Rapunzel - Neu verföhnt [2010]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 06. Januar 2011
Genre: Animation / Komödie / Liebesfilm

Originaltitel: Tangled
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Nathan Greno, Byron Howard
Musik: Alan Menken
Stimmen: Mandy Moore (Alexandra Neldel, Pia Allgaier), Zachary Levi (Moritz Bleibtreu, Manuel Straube), Donna Murphy (Monica Bielenstein, Christine Leyser), Ron Perlman (René Marik), M.C. Gainey (Jörg Hengstler), Jeffrey Tambor (Thomas Amper), Brad Garrett (Axel Lutter, Bernd Wippich), Paul F. Tompkins (Friedrich Georg Beckhaus), Richard Kiel (Tilo Schmitz), Delaney Rose Stein (Paula Seifert)


Kurzinhalt:
Um der schwerkranken, hochschwangeren Königin zu helfen, wird eine magische Blume im Königreich gesucht – und gefunden. Sie besitzt heilende Wirkungen und wie die alte Gothel (Donna Murphy / Monica Bielenstein, Christine Leyser) herausgefunden hat, hält sie für ewig jung, wenn man weiß, wie. Die magische Wirkung geht auf die das Baby des Königshauses über und um ihre ewige Jugend zu behalten, stiehlt Gothel das Kleinkind und versteckt es in einem Turm. Singt sie dem Kind etwas vor und streichelt ihre Haare, entfaltet sich dieselbe Jungbrunnenwirkung, nur darf das Haar nicht abgeschnitten werden. Es vergehen 18 Jahre, in denen Rapunzel (Mandy Moore / Alexandra Neldel, Pia Allgaier) ihren Turm nicht verlassen darf, ihre "Mutter" Gothel hat ihr von der grausamen Welt berichtet, in der die Menschen ihre Haare für sich haben wollten.
Eines Tages betritt der Dieb Flynn Ryder (Zachary Levi / Moritz Bleibtreu, Manuel Straube) Rapunzels Turm, als Gothel unterwegs ist. Er hat die im Schloss aufbewahrte Krone der entführten Prinzessin gestohlen und seine Mitstreiter, die Stabbington Brüder (Ron Perlman / René Marik), betrogen. Alle Wachen des Königs sind hinter ihm her. Rapunzel weiß von alledem nichts und stellt ihm eine Forderung: wenn er sie zu ihrem Geburtstag, an dem das Königspaar alljährlich tausende von Laternen für Rapunzel aufsteigen lässt, zum Schloss bringt, damit sie dies sehen kann, dann bekommt er die Krone zurück. Nur kann sie einem Dieb auch trauen? Ihr Gefährte, das Chamäleon Pascal ist ebenso skeptisch, wie Maximus, das Pferd des Hauptmanns der Palastwachen, das Ryder stellen will. Da kommt Gothel früher als geplant zum Turm zurück – und bemerkt Rapunzels Flucht ...


Kritik:
Nachdem Disneys Animationsfilme Anfang der 2000er Jahre nicht mehr im erhofften Maße erfolgreich waren, wurde entschieden, die Produktion ganz einzustellen. Erst nach der Zusammenlegung mit der erfolgreichen Pixelschmiede Pixar wurde entschieden, zu den Wurzeln des Trickfilms zurückzukehren. Küss den Frosch [2009] war dabei durchaus ein Erfolg, blieb aber dennoch hinter den finanziellen Erwartungen zurück. Rapunzel - Neu verföhnt ist der 50. abendfüllende Trickfilm Disneys und markiert gleichzeitig möglicherweise eine Neuorientierung des Studios. Es ist immerhin der erste rein am Computer erstellte Disney-Animationsfilm mit einem klassischen Märchen als Thema. Was dabei überrascht ist der künstlerische Stil, den die Filmemacher beabsichtigen und verfolgen. Während viele andere Studios die Bilder noch realistischer und fotoähnlicher gestalten wollen, gibt sich Rapunzel untypisch sehr verspielt und malerisch. Die Bewegungsabläufe oder Perspektiven stehen denen anderer Computeranimationswerke in nichts nach, doch die Figuren und Landschaften wirken dabei absichtlich wie gemalt. Fünf Jahre zuvor wurden erste Konzepte der Technik vorgestellt, die von Grund auf neu entwickelt werden musste. Sie sollte den Zeichnern die Möglichkeit geben, einen Trickfilm in klassischem Zeichenstil zu animieren und das Gezeigte in 3D zu verpacken. Herausgekommen ist dabei ein einzigartiger Look, der trotz der knuffig aussehenden Charaktere dennoch glaubhaft wirkt. Insbesondere dank der Landschaften, die mit Farben und Formen aufwarten, dass es Zuschauern aller Altersgruppen leicht fällt, sich darin zu verlieren.

