Eine ganz heiße Nummer [2011]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 04. Juli 2013
Genre: Unterhaltung / Komödie

Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Markus Goller
Musik: Peter Horn, Andrej Melita, Martin Probst
Darsteller: Bettina Mittendorfer, Gisela Schneeberger, Rosalie Thomass, Monika Gruber, Sigi Zimmerschied, Hans Schuler, Cleo Kretschmer, Ferry Oellinger, Alicia von Rittberg, Andreas Lust, Felix Hellmann


Kurzinhalt:
Nicht erst, nachdem die Glashütte in Marienzell durch die Wirtschaftskrise geschlossen werden musste, ist bei Maria Brandners (Bettina Mittendorfer) und Waltraud Wackernagels (Gisela Schneeberger) Laden Flaute. Die Lebensmittel in den Regalen laufen reihenweise ab und die Kundschaft kauft lieber im Discounter. Wie sie es dennoch schaffen, die Angestellte Lena (Rosalie Thomass) zu bezahlen, grenzt an ein Wunder. Da erreicht sie der Brief der Bank, dass diese den Kredit in vier Wochen vollständig zurückfordert.
Ratlos und mit dem sicheren Ruin konfrontiert, kommt Maria die rettende Idee: Sie möchte mit einer Telefonsexhotline zumindest genügend Geld zusammen bekommen, um den Kredit abzubezahlen. Selbst Waltraud und Lena kann sie hiervon überzeugen und wenig später verteilen sie Flugblätter im Dorf mit den Ruf-Namen Maja, Sarah und Lolita. Während sich der erzkonservative Dorfkern schon über das Flugblatt entrüstet, angeführt von der Frau des Bürgermeisters, Gerti Oberbauer (Monika Gruber), floriert Marias Geschäftsidee. Sie selbst knüpft dabei Kontakt mit Thomas (Andreas Lust), der ebenso unglücklich mit seiner Situation ist, wie sie. Doch früher oder später droht ihre Unternehmung aufzufliegen und dann erwartet sie mehr als nur der Bankrott ...


Kritik:
Was tun, wenn das Geld zum Leben nicht reicht? Autorin Andrea Sixt schrieb hierzu bereits 1998 den gleichnamigen Bestseller, der in Zeiten der Finanzkrise an Aktualität nur dazu gewonnen hat. Eine ganz heiße Nummer erzählt von drei Frauen unterschiedlichen Alters, die gemeinsam einen kleinen Laden betreiben. Da die Kundschaft ausbleibt, greifen sie zu drastischen Maßnahmen und gründen eine Telefonsexhotline. Als würde dies nicht schon in jedem Dorf für genügend Zündstoff sorgen, ist die Geschichte im tiefsten Bayerischen Wald angesiedelt, wo nicht nur jeder jeden kennt, sondern man sich auch der Tatsache bewusst ist, dass "der Herrgott alles sieht". Nur bei den Fehltritten der Geistlichen drückt er ein Auge zu.

Als die Bank den Kredit auf einmal zurückfordert und der Tante-Emma-Laden vor dem Aus steht, kommt Maria die rettende Idee. Ihre Kolleginnen Waltraud und Lena sind anfangs nicht davon überzeugt, ins Telefon zu stöhnen, um fremde Männer zu befriedigen, doch in der Not ... Wie prekär die Situation in Marienzell ist, erfahren die drei Frauen am eigenen Leib. Maria lebt allein, nachdem ihr Mann sie verlassen hat, wohingegen Waltraud in einer Ehe lebt, in der sich beide kaum mehr etwas zu sagen haben. Und die junge Lena erscheint wie ein verruchtes Flittchen, ist im Herzen aber nicht nur einsam, sondern sogar die buchstäbliche Unschuld vom Lande. Die Glashütte wurde geschlossen, es gibt kaum Arbeit und die wenigen, die noch Geld haben, wie die betont katholische Frau des Bürgermeisters, Gerti Oberbauer – herrlich bösartig gespielt von Monika Gruber –, gehen lieber im Nachbarort in den Discounter, anstatt Marias Laden zu unterstützen.

