Napoleon [2002]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 05. Mai 2003
Genre: Drama

Originaltitel: Napoléon
Laufzeit: 360 min.
Produktionsland: Frankreich / Deutschland / Italien / Kanada / USA / Großbritannien / Ungarn / Spanien
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Yves Simoneau
Musik: Richard Grégoire
Darsteller: Christian Clavier, Isabella Rossellini, Gérard Depardieu, John Malkovich, Anouk Aimée, Heino Ferch, Sebastian Koch


Kurzinhalt:
Geboren am 15. August 1769 in Ajaccio auf Korsika, erweist sich Napoléon Bonaparte (Christian Clavier) 1796 im Krieg gegen die von England und Österreich geführte Koalition der europäischen Monarchien als geschickter Stratege und Kriegsführer. Trotz Niederlagen überwiegen seine Erfolge und Bonaparte steigt zum Volksheld auf, doch er selbst strebt weiter nach der höchsten Macht, die ein Mensch erreichen kann. Für 10 Jahre zum Konsul gewählt, hat er die Spitze des Staates erreicht, doch dem sind nicht alle Menschen wohlgesonnen. Anschläge und Intrigen machen ihm das Leben schwer. Polizeiminister Fouché (Gérard Depardieu) versucht ihn vor seinen Feinden zu warnen, doch erst Talleyrand (John Malkovich), der sich seit langem in der Gunst der Mächtigen bewegt, kann ihm helfen, die Attentäter zu fassen und hinrichten zu lassen.
Am 2. Dezember 1804 krönt sich Napoléon selbst zum Kaiser Frankreichs und befiehlt auch den Papst zur Zeremonie. Doch hier beginnen neue Probleme für das Staatsoberhaupt; seine von ihm angebetete Ehefrau Joséphine (Isabella Rossellini) kann ihm keine Kinder schenken und Napoléon gerät unter Druck, dem Volk einen Erben zu präsentieren.
In Europa formiert sich unterdessen die anti-napoléonische Koalition, die darauf aus ist, den Kaiser zu stürzen, der seine Grenzen so rigoros erweitern will. Nach einigen Triumphen bleiben die Siege aus; als Napoléon in Moskau eintrifft und ihm die Russen eine Falle stellen, wendet sich das Blatt und die Grande Armée des französischen Kaisers muss dem unbändigen Druck der Koalition nachgeben. Auch die Friedensehe mit der österreichischen Kaisertochter Marie-Louise (Mavie Hörbiger) ändert daran nichts.
Paris muss vor den alliierten Truppen kapitulieren und Napoléon werden die Bedingungen der Sieger von seinem Mitstreiter und Untergebenen Marquis de Caulaincourt (Heino Ferch) unterbreitet. Der Kaiser muss abdanken und wird auf die Insel Elba (die er als souveränen Staat regieren darf) ins Exil geschickt. Es gelingt ihm, zu fliehen und nach Frankreich zurückzukehren – am 1. März 1815. Doch die Übermacht der alliierten Truppen bestehend aus Engländern und Preußen bereiten ihm in Belgien in der legendären Schlacht von Waterloo ein unbarmherziges Ende.
Als Gefangener wird er auf die Süd-Atlantikinsel Sankt Helena gebracht und erliegt dort am 5. Mai 1821 einer schleichenden Arsenvergiftung. Erst beinahe 20 Jahre später geben die Engländer die sterblichen Überreste des Kaisers zur Bestattung frei.


Kritik:
Mehr als 120 Schauplätze, knapp 41 Millionen Euro Produktionskosten und bis zu 10.000 Statisten – die aufwändigste TV-Co-Produktion des deutschen Fernsehens kann durchaus einige beeindruckende Zahlen vorweisen. Vom 21. Mai 2001 bis ins Frühjahr 2002 fanden die Dreharbeiten in Frankreich, Österreich, Tschechien, Ungarn, Kanada, Marokko und auf Sankt Helena statt; zehn der schönsten europäischen Schlösser wurden als Kulisse verwendet, darunter auch das sagenhafte Versailler Schloss, wo zum ersten Mal im Schlafgemach von Marie Antoinette gefilmt werden durfte.
Dabei war all dies lange Zeit gar nicht so sicher, denn der Produktion wären aufgrund der Pleite des Kirch-Medien-Imperiums – einem der Hauptgeldgeber – während der Dreharbeiten beinahe die Mittel ausgegangen. Als der zweite Teil gedreht wurde, war noch nicht einmal bekannt, ob der vierte überhaupt finanziert werden würde.

