Indiana Jones und der Rote Baron [1995]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. August 2004
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Young Indiana Jones and the Attack of the Hawkmen
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1995
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Ben Burtt
Musik: Joel McNeely
Darsteller: Sean Patrick Flanery, Ronny Coutteure, Patrick Toomey, Marc Warren, Craig Kelly, Daniel Kash, Ewan Bailey, Lawrence Elman, Nicholas Colicos, Matt Bardock, Victor Spinetti


Kurzinhalt:
Nachdem der 18jährige Indiana Jones (Sean Patrick Flanery) und Remy (Ronny Coutteure) von der belgischen Fremdenlegion zum französischen Geheimdienst übergewechselt sind, wird Indy als Aufklärungsphotograph zum Lafayette Escadrille Geschwader versetzt. Wenig später begegnet er dem deutschen Fliegerass Baron von Richthofen (Marc Warren), kann seinen Fängen jedoch entkommen.
Doch Indys nächster Auftrag führt in noch weiter in Feindesland, er soll den holländischen Flugzeugkonstrukteur Anthony Fokker (Craig Kelly) dazu bringen, zu den Alliierten überzulaufen – bei einer Flugdemonstration, bei der Indy selbiges versucht, ist aber auch von Richthofen anwesend ...


Kritik:
Als 1989 Indiana Jones und der letzte Kreuzzug über die Leinwände flimmerte, suggerierte der Film dem Zuschauer einen würdigen Abschluss und auch alle Beteiligten waren wohl der Ansicht, dass Archäologe und Abenteurer Indy seinen Hut samt Peitsche an den Nagel hängen würde.
Drei Jahre später brachte Produzent und Drehbuchautor George Lucas Die Abenteuer des jungen Indiana Jones [1992-1993] ins US-Fernsehen. Die leider nur kurzlebige Serie porträtierte wie der Titel schon sagt das Leben des jungen Indiana Jones, dabei wahlweise im Alter von 10 Jahren, als um 1909, oder im Alter von 16 Jahren aufwärts (dementsprechend ab 1915). Doch während Fans die zahlreichen Anspielungen genießen konnten, die auf die Eigenarten des späteren Abenteuerhelden schließen ließen, zeichnete die Serie weit mehr aus, als eine bloße Vertiefung des Charakters Indiana Jones. Im Vordergrund der Produktion standen die Geschichten, die dabei nicht wahllos zusammengeschustert waren, sondern jeweils einen historischen Hintergrund besaßen. So trifft der junge Indiana Jones auf Albert Schweitzer, Sigmund Freud, oder Ernest Hemmingway, wohnt Ausgrabungen in Ägypten bei, erlebt die Schrecken auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, ist bei der Oktoberrevolution in Russland zugegen und arbeitet als Übersetzer am Friedensvertrag von Versailles.
Verpackt in spannende Geschichten erwartet den Zuschauer damit Geschichtsunterricht der überaus unterhaltsamen Art, immer lehrreich, jedoch nie aufdringlich. Dass den Machern dieses Kunststück gelingt liegt vor allem an der teuren Ausstattung, die letztendlich auch eine Weiterführung der Serie verhinderte. Doch nach der letzten Episode 1993 produzierten die Macher noch einige Fernsehfilme, bis ins Jahr 1999 hinein, auch wenn weiterhin einige der Episoden noch nie ausgestrahlt wurden.

