Smallfoot: Ein eisigartiges Abenteuer [2018]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. Oktober 2018
Genre: Animation / Komödie

Originaltitel: Smallfoot
Laufzeit: 96 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Karey Kirkpatrick, Jason Reisig
Musik: Heitor Pereira
Stimmen: Channing Tatum (Kostja Ullmann), James Corden, Zendaya (Aylin Tezel), Common (Ingo Albrecht), LeBron James, Danny DeVito, Gina Rodriguez (Luise Befort), Yara Shahidi, Ely Henry (Chris Tall), Jimmy Tatro, Patricia Heaton


Kurzinhalt:

Hoch auf dem Berg lebt der junge Yeti Migo (Channing Tatum / Kostja Ullmann) in einem Dorf mit vielen anderen seiner Art. Alles, was Migo und die anderen wissen und glauben, wird ihnen vom Steinbewahrer (Common / Ingo Albrecht) gesagt, dem Anführer der Gemeinschaft. Doch dann begegnet Migo einem sagenumwobenen Wesen: Dem Smallfoot, einem Menschen! Als er den anderen davon erzählt, wird er des Dorfes verbannt, wegen Missachtung der Steine – denn die besagen, dass es Smallfoots nicht gibt. So macht er sich mit der Hilfe der Tochter des Steinbewahrers, Meechee (Zendaya / Aylin Tezel), auf, den Smallfoot zu finden. Dafür begibt er sich unterhalb der immerwährenden Wolkendecke, unter der angeblich nichts sein soll. In einem menschlichen Dorf findet er den Journalisten Percy (James Corden) und beschließt, den Smallfoot zum Dorf der Yetis zu bringen. Doch damit bringt er nicht nur das Weltbild der anderen Yetis ins Wanken, sondern sein ganzes Dorf in Gefahr …


Kritik:
Die Tatsache, dass alles, was die Macher in Smallfoot: Ein eisigartiges Abenteuer anpacken, ihnen wirklich gut gelingt, macht es umso bedauerlicher, dass sie sich mit dem Erreichten offensichtlich zufrieden geben. Mit ein kleinwenig mehr Anstrengung wäre hier mehr möglich gewesen, als „nur“ ein Animationsfilm für die ganze Familie mit einer unerwarteten und überraschend kompromisslos aktuellen Aussage. Andererseits ist das für sich genommen bereits ein Verdienst, den man nicht unterschätzen sollte.

Angesichts der Filmvorschau mag man sich fragen, was Filmemacher Karey Kirkpatrick der an sich recht einfach klingenden Story abzuringen im Stande ist. Immerhin setzt der Film – wie viele Vertreter des Genres – auf bunte Bilder, eingängige Songs und nicht wenig Slapstick-Humor, um das junge Zielpublikum zu unterhalten. Das ist auch alles richtig und funktioniert mitunter besser, als man vermuten würde. Aber während das für sich genommen für den Unterhaltungswert sorgt, ist es die zugrundeliegende Geschichte, die für ein erwachsenes Publikum ungeahnte Facetten bereithält.
In deren Zentrum steht eine Gesellschaft von Yetis, die hoch oben auf einem schneebedeckten Berg leben, über einer unüberwindbaren Wolkendecke. Geführt werden sie vom sogenannten „Steinbewahrer“, der ein Gewand aus Steinplatten trägt, die gleichermaßen die Geschichte des Volkes erzählen und ihnen Regeln für das tägliche Leben mitgeben. Der junge Yeti Migo soll bald in die Fußstapfen seines Vaters treten und täglich die sonnige Himmelsschnecke mit einem Gong aufwecken, so dass der Tag beginnt. So glücklich das Leben der Yetis im Grunde ist, es ist geprägt von den Weisheiten, die der Steinbewahrer vorgibt. Sie in Frage zu stellen, oder überhaupt Fragen zu stellen, ist blasphemisch. Als Migo eines Tages einen Menschen sieht, die bei Yetis als Figuren von Geschichten und Märchen „Smallfoots“ genannt werden, und sich weigert, seine Sichtung als Hirngespinst zu widerrufen, wird er aus dem Dorf verbannt – denn die Smallfoots gibt es laut den Geboten der Steintafeln nicht und eine Missachtung der Steine muss bestraft werden.