Wovon Eine ganz heiße Nummer erzählt sind Schicksale, wie es sie nicht nur deutschlandweit allerorts gibt. Dass sie in Bayern von vielen nicht vermutet werden, besagt nur, wie erfolgreich selbst in den Großstädten die Sozialwohnungen an den Rand gedrängt wurden, damit die Bevölkerung sie ausblendet. Dass die Situation auf dem Land mindestens ebenso schlimm sein muss, vergisst man hierbei. Zwar zeigt Markus Goller nicht, wohin der Weg in die Armut tatsächlich führen kann, aber er verdeutlicht, wozu die Menschen in der Lage sind, wenn sie schlicht keine Alternative mehr besitzen.
So betreiben Maria, Waltraud und Lena Recherchen in einem Erotik-Shop in Nürnberg und bringen allerlei Material mit zurück, ehe sie Flugblätter verteilen und mit dem Allerbesten aus der Heimat für Maja, Sarah und Lolita werben. Kaum ist die Telefonanlage in Betrieb, klingeln schon die ersten Kunden durch.

Woraus die Komödie ihren Charme bezieht, ist nicht überraschend. Im vordergründig katholisch-braven Bayerischen Wald eine Sexhotline einzurichten, sorgt einerseits bei der "Einarbeitung" der drei Damen für allerlei witzige Momente. Den Kulturschock zu beobachten, wenn die Unternehmung auffliegt, ist aber mindestens ebenso unterhaltsam.
Dass das Drehbuch dennoch die Zeit findet, auf die Figuren einzugehen, veredelt das Sittenlehrstück. Maria hat neben ihrem Laden auch die Sorge für ihren kranken Vater, wohingegen Waltraud mit ihrer Ehe zu kämpfen hat, in der sich beide auseinandergelebt haben. Lena wird indes vom scheinheiligen Pfarrer Gandl immer wieder zur Beichte aufgefordert, während er selbst nicht nur die gelegentliche Spende aus dem Klingelbeutel in die eigene Tasche wirtschaftet. Hier findet die von Rosalie Thomass treffend gespielte Lena schließlich auch den Mut, dem Pfaffen eine unbequeme Wahrheit ins Gesicht zu sagen, selbst wenn dieser sie nicht hören will.

Sieht man am Schluss die Stimmung im Dorf gegen die drei Damen kippen, die letztendlich nur darum bemüht waren, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist dies hoffentlich übertrieben – aber angesichts der öffentlichen Meinungsmache in den Boulevardblättern leider nicht unwahrscheinlich. Dabei gleitet Eine ganz heiße Nummer nie ab, um mit vorgehaltenem Zeigefinger die Moralkeule zu schwingen, sondern wirft die der bigotten Gesellschaft vielmehr zurück. Von Bettina Mittendorfer und Gisela Schneeberger vielschichtig und mit unübertrefflichem Lokalkolorit gespielt, ist das durchweg unterhaltsam und bisweilen zum herzhaft Lachen.


Fazit:
Die Punkte, die Maria als Rechtfertigung anbringt, sind nicht neu. Doch wer sollte sich mehr schämen, die Frauen, welche die Telefonsexhotline betreiben, oder die Männer, die dort anrufen? Die Frage, die Markus Goller aber nicht stellt ist, wieso sollte sich überhaupt jemand schämen? Wer definiert, was ein gesellschaftliches Tabu ist, und wer gibt derjenigen Person das Recht dazu? Solange niemand zu Schaden kommt und sowohl die drei Damen, wie auch die Anrufer aus freien Stücken handeln, ist doch keinem von ihnen etwas vorzuwerfen. Am wenigsten von einer so fadenscheinig gläubigen Gesellschaft, in der man sich um seinen Nächsten gar nicht kümmert, wenn es der Pfarrer oder der "liebe Gott" nicht sieht.
Dass Eine ganz heiße Nummer gerade als bayerische Produktion hier klare Worte findet, ist überraschend und lobenswert. Doch dass die Geschichte selbst nach einem absehbaren Schema abläuft, empfiehlt die ansonsten toll umgesetzte Unterhaltungskomödie nicht zum öfter ansehen. Dafür überzeugt die erstklassige und gut gelaunte Besetzung, die von vier Damen souverän angeführt, von allen anderen im Bild aber ebenso gelungen ergänzt wird.