Hexen hexen [2020]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Oktober 2020
Genre: Fantasy / Komödie

Originaltitel: The Witches
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: Mexiko / USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Robert Zemeckis
Musik: Alan Silvestri
Besetzung: Anne Hathaway, Octavia Spencer, Jahzir Kadeem Bruno, Stanley Tucci, Chris Rock, Kristin Chenoweth, Codie-Lei Eastick, Charles Edwards, Morgana Robinson


Kurzinhalt:

In den späten 1960er-Jahren kommt der junge Charlie (Jahzir Kadeem Bruno) auf tragische Weise zu seiner Großmutter (Octavia Spencer) nach Alabama. Gerade, als er die Freude am Leben wiedergefunden hat, trifft er beim Einkaufen eine geheimnisvolle Frau. Seine Großmutter erzählt ihm, dass es sich dabei um eine Hexe gehandelt haben muss, denn die gibt es wirklich. Hexen verfügen über magische Fähigkeiten, sie haben Klauen statt Finger und keine Zehen. Außerdem haben sie keine Haare und tragen Perücken. Und sie hassen Kinder, mehr als alles andere. Darum flieht seine Großmutter mit Charlie in ein entferntes Hotel. Doch genau dort halten die Hexen einen Kongress ab, angeführt von der Großmeisterhexe (Anne Hathaway). Sie hat einen Trank dabei, mit dem Menschen in Mäuse verwandelt werden können und schwört die übrigen Hexen darauf ein, dies mit allen Kindern auf der Welt zu tun. Als Charlie als ungebetener Gast entdeckt wird, wird er selbst in eine Maus verwandelt und fasst zusammen zwei weiteren verwandelten Kindern den Plan, die Hexen aufzuhalten …


Kritik:
Mit Hexen hexen adaptiert Filmemacher Robert Zemeckis das beliebte Kinderbuch von Autor Roald Dahl, das bereits 1990 unter demselben Titel mit der unvergleichlichen Anjelica Huston verfilmt wurde. Die Geschichte ist dieselbe geblieben, laut Regisseur dichter an der Vorlage orientiert, und handelt von einem Jungen, der, in eine Maus verwandelt, den Kampf gegen Hexen aufnimmt. Das klingt für Kinder beinahe zu gruselig, tatsächlich ist es jedoch gerade die Mischung aus Humor und beinahe kindgerechtem Horror, die den Film für ein junges Publikum so spannend macht.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass viele junge Zuschauerinnen und Zuschauer, die die vorige Verfilmung von Hexen hexen im Kindesalter gesehen haben, nachhaltig davon geprägt wurden. Düster angelegt, schürte jener Film nicht nur die Angst der Kinder vor Verlust, sondern konfrontierte sie mit Hexen, die beinahe teuflisch aussahen. Ähnlich wird es wohl auch denjenigen ergehen, die Robert Zemeckis’ Interpretation des Stoffes in jungen Jahren sehen. Zu sehen, wie Kinder in Tiergestalten verwandelt werden, übermächtigen Hexen mit Klauen und Reißzähnen ausgeliefert sind, ist für das junge Publikum sicher beängstigend und wird die Grenze des Unheimlichen für Zartbesaitete sicher in Richtung des Unbehaglichen verschieben. Und doch ist es letztlich genau dies, was den Reiz dieser Verfilmung für diejenigen ausmachen wird, die mit der Geschichte bis dahin nicht vertraut sind.
Sich zu gruseln macht, den einen mehr, den anderen weniger, Spaß. Kombiniert mit körperlichem Humor, der stellenweise merklich übertrieben ist, und einer Inszenierung, die sich eben diesen Humor zunutze macht, ergibt dies eine Mischung, bei der Spaß und Grusel Hand in Hand gehen.

Dabei behält sich auch diese Adaption von Hexen hexen die tragischen Elemente bei: Der junge Charlie kommt als Waise zu seiner Großmutter nach Alabama. Es ist das Jahr 1968 und er versinkt in tiefer Traurigkeit. Seine Großmutter hilft ihm, aus diesem Tal herauszufinden, doch als Charlie in einem Laden von einer seltsamen Frau verführt wird, ein Bonbon anzunehmen, flüchtet sie mit ihm in ein entferntes Hotel. Denn die Großmutter weiß, dass jene Frau eine Hexe war. So erzählt sie Charlie, wie sie selbst als Kind in das Visier von Hexen geriet und Hexen hassen Kinder. In dem Hotel wähnen sie sich in Sicherheit, doch wie Charlie feststellen muss, verbirgt sich hinter der dort tagenden „Internationalen Gesellschaft zur Verhinderung von Kindesmisshandlungen“ ein Hexenkongress, angeführt von der mächtigen Großmeisterhexe. In der Rolle lehrte Anjelica Huston einst das Fürchten, hier schlüpft Anne Hathaway in die Rolle der finsteren Hexe, die mit Perücke sowie edlen Kleidern nach Außen hin eine Eleganz ausstrahlt, während sie tatsächlich eine Gift versprühende Kinderhasserin ist. Der Spagat aus brodelnder Zurückhaltung und vollkommen entfesselt diabolischem Wahnsinn gelingt Hathaway ausgesprochen gut und bis zum Beginn des letzten Akts gehören ihre Momente zu den stärksten des Films. Sie agiert ausladender, als die übrigen Beteiligten, überlebensgroß vereinnahmt die Szenen für sich, als wäre sie eine Cartoonfigur in einem realen Film. Doch dass sie vollkommen überzogen angelegt ist, Gestik und Mimik übertrieben sind, ist kein Kritikpunkt, sondern sorgt in den richtigen Momenten für den erleichternden Horror beim Zielpublikum.

