Ghost Whisperer: "Die Gabe" [2005]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 06. August 2006
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Ghost Whisperer: "Pilot"
Laufzeit: 42 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: John Gray
Musik: Mark Snow
Darsteller: Jennifer Love Hewitt, Aisha Tyler, David Conrad, Wentworth Miller, Rodney Scott, Balthazar Getty, Grace Fulton, June Squib, Allison McDonell, John Bentley, Jody Hart


Kurzinhalt:
Schon ihre Großmutter (June Squib) konnte die Geister der Verstorbenen sehen, die noch nicht gegangen waren, und schon im Kindesalter wurde Melinda Gordon (Jennifer Love Hewitt) mit jener Gabe konfrontiert. Auch jetzt, da mit ihrer Hochzeit mit dem Sanitäter Jim Clancy (David Conrad) und dem Umzug in ein eigenes Haus ein neuer Lebensabschnitt für Melinda begonnen hat, wird sie immer wieder von den Seelen der Toten aufgesucht, die sie um Hilfe bitten.
So bittet sie der schon vor vielen Jahren verstorbene Sergeant Paul Adams (Wentworth Miller), ihm zu helfen. Als er in Vietnam ums Leben kam war seine Frau schwanger – was Adams nicht weiß: Inzwischen wird sein Sohn in Kürze Vater, und eben jene große Veränderung hat die nicht ruhende Seele des Soldaten wieder zurück in die Welt gebracht. Nur Melinda, die auch auf die Unterstützung ihrer Freundin Andrea (Aisha Tyler) zählen kann, kann Adams helfen ... und ihn erlösen.


Kritik:
Es gelingt Hollywood immer wieder, bei unterschiedlichen Studios zwei sehr ähnlich gelagerte Projekte zu produzieren, deren Erfolg sich meistens dadurch definiert, welches schneller dem Publikum präsentiert wird. So ein Phänomen konnten diejenigen beobachten, die Dante's Peak [1997] und Volcano [1997] im Kino sahen, oder Deep Impact [1998] und Armageddon - Das jüngste Gericht [1998]. Auch bei Fernsehserien gibt es das zu beobachten, siehe Profiler [1996-2000] und Millennium [1996-1999].
Dass Mystery-Serien bei Zuschauern hoch im Kurs stehen, davon konnten sich die Sendeanstalten in den USA überzeugen, als Lost [seit 2004] mit einem durchschlagenden Erfolg startete. Kein Wunder also, dass im darauf folgenden Fernsehjahr noch mehr Grusel-Stories verfilmt werden sollten. Im Falle von Ghost Whisperer konnten die Macher auf die Erlebnisse des angeblichen Mediums James Van Praagh zurückgreifen, der die Serie auch produziert (wohingegen manche Episoden auf den Erfahrungen von Mary Ann Wintkowski, die angeblich in der Lage ist, mit Geistern zu kommunizieren). Die ähnlich gelagerte Serie Medium – Nichts bleibt verborgen [seit 2005] basiert hingegen auf den Büchern und Erzählungen einer anderen übersinnlich begabten Frau. Ob man diese Fähigkeiten nun anzweifelt oder nicht, prinzipiell lässt sich aus diesem Stoff spannende Geschichten schneiden, wie Mystery-Thriller wie The Sixth Sense [1999] eindrucksvoll bewiesen haben. Während sich Medium allerdings auf das Familienleben der Hauptfiguren konzentriert und der Thriller nur eine untergeordnete Rolle spielt, verlagern die Macher von Ghost Whisperer den Schwerpunkt auf das Unheimliche – und das mit wenig Erfolg.

Lässt man einmal die vermeintlich authentischen Hintergründe der Serie außer Acht und sieht Melinda Gordons Erlebnisse als bloße Unterhaltung, muss man sich bereits nach der Hälfte der Episode fragen, weswegen aufgeweckte Zuschauer die schablonenhafte Geschichte bereits durchschaut haben, während die angeblich in diesen Dingen ja bewanderten Hauptfiguren nach wie vor am Anfang des Verständnisses stehen. Der größte Knackpunkt von "Die Gabe" liegt eindeutig an den klischeebeladenen Einstellungen, die absehbaren Überraschungen und die gerade zum Ende hin kitschig umgesetzte Auflösung, die den wenigen atmosphärischen Momenten entgegen steht. Statt die Möglichkeit zu nutzen, dem Zuschauer Angst einzuflößen, ihn mit den Figuren mitzittern zu lassen und tatsächlich eine Bedrohung für Melinda aufzubauen, scheint sie nicht mehr als jemand, der die Toten sehen kann, von ihnen aber letztlich ebenso wenig zu befürchten hat, wie die übrigen Lebenden.
Aufgewogen wird das zwar großteils durch die gelungene Chemie zwischen Melinda und Jim, wirklich neue Ideen sucht man im Pilotfilm allerdings vergebens. Die Dialoge pendeln dabei zwischen belanglos und hölzern, scheinen seltenst überaus natürlich, hinterlassen allerdings nicht den schlechtesten Eindruck.
Abgesehen davon muss man dem von John Gray verfassten Skript hauptsächlich eine zu hohe Einfallslosigkeit vorwerfen, Innovationen sind selten bis überhaupt nicht vorhanden und auch die Charaktere lassen neue Akzente vermissen.

