Fringe: Grenzfälle des FBI – Staffel 1 [2008 / 2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. November 2020
Genre: Science Fiction / Action / Thriller

Originaltitel: Fringe: Season 1
Laufzeit: 1040 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008 / 2009
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Alex Graves, Paul Edwards, Frederick E. O. Toye, Christopher Misiano, Bill Eagles, Brad Anderson, Gwyneth Horder-Payton, Michael Zinberg, John Polson, Norberto Barba, Akiva Goldsman, Bobby Roth
Musik: Michael Giacchino, J.J. Abrams (Thema)
Besetzung: Anna Torv, Joshua Jackson, John Noble, Lance Reddick, Kirk Acevedo, Jasika Nicole, Blair Brown, Mark Valley, Jared Harris, Michael Cerveris, Ari Graynor, Lily Pilblad, Chance Kelly, Michael Gaston


Kurzinhalt:

Nachdem FBI-Agentin Olivia Dunham (Anna Torv) den Einsatzleiter Broyles (Lance Reddick) bei der Aufklärung der Geschehnisse um Flug 627, bei dem keiner der Passagiere bei der Landung noch am Leben war, beeindruckte, wird sie von ihm für die sogenannte „Fringe“-Abteilung angeworben, die sich mit Fällen beschäftigt, für die es auf den ersten Blick keine rationale Erklärung gibt. Sie bringt als Berater den in Ungnade gefallenen, brillanten Wissenschaftler Dr. Walter Bishop (John Noble) an Bord, der nach einem Zwischenfall in seinem Labor seit Jahren in einer Nervenheilanstalt sitzt. Als seinen gesetzlichen Vormund drängt Dunham Bishops Sohn Peter (Joshua Jackson) zur Zusammenarbeit. Gemeinsam mit dem Agenten Charlie Francis (Kirk Acevedo) stellen sie sich Fällen, die die Grenze der Realität zu brechen scheinen. Dabei müssen sie feststellen, dass viele Vorkommnisse mit Walters früheren Forschungen zusammenhängen – und dass es eine Gruppe gibt, die bewusst mit Menschen experimentiert, um sich auf eine verheißene Konfrontation vorzubereiten …


Kritik:
Die Handschrift von Produzent und Miterfinder J.J. Abrams ist bereits im Pilotfilm der Mystery-Serie Fringe: Grenzfälle des FBI offenkundig: Spürbar temporeich erzählt, präsentieren die Macher eine Geschichte, die hinsichtlich der Komplexität und der Figuren mühelos auf der großen Leinwand Platz finden würde. Die Ideen dahinter sind nicht wirklich neu, Vieles davon hat man so oder ähnlich in den Serien gesehen, die offenbar Pate standen. Doch die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt werden, gepaart mit einigen fabelhaften Figuren, verleiht Fringe einen derart frischen Touch, dass es Spaß macht, zuzusehen. Zumindest, sofern man sich mit dem Genre an sich anfreunden und sich von der Erzählung mitreißen lassen kann.

Die dreht sich um eine Abteilung des FBI, der „Fringe“-Division, die, wie der Untertitel der Serie bereits verrät, Grenzfälle untersucht, die sich nicht dem Gewöhnlichen, sondern dem Paranormalen zuordnen lassen. Angeführt von dem charismatischen wie schweigsamen Phillip Broyles, wird die Agentin Olivia Dunham hinzugezogen, die wiederum auf die Hilfe des brillanten Wissenschaftlers Dr. Walter Bishop setzt. Da dieser jedoch in einer Nervenheilanstalt untergebracht ist und nur mit einem gesetzlichen Vormund entlassen werden darf, muss Walters Sohn Peter Teil des Teams werden. Sie sehen sich mit rätselhaften Fällen konfrontiert, beispielsweise wenn ein Flugzeug landet, dessen Passagiere sich gewissermaßen aufgelöst haben, oder wenn sie sich der Leiche eines alten Mannes gegenüber sehen, der kurz zuvor als Baby das Licht der Welt erblickte. Das Mysteriöse und Unglaubliche ist fester Bestandteil von Fringe. Insoweit erinnert die Serie oftmals an Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [seit 1993-2002], ohne dass es hier jedoch einen Skeptiker in den Reihen der Protagonisten gäbe. Auch wird früh deutlich, dass die seltsamen Ereignisse eine Verbindung zueinander aufweisen – „Das Schema“. Viel mehr sei an dieser Stelle über den Geheimbund jedoch nicht verraten nicht verraten.

