Get on Up [2014]
Wertung: | Kritik von Jens Adrian | Hinzugefügt am 12. September 2014
Genre: Biografie / Musik / DramaOriginaltitel: Get on Up
Laufzeit: 139 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Tate Taylor
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Chadwick Boseman, Nelsan Ellis, Dan Aykroyd, Viola Davis, Lennie James, Fred Melamed, Craig Robinson, Jill Scott, Octavia Spencer, Josh Hopkins, Brandon Smith
Kurzinhalt:
Bereits in jungen Jahren wird James Brown (Chadwick Boseman) zuerst von seiner Mutter Susie (Viola Davis), dann auch von seinem cholerischen Vater Joe (Lennie James) verlassen. Er wächst bei Tante Honey (Octavia Spencer) auf und landet später im Gefängnis. Dort entdeckt ihn Bobby Byrd (Nelsan Ellis), der mit seiner Gruppe aufgetreten war. Er erkennt in Brown das Talent für einen Frontman und wenig später treten sie gemeinsam auf.
Nach ein paar Jahren verleiht James mit seiner Musik einer neuen Stilrichtung entscheidende Impulse und die Alben, die er mit Ben Bart (Dan Aykroyd) produziert, verkaufen sich millionenfach. Doch abseits der Bühne läuft für den kontrollierenden Brown nicht alles, wie er es sich wünschen würde. Mehrere Ehen und Steuerschwierigkeiten gehen nicht spurlos an ihm vorbei und seine schwierige Art macht die Arbeit mit ihm auch für die Musiker zur Geduldsprobe ...
Kritik:
Die Höhen und Tiefen im Leben von James Brown abzudecken wäre bereits für eine Dokumentation eine Mammutaufgabe. Dies in einem Spielfilm unter ein Dach zu packen, ist von Regisseur Tate Taylor durchaus mutig. In Chadwick Boseman hat er seine Idealbesetzung gefunden und ihm dürfte hierfür eine Oscar-Nominierung sicher sein. Was Get on Up allerdings insbesondere im letzten Drittel vermissen lässt, ist wieso James Brown so ist, wie er ist.
Als Biografie deckt der Film eine Zeitspanne von beinahe 70 Jahren ab, doch schildert Taylor den Werdegang des King of Funk nicht in chronologischer Reihenfolge, oder erzählt ihn als Rückblende. Zwar rahmt er Get on Up mit einem von Browns Auftritten ein, doch die Geschichte dazwischen erzählt er außer Reihenfolge, springt zwischen Episoden in James' Kindheit in ärmlichen Verhältnissen, seiner Aufnahme in der Familie von Bobby Byrd, der ihn Jahrzehnte lang begleitete, und seinen Erfolgen ab den 1950er-Jahren hin und her. Umso schwerer ist es, die Figur tatsächlich zu fassen zu bekommen.
Wir sehen einen James Brown, der von sich selbst in der dritten Person spricht, als habe er bereits erkannt, dass sein Einfluss weit über seine Lebenszeit hinaus spürbar sein wird. Während das Plattenlabel ihn als Star entdeckt hat, gerät die Band, mit der er seit Jahren spielt, zunehmend in den Hintergrund. Und spätestens nach seinem ersten großen Erfolg ist kaum etwas von dem einstigen Kleinkriminellen, der im Gefängnis saß, mehr übrig geblieben. So ansteckend wie seine Musik wird auch Brown als Person beschrieben, dem es gelingt, eingefahrene Systeme zu durchbrechen und den amerikanischen Traum bis hin zum Multimillionär zu erleben.
Und doch konzentriert sich Get on Up mehr auf die Musik und die Erfolge von James Brown, anstatt ein umfassendes Porträt zu bieten. Dass er ganze vier Mal verheiratet war, verschweigen die Macher ebenso wie Drogen oder den illegalen Waffenbesitz, der ihn sogar ins Gefängnis brachte. Dass er von seinen inneren Dämonen verfolgt wird, erfährt man nur in zwei Momenten. Im ersten schlägt er seine damalige Frau, wobei die Tat abseits der Kamera stattfindet, als wollte Tate Taylor die Figur nicht in einem schlechten Licht darstellen. Im zweiten Moment stellt sein jahrelanger Freund Bobby Byrd fest, dass James immer allein gewesen sei, nachdem dieser meinte, er brauche niemanden für seinen Erfolg. Es ist, als würde Brown die Bedeutung dieser Worte dann zum ersten Mal verinnerlichen – und gleich wieder verdrängen.
Bis auf die Szenen seiner Kindheit schlüpft Chadwick Boseman auch in den unterschiedlichen Altersstufen in die Rolle des begnadeten Musikers und haucht ihm auf eine mitreißende Art und Weise Leben ein. Es ist eine elektrisierende Darbietung und einer der berührendsten Momente ist derjenige mit ihm und Browns Mutter Susie, gespielt von Viola Davis. Die übrigen Darsteller, darunter Nelsan Ellis oder Dan Aykroyd, stehen dem in nichts nach, ebenso Jamarion und Jordan Scott, die Brown als Kind verkörpern.
Neben der fantastischen Besetzung lebt Get on Up ebenso von der grandiosen Musik, die mehr als nur die größten Hits des Ausnahmemusikers abdeckt. Wer dieser Art Musik zugetan ist und dieses Jahr nur eine CD kaufen möchte, sollte zum Soundtrack greifen. Eine erlesenere Auswahl kann man sich kaum wünschen.
Doch je mehr Zeit der Film mit den Auftritten von James Brown verbringt, umso mehr wird deutlich, dass man über den Menschen hinter der Ikone nicht viel erfährt. Von der Polizei nach einer wilden Verfolgungsjagd gestellt, suggeriert Taylor, dass Brown immer noch das Kind ist, das er einst war, doch weshalb dem so ist, arbeitet er nicht heraus.
Fazit:
Auch wenn es aus künstlerischer Sicht interessant geklungen haben mag, dass sich James Brown im Lauf des Films immer wieder direkt an das Publikum richtet, die Momente zerstören das Gefühl, sich mit den Figuren in jener Zeit zu befinden und degradieren den Zuschauer zum Teil eines Publikums. Zwar reißt die Lebensgeschichte des "Godfather of Soul" trotz der nicht stimmigen Erzählreihenfolge mit, doch liegt das zum großen Teil an dem überragenden Ensemble, allen voran Chadwick Boseman, und dem brillanten Soundtrack.
Get on Up wirft nur selten einen Blick auf die Schattenseiten eines der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts und sieht man beispielsweise Browns Kindheitserinnerung an ein entwürdigendes Spektakel, bei dem reiche Weiße zusehen, wie sich farbige Kinder mit verbundenen Augen prügeln, dann wird deutlich, dass dieser Aspekt – wie er in einer Industrie, die damals von Weißen dominiert wurde, seinen eigenen Weg gegangen ist – so gut wie ausgeklammert wurde. Vermutlich ist das Leben und Schaffen von James Brown schlicht zu komplex, um es in einem knapp zwei Stunden dauernden Film unterzubringen.