Wie man anhand der Inhaltsangabe sehen kann (die nun wirklich nur einen kleinen Ausschnitt des Lebens von Napoléon Bonaparte umreisst) muss man sehr weit ausholen, um vom Leben dieser geschichtsträchtigen Figur zu erzählen. Insofern war es für den Drehbuchautor Didier Decoin sicherlich eine große Hilfe, auf den Roman von Max Gallo aufbauen zu können. Doch auch wenn sich das Drehbuch Mühe gibt, viel aus dem Leben des Menschen Napoléon zu berichten – selbiges betonen die Macher immer wieder – so hätte sein Skript eines definitiv werden sollen: Kürzer.
Dem Zuschauer einen sechs Stunden langen TV-Film zuzumuten ist deutlich zu hoch gegriffen, zumal das inhaltlich gar nicht notwendig gewesen wäre. Während man als Zuschauer am Anfang noch interessiert zusieht, wie Napoléon einige Schlachten schlägt, die meiste Zeit allerdings bei seiner Liebsten Joséphine verbringt und sich mit ihren Affären herumschlägt (er tut es ihr bald gleich), verliert sich dieses interesse immer weiter, wen man erkennen muss, dass die ersten drei Stunden dieses TV-Films ansich mehr oder weniger aus Liebschaften und Gefühlwallungen bestehen. Man vermisst schmerzlich den politischen Aspekt der Geschichte.
Als wäre das nicht genug, gibt es in der Handlung immer wieder mehr oder weniger große Sprünge. So wird zum Beispiel erzählt, dass Napoléon sich auf den Weg nach Ägypten macht, in der nächsten Einstellung sieht man seine Truppen dezimiert in der Wüste umherwandern – die Schlacht, also das eigentlich wichtige Geschehen selbst, ist schon vorbei. An einer anderen Stelle sind Frankreichs Truppen hoffnungslos unterlegen und können sich mit Mühe und Not wehren – kurz darauf wird ohne jede Erklärung Napoléons Sieg gefeiert. Mittendrin vermisst man immer wieder solche Schlüsselszenen, die als Überleitung zwischen einer Sequenz und der nächsten dienen würden.

In anderen Filmproduktionen, besonders aus Hollywood werden solche Szenen auch hin und wieder bei den Dreharbeiten "vergessen", aber anschließend nachgedreht (sogenannte "Pick-Ups"). Offensichtlich hat man sich diese Zeit bei Napoleon nicht genommen.
Doch am störendsten ist sicherlich, dass die letztlich vielversprechenderen Geschichten viel schleppender in Gang kommen, als man das erwarten würde. Zwar ist der Privatmensch Napoléon ebenso interessant, doch wesentlich mehr Spaß macht es einem als Zuschauer zu sehen, wie seine eigene Verwandtschaft damit beginnt, ihn für tot zu erklären, um sich so selbst auf den Thron zu hieven, während Napoléon selbst im Ausland noch Schlachten schlägt. Leider kommen diese Elemente erst in der zweiten Hälfte des Sechs-Stunden-Epos mehr zum Zug und auch dann leider immer noch zu kurz. Selbst der eigentliche Schluss wirkt um 20 Minuten hinausgeschoben und verzögert, um beim letzten Teil eben auch noch die 90 Minuten voll zu bekommen.
Aus den 360 Minuten hätte man mühelos 180-220 machen können, ohne wirklich etwas Wichtiges von der Story zu nehmen und eine bedeutend mitreissendere und unterhaltsamere Inszenierung erreichen können.

