Ich. Darf. Nicht. Schlafen. [2014]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. September 2015
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Before I Go to Sleep
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA / Frankreich / Schweden
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Rowan Joffe
Musik: Ed Shearmur
Darsteller: Nicole Kidman, Colin Firth, Mark Strong, Ben Crompton, Anne-Marie Duff, Dean-Charles Chapman, Adam Levy, Gabriel Strong, Flynn MacArthur


Kurzinhalt:

Als Christine (Nicole Kidman) am Morgen aufwacht, weiß sie nicht, dass der Mann neben ihr ihr Ehemann Ben ist (Colin Firth), oder dass sie inzwischen 40 Jahre alt ist. Sie glaubt, sie wäre Mitte 20. Seit einem beinahe tödlichen Angriff kann Christine keine neuen Erinnerungen speichern. Ihr Gehirn löscht über Nacht alles, was sie erlebt hat. So kann sie sich auch nicht erinnern, woher ihre Verletzung im Gesicht kommt. Nach einem Anruf von Dr. Nasch (Mark Strong), ein Spezialist, auf dessen Anraten hin sie ein Videotagebuch begonnen hat, beginnt Christine Stück für Stück zusammenzusetzen, was geschehen ist. Und je mehr sie erfährt, umso weniger weiß sie, wem sie trauen kann ...


Kritik:
Das kammerspielartige Thrillerdrama Ich. Darf. Nicht. Schlafen. beschränkt sich auf gerade einmal sieben Sprechrollen, von denen nur drei Figuren mehr als zehn Sätze sagen dürfen. Das ist kein Kritikpunkt, wohl aber, was sie sagen. Die ruhige Erzählung wird ab der Hälfte immer wieder durch Ausbrüche von Gewalt gegenüber Frauen unterbrochen, die zwar verstörend wirken, aber nicht zum Rest der Geschichte passen. Die ist wohl auch auf Grund der Romanvorlage nur eine Kopie eines viel besseren Films.

Wenn man Filmfans fragt, wie der Thriller heißt, bei dem die Hauptfigur keine neuen Erinnerungen speichern kann und sich mit Fotos jeden Morgen daran erinnern muss, was er eigentlich tun will, wer auf seiner Seite ist und wer nicht, dann wird man zurecht den Titel Memento [2000] genannt bekommen. Christopher Nolans cleverer und grandios umgesetzter Thriller zeichnet sich nicht nur durch die einfallsreiche Grundidee aus, sondern auch durch die puzzlestückartige Erzählung, bei der das entscheidende Teil erst am Ende an seinen Platz fällt und ein neues Licht auf die Geschichte wirft. In Ich. Darf. Nicht. Schlafen. kann Hauptfigur Christine nach einem brutalen Angriff, der sie fast das Leben kostet, ebenfalls keine neuen Erinnerungen machen. Sobald sie am Morgen aufwacht, ist alles weg, was sie am Tag zuvor erlebt hat und sie glaubt, sie wäre wieder Mitte 20. Regisseur Rowan Joffe versucht ebenfalls, den Film nicht linear zu erzählen und springt nach der Eröffnungssequenz zwei Wochen zurück, um im Lauf des Films dort wieder anzukommen.

Doch so nett die Idee klingen mag, die Umsetzung ist derart langatmig und abstrus, dass der tatsächliche Thrill nur aufgesetzt wirkt. Jeden Morgen erklärt Christines Mann Ben ihr, dass sie verheiratet sind. Sie erinnert sich mit Post-Its und Fotoalben an ein Leben, das sie wohl gelebt hat, auch wenn sie es selbst nicht weiß. Seltsamerweise versucht Christine nie, ihre Eltern, Schulfreunde oder sonst jemanden zu kontaktieren, während sie den ganzen Tag zuhause auf Ben wartet. Oder so lange wie möglich wach zu bleiben, um alles zu tun, damit die Erinnerungen sie nicht verlassen. Der deutsche Filmtitel wird hier nie wirklich umgesetzt. Dafür erhält Christine jeden Morgen einen Anruf von Dr. Nasch, der sie daran erinnert, dass sie bei ihm in Behandlung ist. Er will ihr helfen, sich zu erinnern und hat sie angehalten, ihre Erlebnisse des Tages mit einer Videokamera festzuhalten, deren Aufzeichnungen sie sich am nächsten Morgen ansieht.

Man stelle sich einmal vor, man wäre selbst an Christines Stelle: Wenn man sich an nichts erinnern kann, einem das eigene Leben nach dem Aufwachen fremd vorkommt, woher würde man wissen, wem man trauen kann? Würde man Fotos vertrauen? Würde man den eigenen Aussagen in dem Video, das tags zuvor aufgenommen wurde, vertrauen? Nicole Kidman, die als einzige Beteiligte nicht vollkommen unmotiviert erscheint, ringt der Figur ein Mindestmaß an Überzeugung ab. Das heißt aber auch, dass sie die meiste Zeit in Ich. Darf. Nicht. Schlafen. verunsichert und schwach erscheint. Sie ist stets defensiv und hat mit der Person, die man in Rückblicken später sieht, kaum etwas gemein.
Nur wenn sie sich an nichts erinnern kann, wieso hat sie nach dem Aufwachen nicht dieselbe Persönlichkeit wie mit Mitte 20? Wieso wirkt sie nie skeptisch oder ungläubig angesichts der Aussagen ihres Ehemannes?

Am Ende geht es verständlicherweise darum herauszufinden, wer Christine vor Jahren so schwer verletzte, dass sie seither an einer Amnesie leidet und wer als Zuseher angesichts von nur drei Hauptfiguren nicht erkannt hat, dass Christine sicher von einer Seite belogen wird, dem ist nicht zu helfen. Die Auflösung ist dabei ebenso absehbar wie unspektakulär und überrascht einzig durch die gezeigte Gewalt, die ganz ohne Frage eine höhere FSK-Freigabe erfordert hätte.
Der Rest des Films beschränkt sich auf viele ruhige Bilder und eine säuselnde Musik, bei denen der deutsche Filmtitel geradezu zu einer Herausforderung für das Publikum wird.


Fazit:
Neben Nicole Kidman sind Colin Firth und Mark Strong wohl am ehesten der Grund, weswegen Interessenten zu Ich. Darf. Nicht. Schlafen. greifen würden. Firth, das muss man bedauerlicherweise feststellen, wirkte selten so lustlos wie hier. Mark Strong versucht mit einem Mindesteinsatz zu überzeugen, seine eingefahrene Mimik verdeutlicht jedoch, dass auch er gedanklich anderweitig beschäftigt war.
Handwerklich bemüht sich Regisseur Rowan Joffe zwar um interessante Perspektiven, doch die Szenen sind so lang(sam), die Erschreckmomente mit lauter Musik oder Geräuschen, die aus dem Nichts kommen so offensichtlich und abgedroschen, dass die klischeehafte, lähmend dargebrachte Story, bei der sich die Figuren nie natürlich verhalten, kaum mehr ins Gewicht fällt. Dass diese Produktion in die Kinos kam, ist einzig den drei Hauptakteuren zu verdanken. Ohne sie wäre es ein Film, wie er für gewöhnlich direkt fürs Fernsehen produziert, tief im Nachtprogramm versteckt wird. Dort gehört er auch hin – und besser ist's, man geht stattdessen wirklich schlafen.