Erschütternde Wahrheit [2015]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. Mai 2017
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: Concussion
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: Großbritannien / Australien / USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Peter Landesman
Musik: James Newton Howard
Darsteller: Will Smith, Alec Baldwin, Albert Brooks, Gugu Mbatha-Raw, David Morse, Arliss Howard, Mike O'Malley, Eddie Marsan, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Stephen Moyer, Luke Wilson, Sara Lindsey


Kurzinhalt:

Als im Jahr 2002 der ehemalige und beliebte Football-Spieler der Pittsburgh Steelers, Mike Webster (David Morse), mit nur 50 Jahren auf dem Obduktionstisch von Dr. Bennet Omalu (Will Smith) liegt, kann dieser sich nicht erklären, wie ein einst so gesunder Sportler so früh sterben konnte. Entgegen eindringlicher Bitten seiner Kollegen, die die Legende nicht beschädigt sehen möchten, ordnet Omalu weitreichende Tests an und stößt auf Veränderungen des Gehirns, die er sich nicht erklären kann. Als ein weiterer ehemaliger Football-Spieler nach Persönlichkeitsveränderungen stirbt, zeichnet sich für Omalu ein Muster ab, das auch sein Vorgesetzter Dr. Cyril Wecht (Albert Brooks) erkennt. Der ehemalige Mannschaftsarzt der Steelers, Dr. Julian Bailes (Alec Baldwin), kontaktiert Omalu, nachdem dieser mit Kollegen einen Artikel über eine Erkrankung auf Grund der beim Footballspielen erlittenen Kopfprellungen veröffentlicht. Seiner Aussage nach wusste die National Football League NFL bereits von den Auswirkungen und ist darum bemüht, Omalu zum Schweigen zu bringen ...


Kritik:
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Erschütternde Wahrheit, die der Arzt Dr. Bennet Omalu im gleichnamigen Film ans Tageslicht bringt. So wenig es überrascht zu erfahren, dass die wiederholten Schläge auf den Kopf beim American Football bleibende Schäden hinterlassen, so zermürbend ist für ihn der Kampf um Anerkennung seiner Forschungsergebnisse durch die National Football League. Dem beizuwohnen ist zwar in gewissem Sinne inspirierend und inhaltlich tragisch, aber nur selten wirklich mitreißend. Vor allem, weil das Drama sich nicht entscheidet, was es an sich porträtieren möchte.

Zwar steht der in Nigeria geborene und aufgewachsene Bennet Omalu im Mittelpunkt des Films, doch über seinen genauen Werdegang verrät Filmemacher Peter Landesman, der auch das Skript verfasste, nur wenig. Bei seinem ersten Auftritt sagt er als Gutachter und Gerichtsmediziner auf der Zeugenbank aus und unterstreicht, indem er seine vielen Abschlüsse zitiert, dass er sein Fach beherrscht. Doch was diesen Menschen dazu bewogen hat, Medizin zu studieren, mit welchen Widrigkeiten er kämpfen musste, um in den USA arbeiten und lernen zu dürfen, darüber verliert Erschütternde Wahrheit kein einziges Wort. Was für ein Mensch Dr. Bennet Omalu ist, bleibt im Unklaren, abgesehen von seiner bedingungslosen Genauigkeit und seinem Respekt den Toten gegenüber. Aus dem Grund entwickelt auch die Beziehung, die er mit Prema Mutiso beginnt, die aus Kenia kommend bei ihm wohnt, keine wirkliche Zugkraft. Über sie verrät das Skript ebenfalls schlicht zu wenig.

Stattdessen zeigt das Drama auf, wie sich der einstige Pittsburgh-Football-Star Mike Webster (der immer großartige David Morse in einer fordernden Rolle) radikal verändert, ehe er mit gerade einmal 50 Jahren, hoch verschuldet und allen, die ihn kannten entfremdet, verstirbt. Er ist Ausgangspunkt einer Untersuchung, die Omalu zu der Annahme bringt, dass die wiederholten Schläge auf den Kopf der Football-Spieler nicht ohne gesundheitliche Konsequenzen bleiben. Als weitere ehemalige Spieler nach und nach sterben oder sich das Leben nehmen, ist für Omalu und andere Mediziner klar, was die Ursachen sind. Im Jahr 2005 veröffentlichen sie einen Artikel in einer medizinischen Fachzeitschrift, der die NFL, die National Football League, auf den Plan ruft. Sie sieht durch die Forschungsergebnisse ihren Profit und den Sport im Allgemeinen in Gefahr und setzt Omalu zunehmend unter Druck.

