Aladdin [2019]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. Mai 2019
Genre: Fantasy / Komödie / Musical

Originaltitel: Aladdin
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Guy Ritchie
Musik: Alan Menken
Darsteller: Will Smith, Mena Massoud, Naomi Scott, Marwan Kenzari, Alan Tudyk, Billy Magnussen, Nasim Pedrad, Navid Negahban, Numan Acar


Kurzinhalt:

Der gute Sultan (Navid Negahban) herrscht über die Stadt Agrabah im Orient. Seine Tochter Jasmin (Naomi Scott) fühlt sich berufen, selbst für das Volk als Herrscherin da zu sein, doch traditionell soll sie einen Prinzen heiraten, der ihrem Vater als Oberhaupt nachfolgen wird. Des Sultans Großwesir, Dschafar (Marwan Kenzari), ist darum bemüht, seine eigene Macht zu vergrößern. Deshalb ist er auf der Suche nach einer magischen Lampe, die in einer Wunderhöhle schlummert. In dem Straßenjungen Aladdin (Mena Massoud), der sich in Prinzessin Jasmin verliebt hat, glaubt Dschafar, den „ungeschliffenen Diamanten“ gefunden zu haben, den die Höhle als würdig erachtet. Doch als Aladdins kleptomanischer Affe Abu die Regeln der Höhle missachtet, werden sie mit einem fliegenden Teppich darin eingeschlossen. Als Aladdin die Lampe in Augenschein nimmt, beschwört er dadurch den mächtigen Dschinni (Will Smith). Der würde ihm drei Wünsche erfüllen, die es Aladdin ermöglichen, Jasmins Herz zu gewinnen – doch Dschafar durchschaut den „Prinzen Ali“ und wittert die Gelegenheit, sich endlich selbst der Lampe zu bemächtigen …


Kritik:
Mehr als ein Vierteljahrhundert, nachdem der Zeichentrickschmiede Disney mit Aladdin [1992] ein zauberhaftes Abenteuer gelungen ist, bei dem das Publikum vor Lachen kaum an sich halten konnte, versucht das Studio mit Regisseur Guy Ritchie, diesen Erfolg als Realfilm zu reproduzieren. Dabei haken sie alle Punkte ab, die man dem Original entnehmen kann. Vom magisch-orientalischen Setting in 1001er Nacht, den fantastisch farbenfrohen Kostümen bis hin zu eingängigen Songs und liebenswerten Nebenfiguren. Statt ein eigenständiges Märchen gelingt ihnen lediglich ein Film, der nichts besser macht als die Vorlage und nicht einmal öfter als nicht dasselbe Niveau erreicht.

Die Vorstellung des von Will Smith verkörperten, allmächtigen Flaschengeists Dschinni mit dem Song „Nur’n kleiner Freundschaftsdienst“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Smith wiederholt dabei viele der Dialogzeilen, mit denen einst Robin Williams den Charakter vorstellte, und es sind auch ähnliche Bilder zu sehen. Aber während Williams der Figur nicht nur Leben einhauchte, sondern ihr eine Gutmütigkeit und Warmherzigkeit verlieh, kombiniert mit einer kindlichen Verspieltheit, die nicht mit Naivität zu verwechseln ist, während er diesen Charakter in den ersten Momenten bereits perfekt umschrieb, erinnern Smiths Kommentare lediglich an diese bereits bekannte Figur. Es fehlen Schattierung, Tiefe und, ja, Herz in den computergenerierten Gesichtszügen. Im Vorfeld wurde viel über das Design des Dschinni diskutiert – man muss aber festhalten, dass er nicht schlecht aussieht. Er ist so gut, wie ein computergenerierter, blauer Dschinni in einer Welt aus 1001er Nacht aussehen kann. Und auch Will Smith kann man keinen Vorwurf machen, er zeichnet den Charakter merklich durch seinen Wortwitz aus. Aber das ändert nichts daran, dass die Sequenz allein, so kunterbunt und laut sie ist, nicht einmal halb so witzig gerät wie in der Vorlage.