Dass im direkten Vergleich zu Medium zwischen Jennifer Love Hewitt und Patricia Arquette nicht nur zehn Lebensjahre liegen, erkennt man auch, wenn man beide Schauspielerinnen bei der Arbeit beobachtet. Von dem natürlichen Charisma, der lebhaften und lebensnahen Persönlichkeit Arquettes ist bei Hewitt kaum etwas zu sehen. Vielmehr scheint die inzwischen 27jährige, als würde sie Rolle einer medial begabten jungen Frau spielen. So erklärt sich auch, weswegen Melinda mitten in der Nacht mit perfektem Makeup aufwacht, eng und figurbetont gekleidet ins Bett geht und nur zwischen drei verschiedenen Gesichtsausdrücken unterscheiden kann. Deswegen spielt Jennifer Love Hewitt nicht wirklich schlecht, nur erkennt man bei ihr, dass sie die Rolle nur spielt, und nicht wirklich in ihr aufgeht.
Anders David Conrad, der sich wirklich Mühe gibt, nicht als Nebendarsteller auf's Abstellgleis geschoben zu werden; auch Aisha Tyler macht ihre Sache gut, gleichwohl beide schlicht zu wenig zu tun bekommen, um sie wirklich einschätzen zu können.
Gelungen ist sowohl der Kurzauftritt von Rodney Scott, als auch die Darbietung von Balthazar Getty, während Wentworth Miller mit den steifen Dialogen zu kämpfen hat. Man kann nur hoffen, dass sich die Darsteller in den kommenden Folgen akklimatisieren werden, bislang wirkt der Cast bis auf das Zusammenspiel zwischen Hewitt und Conrad nach Schema-F zusammen gestellt, aber nicht harmonisch ausgewählt.

Bekannt ist Regisseur und Serienerfinder John Gray unter anderem durch zahlreiche TV-Produktionen und einige Kinofilme wie Glimmer Man [1996]. Entsprechend skeptisch sollte man auch an die Umsetzung der Serie herangehen.
Es gäbe bei Ghost Whisperer allerdings nichts zu bemängeln, würde Gray nicht eindeutig auf billige Effekthascherei setzen und dabei ebenso wenig neue Impulse in die Umsetzung wie ins Skript fließen lassen. Dies äußert sich im Endeffekt so, dass jeder Erschreck-Moment lange angekündigt ist und auch mit Musik eingeläutet wird. Die einzelnen Szenen verlaufen genau so, wie man dies von einer TV-Serie gewöhnt ist und enden genau dann, wenn man als Zuschauer damit rechnet.
Dass einige Stimmungsmomente dennoch ihren Zweck erfüllen, sei nicht abgestritten, doch sollte man darüber nicht vergessen, wie viel mehr möglich gewesen wäre, wäre der Regisseur zu neuen Ideen bereit gewesen. Die Umsetzung ist routiniert, mehr aber auch nicht – und leidet ganz eindeutig dann unter den Studiosets, wenn durch die Fenster gezeigte Gewitter ebenso künstlich aussehen, wie in Hollywood-Filmen vor 20 Jahren.

Dass es dem versierten und bekannten Komponisten Mark Snow (Millennium, Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002]) gelingen würde, ein besseres Titel-Thema für Ghost Whisperer zu finden, als es Mychael Danna bei Medium gelang, war zu hoffen und auch zu erwarten. Dennoch ist der Vorspann nicht so eindrucksvoll und passend geraten, wie man das erwartet hätte.
Der Pilotfilm selbst wartet allerdings mit einem sehr stimmungsvollen Score auf, der Snows Talente sowohl bei rhythmischen, minimalistischen Themen, als auch bei leisen, atmosphärischen Stücken zu Tage fördert. An der musikalischen Begleitung gibt es nichts zu bemängeln, auch wenn was bislang zu hören war nicht an Snows beste Zeiten heran reicht – besser als seine uninspirierten Beiträge zu Smallville [seit 2001] ist es allerdings auf jeden Fall.

Was nach den nur 45 Minuten des Pilotfilms bleibt ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Die Ausgangslage ist verlockend und würde an sich genug Grundlagen für eine interessante, wenn auch nicht unbedingt neuartige Serie liefern. Auch aus den Figuren ließe sich ein geeignetes Team bilden.
Die Umsetzung spricht bislang allerdings eine andere Sprache: Altbekannte Dialoge, ein eher umstandlich eingebrachter, humoristischer Ansatz und eine sehr effektorientierte Inszenierung erwecken den Eindruck einer Teenie-Serie mit Mystery-Anspruch. Neue Einfälle sind dabei ebenso selten wie wirkliche Überraschungen – manche Konfrontation der Lebenden mit den Toten wirkt mitunter auch schon ein wenig unfreiwillig komisch.


Fazit:
Ob es medial begabte Menschen gibt oder nicht sei nun einfach außer Acht gelassen; spannenden Erzählstoff bietet das Thema zweifellos. Ob es eine geeignete Idee ist, ein solches Thema mit einer Teen-Darstellerin umzusetzen, sei dahingestellt, was Jennifer Love Hewitt allerdings eindeutig fehlt, ist die Ausstrahlung, um eine Serie allein tragen zu können. In den gemeinsamen Szenen mit David Conrad scheint sie zwar aufzugehen, allein wirkt sie der Rolle aber nicht gewachsen.
Dass das Drehbuch von Serienerfinder und Autor John Gray außerdem keine neuen Ansätze bieten kann, erleichtert Ghost Whisperer den Einstand nicht unbedingt. Absehbare Dialoge wechseln sich mit einer nur leidlich spannenden Story und einer routinierten aber wenig mitreißenden Inszenierung ab. Das ganze ist zwar nicht schlecht, aber weit weniger, als möglich wäre – und bislang kein Grund, die Serie auch weiter zu verfolgen.
Angesichts des Serienangebots im TV muss man sich die Frage stellen, ob dies heutzutage noch genügt, um genügend Zuschauer zu motivieren – und ob die Macher schnell genug etwas ändern, um die jetzigen Zuschauer zu halten.