Der Kampf David gegen Goliath ist dabei grundsätzlich ein gelungener Ankerpunkt für ein solches Drama, doch er kommt innerhalb der Story schlicht zu spät. Ursache hierfür ist, dass Erschütternde Wahrheit eine bedeutend größere Zeitspanne abdeckt, als es der Film offensichtlich erkennen lässt. Beginnend im Jahr 2002 scheint es, als würde sich ein Großteil der Geschichte in einer kurzen Zeit abspielen. Doch dann scheint das Haus, das er zusammen mit Prema baut, urplötzlich fertig und nach einem Heiratsantrag ist sie wenig später bereits schwanger. Wie viel Zeit vergeht, darüber verliert Filmemacher Landesman kein Wort, sondern springt am Ende lediglich drei Jahre vor.
Dies soll vermutlich den Erzählfluss zusammenhalten und die Spannung erhöhen, doch es macht vielmehr den Eindruck, als würden sich Medien und NFL blind gegenüber einer Handvoll Todesfälle innerhalb kürzester Zeit stellen. Auch wird so nicht deutlich, wie lange Omalu die wiederholten Einschüchterungsversuche und verbale Angriffe auf seine Person nach Veröffentlichung der Ergebnisse seiner Forschung ertragen hat.

Es ist bedauerlich, dass sich die größte Leistung von Hauptdarsteller Will Smith in der synchronisierten deutschen Fassung nicht wiederfindet. Verkörpert er Dr. Bennet Omalu im Original mit einem hörbaren Akzent, der auf die afrikanische Herkunft des renommierten Arztes zurückzuführen ist und die durch die Art der Formulierung und Betonung noch unterstrichen wird, fällt der Akzent im deutschen schlicht weg. Was bleibt ist eine Betonung des Synchronsprechers, die teilweise darauf schließen lässt, aber nie die Authentizität von Smiths eindrucksvoller Darbietung erlangt. Für die Darsteller ist Erschütternde Wahrheit ein Kraftakt, insbesondere von Smith und Morse. Doch auch Albert Brooks und Gugu Mbatha-Raw sind gefordert, während man für Alec Baldwin immer auf einen besonderen Moment wartet, der jedoch nicht kommt.


Fazit:
Die Spielszenen des American Football, die Filmemacher Peter Landesman immer wieder einstreut, verdeutlichen die Kraft und Gewalt, die auf die Körper der Spieler einwirkt. Ob man gleichzeitig die Anmut und Eleganz, die die Filmfiguren immer wieder darin sehen, erkennen kann, muss jeder für sich entscheiden. Dr. Bennet Omalus Entdeckung sollte dem Publikum an sich die Augen öffnen, doch so tragisch es klingt, dafür ist sie nicht überraschend genug. Sein Kampf gegen die NFL sollte inspirieren und die Methoden, die diese mächtige Organisation einsetzt, um ihn zu diskreditieren, erschrecken, doch um wirklich zu verstehen, was dies mit ihm anstellt, erfährt man zu wenig über die Person Omalu im Vorfeld. Erschütternde Wahrheit ist ein überaus sehenswert gespieltes Drama um eine Nebenwirkung dieses Sports, um die man wissen sollte und auch, wie die NFL mit der Gesundheit ihrer Spieler umgeht. Aber so interessant das alles ist, es wird nach exakt demselben Schema präsentiert, wie diese Filme in den meisten Fällen zusammengestellt sind und es nimmt trotz allem nicht in dem Maße mit, wie man es erwartet – oder wie es für eine packende Tatsachenschilderung sein sollte.