Hautnah - Die Methode Hill: "Eine grausame Karriere" [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 05. Juni 2009
Genre: Krimi

Originaltitel: Wire in the Blood: "The Names of Angels"
Laufzeit: 84 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Richard Standeven
Musik: The Insects
Darsteller: Robson Green, Simone Lahbib, Emma Handy, Mark Letheren, Mark Penfold, Thomas Byrne, Jack O'Connell, Daisy Aitkens, Bronwen Davies, Simon Hepworth, Rayisa Kondracki, Michelle Potter


Kurzinhalt:
Vor fünf Jahren wurde die junge Inge Karlson (Rayisa Kondracki) in Dänemark vergewaltigt und ermordet. Nun taucht ihre Kleidung an einer jungen Frau auf, die ebenfalls Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Alex Fielding (Simone Lahbib) steht vor einem Rätsel, insbesondere, als wenig später eine weitere Frau auf dieselbe Weise getötet wird und erneut Kleidungsstücke aus einem älteren Verbrechen an ihr gefunden werden.
Psychologe Tony Hill (Robson Green) vermutet zuerst, der Täter verkehre in denselben Kreisen wie die jungen Geschäftsfrauen. Doch neue Hinweise widerlegen diesen Verdacht. Dann beginnt der Täter, die Hinterbliebenen der Opfer zu benachrichtigen. Während die Ermittlungen stagnieren, beginnt für die Familien eine unvorstellbare Tortur.
Unterdessen erhält Tony Anrufe von dem jungen Jack (Jack O'Connell). Er war vor Jahren in Behandlung bei Dr. Hill, der die Kontaktaufnahme als Hilferuf sieht. Doch die Ermittlungsbehörden vermuten, dass er erneut gewalttätig werden könnte ...


Kritik:
Nicht selten kommt es vor, dass man sich auch als Zuschauer der Krimireihe Hautnah - Die Methode Hill fragt, wie viel der skurrile Psychologe denn selbst von einem solchen Verbrecher in sich trägt. Wer sich so gut in die Psyche von Kriminellen hinein versetzen kann, wer ihre Motivation versteht und ihre Überlegungen nachvollziehen kann, der muss in seinem tiefsten Innern doch zumindest einen Teil einer solchen Persönlichkeit besitzen. Und auch wenn Tonys Profil des Täters erst im Verlauf der Ermittlungen heranreift und er manchmal in eine Sackgasse zu geraten scheint, er liefert Erklärungen für die Handlungen und die Motivation des Täters. Das allerdings, ohne dass Dr. Hill Verständnis für den Täter aufbringen kann.

Für den Zuschauer bildet Tony damit eine Brücke zur Psyche des Verbrechers. Kaum jemand wird sich vorstellen können, was in einer solchen Person vor sich geht. Über die Erklärungen Hills zum Hintergrund des Täters, wird dessen Verhalten für den Zuseher nachvollziehbar, wenngleich nach wie vor nicht verständlich.
Eine grausame Karriere beginnt dabei ungewöhnlicher als man es aus den meisten Fällen gewohnt ist. In Skandinavien wird eine junge Frau vergewaltigt und ermordet. Ihre Kleidung taucht fünf Jahre später bei einem ähnlichen Verbrechen in Bradfield wieder auf. Und während die Ermittler noch im Dunkeln tappen, versuchen Verbindungen herzustellen, geschieht ein weiteres Verbrechen, bei dem erneut Kleidungsstücke eines länger zurückliegenden Mordes verwendet werden. Das Drehbuch versteht es hierbei, den Täter mit den verhöhnenden Benachrichtigungen an die Hinterbliebenen der Opfer gleichermaßen grausam wie überheblich erscheinen zu lassen. Dass man im Laufe der Ermittlungen selbst die Familie des Täters präsentiert bekommt, ohne sein Gesicht zu sehen, lässt den kaltblütigen Psychopathen noch unnahbarer und beängstigender erscheinen.
Doch so gelungen die Geschichte um den lange namenlosen Vergewaltiger und Mörder auch ist, und so vielschichtig der Fall präsentiert wird, die beiden anderen Handlungsstränge geraten darüber beinahe in Vergessenheit. So interessant der Ansatz mit einem alten Patienten Tonys ist, der nach vier Jahren den Psychologen aufsucht, weil er nicht mehr weiter weiß und eine folgenschwere Entscheidung trifft, angesichts der Tatsache, dass man zuvor nie von der Figur gehört hat, lässt einen bei der Nebenhandlung um Jack Norton ungewöhnlich kalt. Ebenso bei Alex Fieldings Gezeter mit ihrem Sohn Ben, auch wenn diese Beziehung wohl in den nächsten Episoden weiter ausgebaut wird. Weswegen sich das ZDF dazu entschied, die zweite Folge der vierten Staffel erst am Ende zu senden und hier einen TV-Krimi zu überspringen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Angesichts der Tatsache, dass die bekannten Figuren stets weiter entwickelt werden, tut eine solche Umsortierung den Charakteren keinen Gefallen.