Dieser Storykniff ermöglicht es den Machern, einzelne Geschichten zu erzählen, mit denen sich Gelegenheitszuseherinnen und -zuseher unterhalten lassen können, während ein großer inhaltlicher Bogen all dies zusammenhält und für ein interessiertes Publikum eine weitere Ebene bietet. Es ist gewissermaßen eine Mischung aus den „Monster der Woche“-Episoden von Akte X und der durchgängigen Erzählung von Abrams’ Lost [2004-2010] oder Alias – Die Agentin [2001-2006], bei denen die eng verwobene, durchgängige Erzählung viele Interessierte auf die Dauer abschreckte. In einer Zeit vor dem stets verfügbaren Streaming-Angebot, war es eben entsprechend schwierig, jede einzelne Episode in dem Moment zu verfolgen, wenn sie im (linearen) Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Dass es zusätzlich Verknüpfungen zwischen dem „Schema“ und Walters Arbeit gibt, erhöht den Druck auf die Figuren, zumal sich Walter nach Jahren in der Nervenheilanstalt an Vieles aus der Zeit davor nicht mehr erinnern kann. Die Charaktere sind es letztlich, die Fringe auszeichnen. Hauptfigur Olivia Dunham, gespielt von Anna Torv, wird gleich zu Beginn der Serie von einem ihr nahestehenden Menschen betrogen und ist fortan darum bemüht, Wiedergutmachung zu leisten für dessen Verfehlungen, die sie in Unkenntnis nicht aufgehalten hat. In der Rolle des Peter Bishop balanciert Joshua Jackson zwischen charmantem Zyniker und einem hochbegabten Mann, der sich in der Vergangenheit regelmäßig mit den falschen Leuten angelegt hat. Es ist verwunderlich, dass diese Seite stets nur angedeutet, aber kaum erkundet wird. Anders hingegen bei Walter Bishop, gespielt von dem fantastischen John Noble: Er schwankt zwischen den größenwahnsinnigen Allüren eines verrückten Wissenschaftlers, der stellenweise beinahe eine kindlich naive Euphorie für seine Arbeit zeigt, und eines zutiefst gebrochenen Mannes, der an den Lücken seiner Erinnerung und der Schuld, die er auf sich geladen hat, beinahe zu zerbrechen droht. Seine regelmäßig äußerst makabren Dialoge helfen zudem, die Figur als das eigentliche Highlight der Serie herauszuarbeiten. Das schauspielerische Können in Episoden wie „Der andere Weg“, verschlägt einem buchstäblich den Atem. Bis in die wiederkehrenden Nebenrollen mit Mark Valley oder Michael Gaston erstklassig besetzt, verleihen die Figuren der Serie einen wichtigen Ankerpunkt, anstatt durch die oftmals fantastischen Stories jeglichen reellen Bezug zu verlieren.

Dass die meist abstrus klingenden Vorkommnisse mit (pseudo-)wissenschaftlichen Erklärungen versehen werden, wird Mystery-Fans nicht stören, es ist jedoch die dahinterliegende Science Fiction-Mythologie, die das Publikum langfristig bindet. Die Andeutungen eines Geheimbundes, der sich auf einen Konflikt vorbereitet und die Welt gewissermaßen als Labor für wissenschaftliche Experimente nutzt, werden über die Episoden hinweg mit zahlreichen Hinweisen weit genug verstreut, dass regelmäßige Zuschauerinnen und Zuschauer den Überblick behalten, sich aber die Serie nicht ausschließlich darum dreht. Zwar halten die Macher lange Zeit mit Antworten auf die drängendsten Fragen zurück, es soll jedoch genügen zu sagen, dass sie schlussendlich Antworten liefern, die nur noch mehr Möglichkeiten offen lassen. Die letzte Einstellung des Staffelfinales nach nur 20 Episoden jedenfalls, hat mit einem ebenso unerwarteten wie kontroversen Bild nicht nur in den USA für Schlagzeilen und ein flaues Gefühl gesorgt. Es unterstreicht dabei, wie gelungen die Macher vertraut klingende Konzepte aufgreifen, um ihnen einen eigenen Touch zu verleihen.