Regisseur Yves Simoneau, der mit der Miniserie Nürnberg - Im Namen der Menschlichkeit [2001] international für Aufsehen sorgte und die mehrere Auszeichnungen und Nominierungen erhielt, konnte für Napoleon auf ein Staraufgebot zurückgreifen, das viele Regisseure gerne hätten.
Die Hauptrolle durfte Christian Clavier (Asterix & Obelix gegen Caesar [1999]) bekleiden, der darin ansich auch recht überzeugend ist; in einigen Szenen bringt er den inneren Zwang des Feldherrn sehr gut zum Ausdruck, über weite Strecken wirkt er allerings viel zu unterkühlt und beherrscht. Wer Napoléon auf Gemälden gesehen hat, kann sich einfach nicht vorstellen, dass dieser Weltenherrscher bei den hitzigsten Streitgesprächen ledigleich die Lippen bewegt und seine restliche Mimik wie eingefroren wirkt. Hätte der Regisseur Clavier hier mehr Freiheiten gelassen, wäre eine bedeutend eindrucksvollere Darbietung gelungen.
Bei Gérard Depardieu kann man erfahrungsgemäß nicht viel falsch machen und es macht immer wieder Spaß, ihn in Aktion zu sehen; er hat allerdings zu wenig zu tun.
John Malkovich ist eines der Highlights der Besetzung und kann mit einer unglaublich schmierigen Darstellung des Talleyrand überzeugen. Seine Dialoge sind pointiert und spitz, es gelingen ihm einige der besten Sprüche, Dialoge und Monologe der TV-Produktion.
Oft in Vergessenheit gerät Heino Ferch, der sich nicht zuletzt durch den hervorragenden TV-Film Der Tunnel [2001] einen Namen gemacht hat; er spielt in Napoleon ebenfalls sehr gut und man hätte ihm gewünscht, dass seine Rolle größer ausgefallen oder zumindest tiefer ausgearbeitet gewesen wäre.
Die einzige wirkliche Enttäuschung im Stab ist Isabella Rossellini die manchmal zu passiv, dann wieder völlig überdreht agiert und von ihrem eigentlichen Können nichts zu präsentieren vermag. Seltsamerweise wirkt die heute 51jährige in der Produktion, als wäre sie plötzlich um 15 Jahre gealtert, und macht einen regelrecht aufgeschwemmten Eindruck.
Alle Schauspieler wirken aber, als wären sie künstlich ausgebremst worden, um nicht zu viel zu agieren. In einigen Szenen allerdings bemerkt man dann ein regelrechtes Überschauspielern, das dann umso weniger passt.
Insgesamt gesehen ist die Besetzung trotzdem ganz gut gelungen.

Die Inszenierung ist dahingegen eine herbe Enttäuschung. In den ruhigen Szenen versucht die Kamera bisweilen, durch Bewegung Dynamik zu verleihen, wo man gar keine benötigt; dafür werden die Schlachtszenen dann mit endlosen Zeitlupen künstlich verlangsamt. Leider wurde auch darauf verzichtet, zwar nur einige wenige, dafür wirklich gute Schlachten zu präsentieren. Stattdessen werden immer wieder in Zeitlupe dahingeraffte Soldaten eingestreut, die in allerlei Kulissen durch die Gegend fliegen und so ständig Action vortäuschen sollen, wobei man sich als Zuschauer eher langweilt.
Was die Schlachtszenen allesamt vermissen lassen, ist ein Aufbau. Statt eine Schlacht mehr oder weniger chronologisch zu erzählen und dadurch auch eine richtige Spannung aufzubauen – wie zum Beispiel grandios in Gettysburg [1993] veranschaulicht –, werden die Soldaten aufeinander gehetzt, ohne dass man als Zuschauer überhaupt wüsste, wer auf welcher Seite kämpft. Von den 3000 Pferden und unzähligen Statisten ist dabei leider nichts zu sehen, allenfalls bei der Schlussschlacht kann man erahnen, dass mehr als 500 Leute beteiligt waren (dort sind aber auch recht schnell die Spezialeffekte als solche ersichtlich), aber wenn per Schriftzug Napoléons Armee angekündigt wird und 100 Leute in Kostümen an der Kamera vorbeimarschieren, kommt man nicht umhin, sich am Kopf zu kratzen oder müde zu lächeln – damit hätte kein Stratege der Welt Europa einnehmen können.
Kamera und Schnitt werden nicht immer vorteilhaft eingesetzt und wirken alles in allem viel zu träge. Simoneau fängt Farben und Landschaften zwar nicht schlecht ein, aber die Szenen scheinen nicht ausgenutzt. Eine Spannung oder einen richtigen Szenenaufbau sucht man weitestgehend vergebens.
Wenn Kriegskämpfe als langatmig beschrieben werden können, ist das in aller Regel kein Kompliment für einen solchen Film. Auch dass Zeitlupen nicht immer passen, wurde hier einmal mehr bewiesen.
Die Musik von Richard Grégoire ist zwar nicht schlecht, wiederholt sich aufgrund der langen Laufzeit des Filmes allerdings sehr oft und bleibt dennoch nicht dauerhaft im Gedächtnis.