Während manch ein Regisseur der preisgekrönten Krimireihe eine sehr hektische Note verleiht, scheint Richard Standeven hier darum bemüht, den beunruhigenden Fall auch entsprechend routiniert zu erzählen. Zwar wartet auch er mit vielen Schnitten, grieseligen Bildern und einer Aneinanderreihung der Szenen auf, mit der man so nicht rechnen würde, doch vom fahrigen Stil der letzten Folge ist sein Ansatz glücklicherweise weit entfernt. Die Optik harmoniert zusammen mit dem kargen Wetter und den unterkühlten Farben gut mit der Geschichte selbst und auch die Rückblenden, welche die Gedankengänge Tony Hills verdeutlichen sollen, wirken nicht übertrieben.
Musikalisch untermalen die Produzenten den Krimi mit bekannten Melodien der Reihe, die gleichermaßen passend wie atmosphärisch ausfallen. Wirkliche Highlights gibt es dabei zwar nicht, doch fügt sich die Musik gut zu den Bildern.

Wovon die Krimireihe nach wie vor lebt ist die durchweg gelungene Besetzung. Das schließt einerseits die Hauptdarsteller mit ein, aber ebenso die Nebenfiguren, die gerade bei den Opfern und den Hinterbliebenen erstklassig ausgewählt wurden.
Auch Jack O'Connell hinterlässt als Jack einen ausgezeichneten Eindruck, von den beiden am meisten geforderten Schauspielern Simone Lahbib und Robson Green ganz zu schweigen. Beiden gelingt es dabei in kleinen Momenten wie der Briefübergabe an Tony Hill in den letzten Momenten des TV-Films, ihren Figuren eine emotionale Tiefe zu verleihen, die man kaum vermuten würde. Gerade weil sie sich in ihrem Berufsumfeld mit Situationen befassen müssen, bei denen man eine unterkühlte Distanz entwickelt, um den Alltag bewältigen zu können, sind solche Szenen wichtig. Sonst hätte man als Zuschauer keinen Bezug zu den Figuren und kein Interesse weiter einzuschalten.


Fazit:
Auch wenn die Stadt Bradfield nicht existieren mag, die Verbrechen, die in Hautnah - Die Methode Hill behandelt werden, wirken erschreckend real. Insofern bietet die bodenständig geschriebene Serie einen unverblümten und beängstigenden Blick in die Köpfe von Menschen, die nach außen hin ganz normal erscheinen und doch Grenzen überschreiten, von denen es kein Zurück mehr gibt.
Mit Eine grausame Karriere wagen die Macher zudem den Schritt, eine ebenso glaubhafte und komplex erzählte Geschichte mit einem mutigen Ende zu besiegeln. Das lässt einen als Zuseher zwar noch beunruhigter zurück, doch die Realität gibt dem Drehbuch hier traurigerweise Recht.
Sehr gut gespielt und tadellos gefilmt stören allenfalls die zu wenig ausgearbeiteten Nebenhandlungen, deren Ansätze zwar überzeugen, denen aber schlicht zu wenig Raum beigemessen wird.