Sehr leicht macht das auch die Herangehensweise an die Geschichte: Rapunzel übernimmt die magischen Kräfte einer Pflanze, die eingesetzt wird, um ihre sehr kranke Mutter, die Königin, während der Schwangerschaft zu heilen. Doch auf die verjüngende Wirkung dieser Pflanze hat es die alte Gothel abgesehen, die Rapunzel nach der Geburt entführt und sie in einem Turm versteckt. An Rapunzels Geburtstag lässt die Königsfamilie jedes Jahr tausende Laternen steigen und auch wenn Rapunzel ahnt, dass sie etwas damit zu tun hat, gehorcht sie doch ihrer "Mutter" Gothel und verlässt den Turm nicht.
Dass gerade das erste Drittel des Films mit erstaunlich vielen Musical-Einlagen aufwartet, stört den Fluss der Erzählung nicht, auch wenn sich manche Zuschauer daran stören mögen. Im Gegenteil, die Lieder aus der Feder von Alan Menken sind so eingängig und packend, dass sie regelrecht zum Mitwippen anregen. Wie aus den früheren Disney-Filmen bekannt, werden die vorgestellten Songs in einer Reprise wieder aufgegriffen. Erfreulicherweise ist auch die deutsche Synchronisation gut gelungen, zumal für die Lieder auf professionelle Sänger zurückgegriffen wird, während die Figuren von ausgebildeten Sprechern beziehungsweise Darstellern gesprochen werden. Auf schmalzig hölzerne Einlagen wie bei Küss den Frosch muss man sich im Deutschen glücklicherweise nicht einstellen.
Die beiden witzigsten Figuren kommen dabei sogar ohne Sprache aus. Wachgaul Maximus und Chamäleon Pascal sind ohne Frage die beiden lustigsten Sidekicks, die Disney seit langer Zeit in einem Animationsfilm vorgestellt hat. Aber auch die übrigen Figuren bekommen genügend witzige Momente spendiert und wenn nicht gerade kindgerechte Actionszenen die Geschichte voran treiben, sind es die einfallsreichen Humoreinlagen.

Wovon Rapunzel - Neu verföhnt jedoch lebt sind die beiden Hauptfiguren Rapunzel und Flynn Ryder, die nicht nur eine tolle Chemie entwickeln, sondern beide grundsympathisch gehalten sind. Dass auch Flynn entsprechend viel zu tun bekommt, tut der Story sichtlich gut, aber auch Rapunzels Entdeckung der Welt ist so mitreißend, dass selbst erwachsene Zuschauer gern vergessen, dass der Film keine wirklich neuen Ideen liefert. Dafür sind die gezeigten umso charmanter und liebevoller verpackt, sodass nicht nur die Grenzen zwischen Computeranimation und klassischem Zeichentrick verschwimmen. Was mit den Figuren geschieht, interessiert, sei es Gothels Plan, Rapunzel mit der egoistischen Seite der Welt zu erschrecken, um sie in den Turm zurück zu locken (wozu sie sich auch Ryders ehemaliger Komplizen, der Stabbington Brüder bedient). Ebenso Ryders Schicksal, als er den königlichen Wachen in die Hände fällt – immerhin hatte er die Krone der Prinzessin gestohlen.
Rapunzel gelingt es, Emotionen beim Publikum hervor zu rufen, wie man es im animierten Film meist von Pixar gewohnt ist und wie es selbst Dramen mit "echten" Darstellern selten schaffen. Liebevoll gezeichnet mit einem Look, der zwischen klassischer und Computeranimation angesiedelt ist, packt der Film durch die flotte Erzählweise und die stimmungsvolle Musik. Nicht nur als 50. Animationsfilm der Disney-Studios ist das ein hervorragender Beweis, dass auch bekannte Märchen, dezent modernisiert ein universelles Publikum ansprechen können. Man macht sich angesichts anderer Trickfilmstudios konkurrenzfähig, selbst wenn Pixars Handschrift deutlich zu spüren ist – und das nicht nur bei den "Production babies" im Abspann.


Fazit:
Einen wirklich neuen Aspekt konnten die Filmemacher Rapunzel - Neu verföhnt nicht abgewinnen. Man könnte, von einem Schockmoment für junge Zuschauer am Ende abgesehen, dessen Ausgang für Erwachsene aber nicht überraschend ist, sogar behaupten, dass der Animationsfilm nicht sehr viel Unvorhergesehenes bereithält. Doch was Rapunzel, Flynn, Pascal und Maximus auf ihrem Weg erleben, ist tadellos dargebracht und mit vielen liebevollen Details versehen. Die Verschmelzung von klassischem Zeichentrick und dreidimensionaler Computeranimation ist hervorragend gelungen, der Humor ist herzerwärmend und schlägt nie über die Stränge und die Musik packt nicht nur durch die eingängigen Lieder, sondern gerade in den Momenten, in denen gar nicht gesprochen wird.
All das macht das familientaugliche Abenteuer zu einem modern zeitlosen Abenteuerspaß, in dem nicht nur die goldigen Figuren, sondern gerade die Sidekicks Pascal und Maximus für einen witzigen und unvergesslichen Filmabend sorgen. Dank der gelungenen Synchronisation kann man diesen sogar auf Deutsch genießen.