No Sudden Move [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. November 2021
Genre: Krimi / Thriller

Originaltitel: No Sudden Move
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Steven Soderbergh
Musik: David Holmes
Besetzung: Don Cheadle, Benicio del Toro, David Harbour, Jon Hamm, Julia Fox, Amy Seimetz, Brendan Fraser, Kieran Culkin, Noah Jupe, Craig Grant, Frankie Shaw, Ray Liotta, Bill Duke


Kurzinhalt:

Detroit im Jahr 1954. Für die Kleinganoven Curt Goynes (Don Cheadle) und Ronald Russo (Benicio del Toro) klingt das Angebot von Doug Jones (Brendan Fraser) verlockend. Sein Auftraggeber war speziell auf der Suche nach ihnen. Sie sollen für mehrere Tausend Dollar die Familie des General Motors-Mitarbeiters Matt Wertz (David Harbour) bewachen, während ein dritter Gangster mit Matt nicht ganz freiwillig ein Dokument aus dem Safe von dessen Boss holt. Doch der Auftrag geht schief und als Curt und Ronald erkennen, dass dies auch als Falle für sie selbst gedacht war, machen sie sich auf, Dougs Auftraggeber zu finden. Dafür müssten sie aber zuerst verstehen, was für ein Dokument sie stehlen sollten. Während der Polizist Finney (Jon Hamm) die Ermittlungen aufnimmt, glauben Curt und Ronald, einen Plan ausgearbeitet zu haben, mit dem sie reich werden und am Leben bleiben können. Doch sie wissen nicht einmal, mit wem sie sich angelegt haben …


Kritik:
Steven Soderberghs No Sudden Move ist hinsichtlich der Stimmung schwer zu beschreiben. Obwohl es zahlreiche unterhaltsame oder lustige Momente gibt, ist dies keine Komödie und trotz der Genreeigenschaften eines Noir-Krimis, ist er auch dieses nicht ganz. Toll besetzt und tadellos ausgestattet, ist nicht nur die eigenwillige Optik mit starken Verzeichnungen am Rand auffällig, sondern auch die Tatsache, dass sich der Film nie wirklich entscheiden will, was für eine Art Geschichte er erzählt.

In der Autostadt Detroit, Michigan, im Jahr 1954 angesiedelt, handelt No Sudden Move von den Kriminellen Curt Goynes, der wegen Überfüllung gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde, und Ronald Russo. Letzterer hat eine Affäre mit einer verheirateten Frau, die sehr viel später im Film noch wichtig werden wird. Sie werden von Doug Jones angeheuert, einen Job zu übernehmen, bei dem ein Familienvater – der ebenfalls eine Affäre hat – gezwungen werden soll, ein Dokument aus dem Safe seines Bosses bei der Firma General Motors zu stehlen. Doch der Coup geht schief, denn nicht nur Curts und Ronalds Auftraggeber sind hinter dem Dokument her, sondern auch andere Parteien. So machen sich die beiden auf die Suche nach ihren Auftraggebern und stolpern damit in ein Geflecht, das viel größer ist, als sie es selber überblicken können.

Diese Ausgangslage könnte man auf verschiedene Arten und Weisen angehen. Entweder als ernsthaften, düsteren Krimi, oder als Komödie, wenn die beiden Figuren eher zufällig auf die Machenschaften im Hintergrund aufmerksam werden, bei denen sowohl die organisierte Kriminalität als auch die Polizei ihre Finger im Spiel hat. Drehbuchautor Ed Solomon scheint unentschlossen, in welche Richtung er seine Story entwickeln will. So sind die Figuren selbst überaus zurückhaltend vorgestellt, von sich und ihrem Handeln vollkommen überzeugt und glauben vor allem, dass sie schlauer sind, als die übrigen. Dabei merken vor allem Curt und Ronald nicht, dass sie in Wahrheit keine Ahnung haben, mit wem sie sich anlegen, oder worum es am Ende überhaupt geht. Das weiß auch das Publikum nicht, wobei No Sudden Move hier schlauer tut, als der Film tatsächlich ist. Ein aufmerksames Publikum hat in etwa zur Hälfte der Laufzeit bereits durchschaut, was in dem Dokument beschrieben wird, das alle Parteien hier unbedingt in die Finger bekommen wollen. Vor allem aber ist absehbar, dass die angeblich so einfachen und wasserdichten Pläne der Protagonisten, die jeweils alle anderen aufs Kreuz legen wollen, am Ende nicht aufgehen werden.

