The Gift [2015]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. November 2015
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: The Gift
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: Australien / USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Joel Edgerton
Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Darsteller: Jason Bateman, Rebecca Hall, Joel Edgerton, Allison Tolman, Tim Griffin, Busy Philipps, Adam Lazarre-White, Beau Knapp, Wendell Pierce, Mirrah Foulkes, Nash Edgerton, David Denman


Kurzinhalt:

Um auch beruflich neu anfangen zu können, zieht Simon (Jason Bateman) mit seiner Frau Robyn (Rebecca Hall) zurück in seine Heimat. Als sie Einrichtungsgegenstände für ihr neues Haus einkaufen, begegnet Simon einem Mitschüler von vor 20 Jahren, Gordon (Joel Edgerton). Auch wenn die Begegnung etwas Seltsames an sich hat und Simon nicht plant, Kontakt mit Gordon aufzunehmen, wenig später steht ein kleines Willkommenspräsent von Gordon vor Simons und Robyns Tür. Kurz darauf häufen sich Gordons Besuche und je abweisender Simon sich verhält, umso mehr weckt dies in Robyn einen Verdacht ...


Kritik:
The Gift ist in so vielerlei Hinsicht eine Überraschung, dass es deprimierend ist zu wissen, was für ein kleines Publikum der Film am Ende des Tages ansprechen wird. Es ist ein Psychothriller, der seine Spannung aus der Situation zieht und nicht aus den Schreckmomenten, von denen es nur zwei gibt. Regisseur und Autor Joel Edgerton hält sein Publikum für schlau genug, dem Geschehen zu folgen, ohne dass jede Handlung ins Kleinste erklärt wird. Das ist heute selten und schon deshalb mutig.

Neben seiner Arbeit hinter der Kamera, schlüpft er auch in die Rolle des Gordon Mosley, genannt Gordo. Der erkennt seinen ehemaligen Mitschüler von vor 20 Jahren, Simon Callum beim Einkaufen wieder. Wie sich herausstellt, ist Simon nach vielen Jahren mit seiner Frau Robyn wegen eines neuen Jobs in seine Heimat zurückgekehrt. Schon bei der ersten Begegnung spürt man, dass hier etwas nicht stimmt. Der extrovertierte, offene Simon erkennt Gordo nicht wieder, während letzterer Simon fast schon emotionslos begrüßt. Wenig später bringt Gordon ein kleines Geschenk zum neuen Haus von Simon und Robyn, während Simon bei der Arbeit ist. Auch hier sehen wir, dass Gordon einen peinlichen Moment des Schweigens, nachdem er das Geschenk übergeben hat, zu lange werden lässt, bis Robyn ihn einlädt, hereinzukommen.

Edgerton erzählt seinen Film ruhig mit ausgewählten Bildern in einer bezeichnenden Optik. Er zeigt das neue Leben der Familie Callum, die nicht ohne Grund ihre Zelte in der großen Stadt abgebrochen hat, um hier neu anzufangen. Und er zeigt, wie Gordo immer wieder zu Besuch kommt, eine Einladung geradezu provoziert und mehr Zeit mit Robyn verbringt, als es irgendjemandem recht ist.
Über die Story von The Gift sollte man nicht mehr verraten, da Robyn selbst wie der Zuschauer verstehen muss, was Simon und Gordon tatsächlich verbindet. Sie sieht in der neuen Bekanntschaft jemanden, der ebenso traurig und verletzt ist wie sie, auch wenn sie nicht versteht wieso. Das geht so lange, bis die Geschichte die Sympathiewerte der Figuren verändert, die alle mehr verheimlichen als sie preisgeben.

Handwerklich ist The Gift fantastisch umgesetzt, dank Perspektiven, die ausgesucht, aber in ihrer Aussage nicht überfrachtet sind. Die lange Einstellung, mit der Weinflasche in der Mitte – Gordos erstes Geschenk –, in der Robyn und Simon nur unscharf im Hintergrund zu sehen sind, verdeutlicht, dass sie sich was kommt selbst ins Haus geholt haben. Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass Gordos Geschenk buchstäblich zwischen den beiden Figuren steht. Auch was insbesondere Robyn belastet, ist taktvoll und nicht überraschend eingebracht. Es bereitet gelungen vor, worauf der Film hinauslaufen wird und auch hier tut Joel Edgerton gut daran, dem Zuschauer es zu überlassen, die Schlüsse zu ziehen, als dass gesagt wird.

Dass Jason Bateman ein komödiantischer Darsteller ist, ist bekannt. Doch die Facetten, die er Simon hier verleiht und zu beobachten, wie ihm im letzten Drittel die Kontrolle entgleitet, ist packend verkörpert und gehört vielleicht zum Besten, was der Schauspieler bislang gezeigt hat. Rebecca Halls Wandlung ist nicht weniger beeindruckend und Joel Edgerton selbst verleiht Gordon Mosley eine Aura, die zu seinem ruhigen Auftreten in krassem Widerspruch steht. Alle drei bringen in The Gift eine Geschichte zum Leben, die zugegebenermaßen nicht neu ist, aber so tadellos und kompetent umgesetzt wird, dass es mitreißt, wenn sich abzeichnet, in welchem Scherbenhaufen all das enden wird.


Fazit:
Auch wenn es ein paar Szenen gibt, die nicht hätten sein müssen – allen voran die kurze Traumsequenz –, mit seinem Debüt gelingt Autor, Regisseur und Darsteller Joel Edgerton einer der sehenswertesten und durchgängigsten Thriller des Jahres. The Gift setzt weder auf ein actionreiches Finale, noch auf Explosionen zum Schluss. Er bleibt seiner Linie treu, dass was man nicht weiß, einem viel mehr Angst einjagen kann, als was man mit Sicherheit behaupten kann.
Blickt der Psychothriller hinter bürgerliche Fassade des erfolgreichen Simon und seines ehemaligen Mitschülers Gordo, offenbaren sich Abgründe, die beunruhigender kaum sein könnten. Ergreifend gespielt und toll in Szene gesetzt, ist das für ein anspruchsvolles Publikum sehr sehenswert und offenbart auch bei mehrmaligem Ansehen immer neue Details. Eine der Überraschungen des Jahres.