlreiche Attentate hat er bereits überlebt, darunter ganz aktuell seinen sechsten Flugzeugabsturz. Nach seinem Leben könnten ihm viele trachten, Konkurrenten, Regierungen, die seinen Einfluss fürchten, oder auch einer seiner neun Söhne. Einzig seine Tochter Liesl hält Korda für nicht im Stande, weshalb er sie als Alleinerbin einsetzen möchte. Liesl, die in Kürze das Gelübde zur Nonne ablegen will, willigt an sich nur ein, ihn zu treffen, um ihn zu fragen, ob er wirklich ihre Mutter ermordet hat, wie es heißt. Am Ende ihres ersten Treffens nach sechs Jahren, lässt sich Liesl probeweise auf den Vorschlag ihres Vaters ein. Sie soll die Firma nach seinem Tod übernehmen, unter der Maßgabe, dass sie das Herzensprojekt weiterführt, das er seit 30 Jahren plant. Das Projekt soll ein kaum entwickeltes, wüstenreiches Gebiet im Nahen Osten wirtschaftlich erschließen und den Investoren Einnahmen für die nächsten 150 Jahre sichern. Dafür hat sich Korda auch mit seinen Konkurrenten zusammengetan, darunter seinem verhassten Halbbruder Nubar. Doch auf Grund einer List von Kordas Konkurrenz schießen die Rohstoffpreise über Nacht in die Höhe und die Finanzierung des Projekts reicht nicht mehr aus. Darum reist Korda mit Liesl und dem Hauslehrer Bjørn Lund zu den unterschiedlichen Investoren vor Ort, um sie zu überzeugen, ihre Investitionen zu erhöhen, da er selbst das Projekt nicht retten könnte, ohne sein gesamtes Vermögen einzubringen.
Es ist in gewisser Hinsicht der erzählerischen Finesse von Wes Anderson zu verdanken, dass er all diese Informationen in immens kompakter und gleichzeitig dialoglastig ausschweifend ausgeschmückter Art und Weise im ersten Drittel seiner mitunter bewusst grotesk überzeichneten Komödie unterbringt. Zusammen mit zahlreichen Details hinsichtlich des weit verzweigten Familienbaums von Zsa-Zsa Korda oder der unterschiedlichen Parteien, die darauf aus sind, ihm das Leben schwer zu machen – oder es zu beenden. Aber wie bei Filmen des Regisseurs üblich, richtet sich die Präsentation von Der phönizische Meisterstreich an ein Publikum, das bereit ist, sich von den Eindrücken lange Zeit mittragen zu lassen, ohne sie tatsächlich zu verstehen. Wird man von den wortreichen Dialogen beinahe überrollt, ist es das Zusammenspiel mit den bewusst abstrahierten und gleichzeitig überzeichneten Darbietungen und der Inszenierung selbst, das die Zuschauerinnen und Zuschauer beinahe unter sich begräbt. Wer zu Beginn die vielen, vielen Eindrücke und Informationen also nicht einzuschätzen vermag, da man gar nicht weiß, auf welchen Aspekt (Inhalt, Präsentation, Musik, Besetzung) man sich konzentrieren soll, sollte sich nicht grämen – Vieles davon erschließt sich im Verlauf oder auch erst im Nachgang.
In gewisser Hinsicht mutet Der phönizische Meisterstreich wie ein klassisches Theaterstück an, in dem die Emotionen der Figuren überspitzt zum Leben erweckt werden. Liesl ist geradezu apathisch distanziert, selbst wenn was sie erlebt beinahe grotesk erscheint. Stehen sich Korda und seine Konkurrenten in einer hitzigen Diskussion gegenüber, ist auch die so stark überzeichnet, dass man sich bereits angesichts der Absurdität fragen muss, wie die Beteiligten dabei ihre Ernsthaftigkeit bewahren konnten. Der Bildausschnitt von 1.50 : 1 entspricht ebenfalls dem, was man vom Theater gewohnt ist und die Kulissen, in die die Kamera selten eintaucht, sondern von vorne oder der Seite beobachtet, erscheinen oftmals gezeichnet und künstlich. Dabei sind sie aber ebenso detailreich, wie die stellenweise reduzierte Ausstattung insgesamt beeindruckend, von den Kostümen ganz zu schweigen. Handwerklich ist dies in jeder Hinsicht überragend und für Fans einer solchen Art Erzählung ein Fest.
Doch gleichzeitig bleibt die nur schwer zugänglich und verpackt die Geschichte in eine Präsentation, von der sie aber kaum profitiert. Durchaus Parodie oder Groteske, fällt dadurch vor allem auf, wie episodenhaft die Story im Kern tatsächlich ist. Zusammen mit Liesl reist Korda von einem Investor zum nächsten und erlebt dort jeweils Absurdes, doch ein zusammenhängendes Thema, eine Entwicklung der Figuren im Hintergrund gibt es hier kaum. Man könnte die jeweiligen Abschnitte beliebig untereinander tauschen und würde sie doch genauso erleben. Das wirft aber die Frage auf, ob sie auf dem Weg zum Ziel tatsächlich notwendig sind oder nicht doch nur Teil der Präsentation, da Regisseur Anderson sie schlichtweg zeigen wollte. Ein Publikum, das sich auf Grund seines einmaligen Stils bewusst darauf einlässt, wird das nicht stören. Alle anderen werden sich nach den ersten Minuten ohnehin fragen, worauf sie sich eingelassen haben.
Fazit:
Hinter der makellos skurrilen und exquisit umgesetzten Inszenierung schlummert ein verschroben absurdes Theaterstück, toll ausgestattet und mit einer Kühnheit gespielt, die man selbst dann anerkennen muss, wenn man sich nicht darauf einzulassen vermag. Diejenigen, die es können, finden darin eine Erzählung über Ausdauer und Beharrlichkeit einerseits, wenn Korda seine Vision um jeden Preis zum Leben erwecken will, selbst wenn er dafür das größtmögliche Opfer erbringen muss. Andererseits schildert Filmemacher Wes Anderson an Liesl die einnehmende Verlockung des Luxus und der Dekadenz. Allerdings bleibt der Eindruck, dass Kordas Weg zu viele einzelne Stationen bereithält, die am Ende nicht insoweit zusammengeführt werden, dass sie für die Auflösung als Gesamtes notwendig wären. Es sind einzelne Zahnräder, die nacheinander die Geschichte voranbringen sollen, anstatt ineinander zu greifen, um am Ende das Gesamtwerk erkennen zu lassen. Ein Publikum, das die einmalige Finesse des Filmemachers zu schätzen weiß, von der erlesenen Besetzung ganz zu schweigen, wird an Der phönizische Meisterstreich seine Freude haben und die kunstvoll kombinierten Szenen, bei denen nichts dem Zufall überlassen ist, genießen. Leichter zugänglich macht es das Erlebnis nicht und inhaltlich auch nicht gehaltvoller.