Weshalb die Vorlage Figuren wie dem Angestellten Matt Wertz, der zu Beginn erpresst wird, das Dokument zu beschaffen, im weiteren Verlauf mit einem gescheiterten Versuch, sich mit seiner Liebschaft abzusetzen, ohnehin so viel Zeit einräumt, ist ein Rätsel. Für die letztliche Auflösung spielt er keine Rolle mehr und weder seine Entwicklung, noch diejenige seiner Familienmitglieder, ist am Ende in irgendeiner Weise entscheidend. So streckt No Sudden Move die Laufzeit zusätzlich, die mit den zahlreichen Figuren an sich mehr als genügend beschäftigt wäre. Verkompliziert wird die Erzählung dadurch, dass Charaktere lange Zeit angekündigt werden, ohne dass das Publikum damit jemanden verbinden würde. So erzählen Curt und Ronald anfangs, sie wollten auf keinen Fall für „Frank“ arbeiten, doch es dauert eine gefühlte Ewigkeit, ehe man versteht, weshalb. Auch mit dem Namen Aldrick verbindet man erst spät jemanden und die Zusammenhänge dann einzuordnen, fällt unnötig schwer.

So gibt sich Soderbergh betont Mühe, seinen durchaus atmosphärischen Crime-Thriller interessant zu halten, erreicht aber genau das Gegenteil. Ähnlich sieht es mit der Optik aus, bei welcher der Regisseur, nicht nur selbst als Kameramann aktiv wird, sondern die Bilder mit einem Weitwinkelobjektiv einfängt, das an den Rändern für starke Verzeichnungen wie bei einem Fischaugenobjektiv sorgt. Der Effekt ist so stark, dass No Sudden Move nachträglich auf ein weniger breites Bildformat gestutzt wurde, so dass die Verzerrungen nicht ganz so sehr ins Gewicht fallen. Auch diese Entscheidung soll wohl eine zeitgemäße Umsetzung ausdrücken, lenkt aber unnötig vom Geschehen ab. Zusammen mit den geradezu bewusst gemächlich gehaltenen Szenen, in denen auch dank der zurückhaltenden Musik nie Tempo aufkommt, wirken die Verantwortlichen darum bemüht, ihrem Werk einen künstlerischen Touch zu verleihen. So sehr, dass der Spaß am Zusehen fast zum Erliegen kommt.


Fazit:
Es ist beinahe, als wollte Regisseur Steven Soderbergh die gelackte Präsentation und süffisante Unterhaltsamkeit seiner Oceans-Trilogie kopieren, rückt aber gleichzeitig Figuren ins Zentrum, die allesamt im besten Fall nur halb so schlau sind und stellt den Humor so subtil zur Schau, dass man sich in aller Regel lediglich über die Selbstüberschätzung der Charaktere amüsiert. Die Geschichte entfaltet nie ein Momentum, eine Geschwindigkeit oder gar einen Zugzwang. Dafür hält sie sich mit Nebenfiguren auf, die am Ende ohnehin keine Rolle spielen. Eingebettet ist all das in eine fiktive, unnötig verschachtelt aufgebaute Story, die sich letztlich als bedeutend simpler entpuppt, als sie anfangs zugibt zu sein. Dass bei Texttafeln am Ende jedoch auf wahre Entwicklungen verwiesen wird, unterstreicht allenfalls die Selbstüberschätzung der Verantwortlichen der Produktion. No Sudden Move ist toll ausgestattet und mit einer fantastischen Besetzung ausgeschmückt, die sich bei allem so sehr zurückhalten muss, dass sie kaum zur Geltung kommt. Mit angezogener Handbremse erzählt, nimmt die Geschichte nie Fahrt auf, kann nie wirklich überraschen oder unterhalten. Als Noir-Krimi ist das letztlich so enttäuschend wie als in jener Zeit angesiedeltes Drama. Dafür ist das Gezeigte schlicht nicht relevant genug.