Gut eine halbe Stunde länger als der Animationsfilm, erweitert Filmemacher Guy Ritchie die Story zum Beispiel um eine Einleitung (von Will Smith) und eine Tanznummer zum Schluss. Nennenswert ist auch eine zusätzliche Actionsequenz vor dem Finale, bei der die Figuren buchstäblich nur eine Runde drehen, die sie keinen Schritt weiterbringt, ehe die Geschichte genau so fortgesetzt wird, wie in der Vorlage. Insofern ist Aladdin zwar länger, aber eine vielschichtigere Erfahrung ist der Film nicht. Das liegt weniger daran, dass Musical-Einlagen wie Aladdins Vorstellung „Schnell weg!“ mit Zeitlupen und beschleunigten Bildern versehen sind, während die Musik und der Gesang normal weiterlaufen. Das ist lediglich befremdlich.
Vielmehr wird die Geschichte für das, was sie sein soll, viel zu ernst erzählt. Die witzigen Dialoge außen vor, arbeitet der Großwesir des Sultans auf einen Krieg hin, die Königin wurde ermordet – das ist alles eher deprimierend, als herzerwärmend. Zumal Dschafar als Figur, vor allem für den Erfahrungsschatz, über den er verfügen soll, merklich zu jung erscheint. Aber es sind die Kleinigkeiten, die Ritchies Interpretation fehlen: Der fliegende Teppich ist eine tolle Figur und auch Aladdins Affe Abu ist mit dabei, aber obwohl sie beide eine Persönlichkeit besitzen, streicht der Film die Kabbeleien zwischen den beiden. Dschafars Gehilfe, Papagei Jago, ist weder als Figur gefordert, noch amüsant bösartig.

Dafür gelingt den Machern ausgerechnet mit der Figur, die in der Vorlage eher enttäuschte, hier eine wahre Überraschung: Aladdins Jasmin, die Tochter des Sultans, zählt zusammen mit ihrer Zofe Dalia zu den Highlights des Films. Jasmin selbst erhält dabei zwei neue Songs (im Original „Speechless“), die an sich nur einer sind, der an zwei Stellen im Film eingestreut wird. Der ist inhaltlich wirklich gut, selbst wenn von der Art der Instrumentierung und der energischen Vortragsweise her die Parallelen zu „Lass jetzt los“ aus Die Eiskönigin - Völlig unverfroren [2013] nicht zu leugnen sind. Aber während sonst die Geschichte durch die Songs erzählt wird, wiederholt ihr Song an beiden Stellen nur, was ohnehin im Dialog ausgedrückt bereits bekannt ist. Die Lieder sind in der Geschichte damit vollkommen überflüssig.
Das ist insofern bedauerlich, da Naomi Scott als Jasmin eine Traumbesetzung ist. Sie strahlt von innen heraus auf fantastisch spürbare Art die Anmut und Güte einer designierten und nahbaren Herrscherin aus. Ihre Leidenschaft und ihr Humor treffen diese Disney-Prinzessin ins Schwarze. Dagegen erscheint Aladdin-Darsteller Mena Massoud recht farblos, was nicht bedeutet, dass es eine schlechte Darbietung wäre. Gegen die perfekte Darstellung von Jasmin verblasst er schlichtweg.

Dass in der Originalfassung nur die wenigen Hauptfiguren akzentfrei Englisch sprechen, während die Nebenfiguren dies nicht tun, wirkt im ersten Moment seltsam, doch man gewöhnt sich daran. Die Neuinterpretation des Duetts „Ein Traum wird wahr“, während des nächtlichen Ausflugs mit dem fliegenden Teppich, ist gut gelungen und ab dem Moment, da der vom Dschinni erschaffene Prinz Ali in Agrabah einzieht, gewinnen die Figuren merklich an Profil und auch der Humor legt zu. Vollkommen überzeugen kann die Stadt selbst zwar nicht, so dass immer das Gefühl bleibt, man befände sich in einem Studio, aber es reicht, um das Publikum in Aladdin zumindest in Märchenstimmung zu versetzen. Von den Erinnerungen an die Vorlage kann sich der Realfilm jedoch nie lösen – diejenigen, die das Original nicht kennen, werden hier deshalb wohl besser unterhalten.


Fazit:
Zwar bemüht sich Filmemacher Guy Ritchie merklich, seinen ganz eigenen Stil zurückzuhalten, ganz gelingt ihm das jedoch nicht. Doch das ist nicht der Grund, weshalb Aladdin in keiner Weise ein besserer oder auch nur so guter Film ist, wie das Animationsabenteuer, auf dem er basiert. Zwar ist diese Interpretation stellenweise durchaus amüsant, aber selten – abgesehen von Abschnitt des Einzugs des scheinbaren Prinzen in die Stadt, bis zum nächtlichen Ausflug mit Jasmin auf dem fliegenden Teppich – zum herzhaft Lachen. Sie ist nie ärgerlich oder langweilig, aber auch nie packend. Dafür fehlt der Geschichte die verspielte Leichtigkeit des Originals. Wer den zeitlosen Animationsklassiker nicht kennt, dem mag das hier gezeigte frisch und vielleicht sogar frech erscheinen. Dabei ist es offensichtlich durchkalkuliert und lässt doch viel vom eigentlichen Spaß vermissen. Es genügt eben nicht, allein die Zutaten, die ein Filmerlebnis ausgezeichnet haben, erneut zusammen zu tragen. Beim 1992er-Aladdin trug die liebevolle Umsetzung selbst zu dessen Charme bei. Das Fehlen desselben belegt, dass sich diese Magie nicht einmal vom Dschinni reproduzieren lässt, nachdem man an der Lampe gerieben hat.