Die Hexe verwandelt Charlie in eine Maus und plant, dasselbe mit allen Kindern zu tun. So liegt es an Charlie, zusammen mit dem ebenfalls verwandelten Jungen Bruno und der Maus Mary, den Plan zu vereiteln und einen Weg zu finden, die Verwandlung umzukehren. Erzählt Zemeckis seine Adaption bis dahin überaus stimmungsvoll, mit interessanten Perspektiven, Überblendungen und augenzwinkerndem Humor, nimmt die Geschichte nach Charlies Verwandlung spürbar Fahrt auf. Im Nu akzeptieren Charlie und Bruno ihr Schicksal und versuchen, eine Lösung zu finden. Sie stellen sich der bösen Hexe, mit Hilfe von Charlies Großmutter und müssen sich in Mäusegestalt in dem Hotel zurechtfinden. Es ist in diesem Abschnitt, in dem der Filmemacher sein visuell virtuoses Können auspackt und eine temporeicher Achterbahnfahrt präsentiert, von der man sich gern mitreißen lässt. Was dabei überrascht ist die Tatsache, dass Hexen hexen trotz der unheimlichen, gruseligen Momente kein dunkler Film ist. Farbenfroh und toll ausgestattet, stellt er an sich das genaue Gegenteil dar.

So viel es hier des Lobes zu berichten gibt, beinahe so groß sind auch die Schatten: Zahlreiche Momente sind im Grunde sehr kitschig und klischeehaft. Die Trickeffekte insgesamt bewegen sich – vom gelungenen Design der Großmeisterhexe abgesehen – auf enttäuschendem Niveau. Stand Filmemacher Robert Zemeckis stets dafür, mit seinen Filmen die Grenze des Machbaren auszuloten, präsentiert er in technischer Hinsicht hier nichts Bemerkenswertes. Dass ausgerechnet der letzte Akt der schwächste ist, mit einem zahmen Finale, und größerem Augenmerk auf Humor statt Grusel, ist bedauerlich. Insbesondere in Anbetracht der packenden (und für die Jüngeren auch beängstigenden) Sequenz mit Charlies Entdeckung des Hexenkongresses, ist das Ende regelrecht enttäuscht. Auch gelingt es dem Regisseur nicht, den Darsteller des jungen Charlie auf die Weise einzubinden, wie die Rolle es an sich erfordern würde, um das Publikum mitzureißen. Er ist die schwächste Figur des Films, ungeachtet des Ausblicks unmittelbar vor und während des Abspanns. So sehr man sich wünschen würde, dass die Macher die grundlegend simple Story ausschmücken, das Universum der Hexen erweitert würden, es wird am Ende nichts daran ändern, dass das Zielpublikum hier toll und temporeich unterhalten wird. Darauf kommt es schließlich an.


Fazit:
Zu argumentieren, dass Regisseur Robert Zemeckis die neue Version eines Films erschaffen hat, der keine neue Version gebraucht hätte, geht am Ziel vorbei. Die Neuauflage von Hexen hexen ist kein Film für diejenigen, die das Original vor 20 oder 30 Jahren in ihrer Kindheit gesehen haben. Es ist ein Film für ein neues Publikum. Eingerahmt von einem Erzähler, dessen ausladende Formulierungen bereits unterstreichen, dass die Geschichte zwar düster, aber nicht ernst ist, zeichnet diese Fassung eine stimmige Atmosphäre aus, zu der auch die verspielte, erstklassige Musik von Alan Silvestri einen entscheidenden Teil beiträgt. Die schöne Aussage zum Schluss mag vor dem Hintergrund untergehen, dass dies vermutlich der unheimlichste Kinderfilm ist, den diese dieses Jahr zu sehen bekommen werden. Für manche mag er zu gruselig sein, doch gerade die tolle Mischung aus Fantasy-Horror und Cartoon-artiger Komödie ist es, die den Spaß beim Zusehen ausmacht. Mit Anne Hathaway und Octavia Spencer toll besetzt, hat der Film durchaus seine Schwächen, aber auch seine Berechtigung. Gerade zu Halloween gibt es keinen Grund, dass nicht erneut eine junge Generation die Geschichte um Kinder hassende Hexen für sich entdecken sollte. Sie werden irgendwann wohlwollend darauf zurückblicken, sich fabelhaft unterhalten fühlen und nicht wissen, ob dies durch die Grusel- oder die witzigen Momente der Fall ist.