So schön und fröhlich die Welt von Migo und den Yetis auf den ersten Blick erscheint, es ist eine totalitäre Gesellschaft, in der sich jedoch durch eine Gruppe junger Yetis Widerstand regt. Sie schicken Migo unter die Wolken, wo er schließlich auf eine menschliche Siedlung trifft und beschließt, den jungen Percy hoch oben in sein Dorf zu bringen, um zu beweisen, dass er Recht hatte. Aber wenn eine Steintafel falsch war, wie viele sind es dann ebenfalls? Percy ist ein Internetreporter und auf der Suche nach einer Sensation, um seine einstige Berühmtheit wiederzuerlangen. Es soll genügen zu sagen, dass das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kulturen nicht reibungslos vonstattengeht.
Doch macht es sich Smallfoot nicht ganz so einfach und so haben die Yetis, angeführt vom Steinbewahrer, der die Geschichte seines Volkes kennt, ihre Gründe, abgeschieden von den Menschen zu leben.

Es ist eine unerwartet politische Story, die Filmemacher Kirkpatrick in Smallfoot: Ein eisigartiges Abenteuer erzählt und wenn Migo sagt, „mir fehlt meine Unwissenheit“, dann drückt er ein Dilemma aus, das im Grunde alle aufgeklärten Völker und Menschen trifft. Eingebettet ist das in eine Präsentation, die die zotteligen Yetis als sympathische (und tollpatschige) Riesen präsentiert und damit für Heiterkeit, insbesondere bei den Kindern im Publikum sorgt. Die Animationen sind durchweg gelungen, erreichen aber nie ganz die technische Finesse von anderen Pixelschmieden. Ebenso die Songs, die zu den jeweiligen Situationen passen und allesamt mit einer Reprise nochmals aufgegriffen werden, aber nicht in Erinnerung bleiben. Neben dem durchaus nachdenklich stimmenden Thema warten auf ältere Zuseher einige Anleihen, insbesondere an Monster-Klassiker wie King Kong und die weiße Frau [1933], die aber nicht so prominent ins Bild gerückt werden, dass sie stören würden.

Als Animationsabenteuer für Groß und Klein überrascht Smallfoot vor allem durch die Geschichte, die tadellos und mit viel Augenzwinkern in Szene gesetzt ist. Als familiengerechte Unterhaltung ist das durchweg gelungen und ebenso unerwartet. Vor allem ist es in der Aussage richtig und vielleicht auch lehrreich. Heute mehr denn je.


Fazit:
Dass hier nicht wie sonst bei vielen Animationsfilmen die Themen Familie und Toleranz im Mittelpunkt stehen, ist durchaus erfrischend. Regisseur Karey Kirkpatrick (Ab durch die Hecke [2006]) gelingt zwar nie ganz der inhaltliche Tiefgang oder die bleibende emotionale Wirkung eines modernen Klassikers, dafür bleiben die Figuren zu oberflächlich und ihre Handlungen zu wenig schwerwiegend in ihren Auswirkungen. Aber die überraschend politische Aussage, die am Ende nicht nur eine klare, sondern auch eine überaus aktuelle Botschaft hinsichtlich der gesellschaftlichen Abschottung trifft, ist nicht nur gelungen, sondern hebt den Film von vielen anderen Genrevertretern ab. Dank der oftmals knuffigen Figuren, der leichtfüßigen Inszenierung und dem kindgerechten Humor, gerät das nie zu schwer oder zu ernst. Im Ergebnis ist Smallfoot: Ein eisigartiges Abenteuer ein durchweg amüsantes, inhaltlich aktuelles und tadellos gemachtes Animationsabenteuer für die ganze Familie, das so charmant wie sympathisch und mit einer eindeutigen Aussage präsentiert wird. Schön!