Ein Augenschmaus sind die authentischen Drehorte und die umwerfenden Schlösser, in denen das Filmteam aufnehmen durfte. Auch die restlichen Bauten sind gut gelungen; den Kostümen sieht man an, dass sie großteils wirklich aus Brokat, Seide und Satin gemacht wurden – hier hätte die Produktion durchaus eine Auszeichnung verdient.
Das Make-Up und die Spezialeffekte sind hingegen nicht immer überzeugend (besonders das brennende Moskau lässt einige Wünsche offen), reichen in aller Regel aber aus, um das Geschehen zu verdeutlichen, wenn man bei den Spezialeffekten darüber hinwegsieht, dass die Schlachtszenen dadurch nicht tatsächlich "größer" und "belebter" wirken. Insgesamt bemerkt man zweifelsohne, dass die Produktion nicht billig gewesen ist.
Anstatt so viele Scharmützel, beziehungsweise einzelne Schlachten anzuschneiden und zu zeigen, hätte man sich vielleicht auf zwei wirklich große, umfangreiche und dann auch besser gemachte Schlachtszenarien beschränken sollen. So wirkt keine kriegerische Auseinandersetzung wie ein wirklicher Höhepunkt des Films.

Nicht umsonst gilt Napoléon Bonaparte als eine der einflussreichsten und faszinierendsten Persönlichkeiten Europas. Seine Geschicke haben die Geschichte nachhaltig beeinflusst und das Europa geschaffen, wie wir es kennen; seine Vision, ein vereinigtes, freiheitliches und friedvolles Europa zu schaffen, war seiner Zeit weit voraus und ein nobles Ziel – das sich jedoch – wie er feststellen musste – mit kriegerischen Mitteln nicht erzwingen lässt.
Eine Biographie zu drehen, die seiner Person gerecht wird, ist ebenso wichtig und richtig, allerdings sollte das Ergebnis anders aussehen, wie diese TV-Produktion. Eine deutlich kürzere Laufzeit würde eine aufwändigere Gestaltung ermöglichen und für den Zuschauer spannendere und interessantere Geschichten aus seinem Leben und Wirken erzählen können.
Yves Simoneaus Film dagegen erscheint über weite Strecken wie ein indirekter verkrampft-künstlicher Werbefilm für den ehemaligen französischen Kaiser und ein unnötig in die Länge gezogenes anspruchsvolles Biographie-Drama über einen Mann, dessen edle Ziele von seinen Zeitgenossen unbarmherzig zerstört wurden.


Fazit:
Trotz des Erfolges und der geschickten Mehrfachvermarktung durch Videos, Bücher, Spiele, und so weiter, kann man nicht übersehen, dass die Geschichte von Napoléon Bonaparte mit etwas mehr Geld, weniger Liebeströdelei, mehr Gewicht auf den politischen Intrigen und vor allem einer wesentlich geringeren Laufzeit unterhaltsamer, ansprechender und besser hätte erzählt werden können.
Dass der Produktion von Regisseur Yves Simoneau mehr oder weniger das Geld ausgegangen ist, sieht man schon anhand der Massenszenen, bei denen man leider nie das Gefühl hat, es wären mehr als 200 Leute anwesend gewesen.
Die Schlachtszenen lassen Übersicht und Spannung vermissen und wenn der Film nach langen sechs Stunden endlich vorüber ist, wird man das Gefühl nicht los, dass man auch einfach eine Biographie des Feldherren hätte lesen können, anstatt sich Napoleon anzusehen, und hätte dort mehr über die Schattenseiten des mächtigsten Mannes des 19. Jahrhunderts erfahren.