Das versuchen die Macher um Produzent J.J. Abrams offenbar auch im handwerklichen Sinn. Herausgekommen sind zuallermeist tadellos inszenierte Mystery-Folgen, die stellenweise hektisch geschnitten sind, bei denen allerdings vor allem die für Abrams damals typischen Lichtblitze und Flares am Bildrand auffallen – und das nicht im positiven Sinn. Was laut den Machern suggerieren soll, dass abseits des Bildausschnittes interessante Dinge geschehen, sorgt oftmals für eine unnötige Störung oder Ablenkung, die stilistisch nicht zum Rest der Serie passen mag. Dass manche Episoden spürbar darunter leiden, während dieses Stilmittel in anderen gar nicht eingesetzt wird, unterstreicht den Eindruck, dass sich die Macher wohl selbst nicht sicher waren, welchen Weg sie gehen wollen.

Das kann man von der inhaltlichen Ausrichtung der Serie nicht behaupten: Bereits von den ersten Episoden an wird nicht nur die Mythologie der gesamten Staffel aufgebaut, sondern auch der Grundstein für die Verzahnung der einzelnen Charaktere darin gelegt. Dass die Macher entscheidende Figuren wie den von Jared Harris charismatisch verkörperten Schurken David Robert Jones über mehrere Folgen aufbauen, unterstreicht dies zudem.
Die erste Staffel von Fringe: Grenzfälle des FBI überzeugt mit Ideen, die dank der sicheren und in den Details so überraschenden Präsentation trotz bekannter Themen frisch und unverbraucht wirken. Dass die Macher mit dem Finale der Season ein Kapitel schließen, sich aber gleichzeitig die Möglichkeit offenhalten, daraus eine viel größere Geschichte zu erzählen, ist dem Talent der Beteiligten zu verdanken. Es weckt in jedem Fall eines, das Interesse daran, wie es weitergeht.


Fazit:
Man könnte vorschnell urteilen und behaupten, die Beteiligten hinter der Kamera würden zahlreiche Fantasy- und Mystery-Stories recyceln, die Serien wie Akte X populär gemacht haben. Doch während es hier durchaus zahlreiche Überschneidungen gibt, halten die Serienerschaffer J.J. Abrams, Alex Kurtzman und Roberto Orci nicht nur innerhalb der einzelnen Geschichten zahlreiche Überraschungen bereit. Was auf den ersten Blick wie kleine Abwandlungen erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Vorbereitung, die jeweiligen Episoden in die gesamte Mythologie der Serie einzupflegen. Das heißt nicht, dass die einzelnen Folgen rundum gut gelungen sind. Handwerklich in jedem Fall, aber durchaus klischeehaft oder in der groben Struktur absehbar. Doch sie sind letztlich eben nur das: Teile eines Puzzles, dessen Umrisse sich im Lauf der 20 Episoden erst ergeben und das am Ende ein stimmiges Gesamtbild darstellt. Staffel 1 von Fringe: Grenzfälle des FBI gelingt dadurch der Spagat, eine zusammenhängende Hintergrundgeschichte durch Fälle zu erzählen, die man für sich ansehen kann, ohne das Gefühl zu bekommen, Entscheidendes zu verpassen, wenn man die vorherigen nicht gesehen hat. Die stimmige Besetzung wird ausgezeichnet durch Anna Torv, der eine greifbare Gratwanderung gelingt, und vor allem durch John Noble, dessen Wandlungsreichtum die Serie spürbar veredelt. Diese Figuren sind es, denen man in diese teils abstrus klingenden Abenteuer bereitwillig folgt, und denen man auch weiter folgen möchte. Das Staffelfinale verheißt hier Viel und dies einzulösen wird im zweiten Jahr nicht einfacher werden. Temporeich und spannend, ist Fringe mehr als nur ein Akte X für das neue Jahrtausend – es zeigt, dass es auch in diesem so weit erkundeten Genre noch Möglichkeiten gibt, Geschichten frisch und packend zu erzählen. Klasse!