Beim Angriff des Roten Baron (wie der TV-Mehrteiler auch heißt) widmet sich die Reihe Manfred Freiherr von Richthofen, der als militärisch erzogener Sohn einer preußischen Familie im Ersten Weltkrieg als Kampfpilot große Erfolge feiern konnte. Am 2. Mai 1892 geboren wurde er mit dem Spitznamen "Roter Baron" bekannt, da er wie die anderen Piloten seines Geschwaders sein Flugzeug bunt anstrich – von Richthofen in der Farbe rot. Obwohl er bereits zum Kommodore befördert worden war, flog er weiterhin Einsätze; im Oktober 1917 wurde seine Staffel mit dem Fokker Dreidecker Dr.I ausgestattet, ein neuer Maschinentypus, der weitaus wendiger und manövrierfähiger war, als die Jagdmaschinen der Alliierten. Der Dreidecker ging letztlich auch in die Geschichtsbücher als das Flugzeug des "Roten Barons" ein – auch er war wieder rot lackiert worden. Seinen letzten Sieg feierte der erst 26jährige am 20. April 1918; Tags darauf kam es zu einem Luftkampf mit britischen Jagdflugzeugen, bei dem von Richthofen getroffen wurde und neben der Straße von Bray nach Corbie abstürzte und starb. Obwohl er auf alliiertem Gebiet abgestürzt war, wurde er am 22. April 1918 in Bertangles durch die Briten mit allen militärischen Ehren bestattet. Deutsche Piloten durften sogar ungehindert über das Grab fliegen und Kränze abwerfen, im Gegenzug flog die Royal Air Force über deutsches Gebiet und warf ein Flugblatt mit folgender Aufschrift ab:
»An das deutsche Fliegerkorps
Rittmeister Baron Manfred von Richthofen ist am 21. April 1918 im Luftkampf gefallen. Er wurde mit allen militärischen Ehren bestattet.
Von der britischen Royal Air Force.«

Doch nicht nur er tritt als historische Figur in diesem TV-Mehrteiler auf, auch der blutjunge holländische Konstrukteur Anthony Herman Gerard Fokker, 1890 auf Java geboren, spielt eine entscheidende Rolle. Immerhin wollen die Alliierten den käuflichen Flugzeugbauer abwerben. Während dem Skript jedoch die Charakterisierung der beiden Figuren recht gut gelingt, kann man als Zuschauer nicht umhin, die klare Zweiteilung der Geschichte zu bemerken: Beschäftigt sich der erste Teil von Indiana Jones und der Rote Baron mit von Richthofen, steht im zweiten eindeutig Anthony Fokker im Vordergrund und verstrickt Hauptfigur Indiana Jones in ein Spionageabenteuer, das mit den Luftkämpfen der ersten 45 Minuten nur bedingt etwas zu tun hat. Da eben der Agentenanteil tief hinter den feindlichen Linien bedeutend mehr das Flair der bekannten Indiana Jones-Filme verbreitet, ziehen sich die ersten 45 Minuten sichtlich hin, ehe die Macher zum zweiten Teil die Spannung und Action merklich anziehen.
Hier hätte man sich gewünscht, dass die Geschichte vielleicht ganz anders angegangen worden wäre und Indys Ermittlungen in Deutschland viel mehr in den Vordergrund gerückt wären. Nicht zuletzt ist die zweite Episode auch ironisch-witziger gelungen als die erste, was auch über die etwas holprigen Dialoge hinweg hilft. Ein Highlight ist auf jeden Fall der Besuch in den verschiedenen Zimmern des französischen Geheimdienstes, in denen Indy mit allerlei Hilfsmitteln und Informationen ausgestattet wird.
Dank dem Faible für historisch akkurate Details bleibt auch dieser Zweiteiler sehenswert, aber abgesehen von den Charakteren enttäuscht die Geschichte mit einem zähflüssigen Drehbuch, hier war mehr Potential vorhanden.

Die Darsteller, allen voran Hauptfigur Sean Patrick Flanery sind dabei wie immer gut besetzt, er mimt mit der von ihm gewohnten Natürlichkeit und rettet auch Szenen, die eher am Rande überzeugt hätten. Leider nur zu Beginn zu sehen ist Ronny Coutteure als sein Weggefährte Remy; der am 21. Juni 2000 verstorbene Darsteller hat sich Fans der Serie ebenso eingeprägt wie der Hauptcharakter und bereichert auch diesen Film um einige witzige Szenen; man hätte sich gewünscht, dass er am Ende in einem Epilog nochmals zu sehen gewesen wäre.
Als Baron von Richthofen ist Marc Warren zu sehen, der zwar nicht viel zu tun hat, aber eine gute Leistung zeigt, wenn es darum geht, die Überheblichkeit der Preußen aufzuzeigen; Craig Kelly als Anthony Fokker hat noch weniger zu tun, aber er fällt nie negativ auf.
Ein interessanter Leckerbissen für Fans ist Anthony Daniels Gastauftritt als französischer Geheimdienstler. Daniels erlangte nicht zuletzt als C-3PO der Star Wars-Filme (ebenfalls von George Lucas) Berühmtheit.

Für die Inszenierung holte Lucas hier seinen Cutter und Sound-Designer Ben Burtt an Bord, der ebenfalls bei allen Star Wars-Filmen beteiligt war und hier seinen einzigen Einstand als Regisseur der Reihe gibt. Handwerklich ist er, mit der Ausnahme einiger unpassender Zeitlupen, immer auf der sicheren Seite, was ihm jedoch trotz der kurzen Kamerafahrten fehlt ist eine Übersichtlichkeit bei den Luftkämpfen. Hier ist selten klar, wer in welchem Flugzeug sitzt und auf den schießt.
Bei den Szenen am Boden bemüht er sich zwar um einige malerische Einstellungen, aber abgesehen von einigen Aufnahmen erwartet den Zuschauer nur Hausmannskost.
Anders hingegen bei den Spezialeffekten und Bauten; während die Effekte ohne Zweifel nicht an Kinoproduktionen wie Pearl Harbor [2001] herankommen, für eine Fernsehproduktion mit derart begrenztem Budget sind die Aufnahmen in der Luft, abgesehen von den offensichtlichen Bluescreens, ganz gut gelungen. Die Bauten am Boden überraschen ebenso wie die Innenaufnahmen mit einem hohen Detailgrad und Authentizität, neben deutschsprachigen Schildern und prunkvoll ausgestatteten Zügen gibt es auch zahlreiche Automobile aus der Zeit zu bewundern. Der Aufwand für die Ausstattung ist für einen Fernsehfilm wie bei der Serie zuvor sehr hoch. Neben zeitgemäßen Uniformen und Waffen gibt es auch zahlreiche Flugzeuge aus dem ersten Weltkrieg zu sehen – mehr kann man dahingehend nicht erwarten.

Komponist Joel McNeely, der abgesehen von der Serie nur an diesem Teil der Reihe gearbeitet hat, gelingt dank eines recht großen Orchesters und einer pompösen Militärmusik die passende Untermalung, die auch in den witzigeren Situationen nie überspitzt und aufgesetzt klingt.
Manch ein Indiana Jones-Fan wird auch bekannte Themen aus den Kinofilmen heraushören können. Abgerundet wird das Ganze durch klassische Musikstücke wie "Der fliegende Holländer" (von Richard Wagner) und "Can Can" aus "Orphée aux Enfers" von Jacques Offenbach, die sich gut ins Gesamtbild einfügen.

Wer die Indiana Jones-Kinofilme kennt, wird bei den hier gebotenen Actionszenen bisweilen nicht so recht mitfiebern können, angesichts des beschränkten Budgets und des sichtlichen Aufwands kann man den Machern aber nur gratulieren. Nicht ganz so gut sieht es mit der eigentlichen Geschichte aus, die zwar wieder ein Kapitel aus einem Geschichtsbuch aufgreift, aber weder mit so überzeugenden Portraits wie bei Albert Schweitzer, noch mit einer so mitreißenden und erschütternd-ernsten Story wie bei "Felder des Todes", die von den Schlachtfeldern bei Verdun im September 1916 erzählt, kann Indiana Jones und der Rote Baron aufwarten.
Übrig bleibt ein guter Fernsehfilm mit einigen guten Darstellern, dem gewohnten Indy-Flair und einer in der zweiten Hälfte deutlich spannenderen Story.


Fazit:
Mit Geschichtsunterricht im handlichen Serienformat konnte das US-Publikum Anfang der 1990er leider nichts anfangen, im Rest der Welt wurde die Serie zwar besser, aber auch nicht überragend aufgenommen.
Was Ben Burtts Umsetzung anschaulich zeigt sind sowohl die Schwächen, als auch die Stärken des Konzepts, denn einerseits fasziniert die Detailverliebtheit, mit der die Macher jene Zeit wieder auferstehen lassen, andererseits bleibt bei der Story der Unterhaltungsfaktor leider manchmal auf der Strecke. Empfehlenswert ist Indiana Jones und der Rote Baron dennoch, schon aufgrund der zahlreichen Anspielungen und der Hintergrundinformationen, die man quasi "nebenher" mitbekommt.
Aufwändig gemacht und größtenteils sauber umgesetzt gehört dieser Mehrteiler zwar nicht zu den besten der Reihe, aber auch nicht zu den schwächsten.