Bring Her Back [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 1. Juli 2025
Genre: Horror / Fantasy
Originaltitel: Bring Her Back
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: Australien
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren
Regie: Danny Philippou, Michael Philippou
Musik: Cornel Wilczek
Besetzung: Billy Barratt, Sora Wong, Sally Hawkins, Jonah Wren Phillips, Sally-Anne Upton, Stephen Phillips, Mischa Heywood
Kurzinhalt:
Auch wenn Andy (Billy Barratt) in wenigen Monaten volljährig wird, noch kann er das Sorgerecht für seine jüngere Halbschwester Piper (Sora Wong) nicht übernehmen, weshalb die Waisen beide in die Obhut von Laura (Sally Hawkins) kommen. Lauras verstorbene Tochter hatte wie Piper eine Seheinschränkung. Piper und Andy sind nicht die einzigen Kinder in Lauras Obhut, auch der stumme Oliver (Jonah Wren Phillips) wohnt in dem Haus. Oliver spricht nicht, aus freien Stücken, wie Laura sagt. Doch den dünnen Jungen umgibt wie Laura eine Atmosphäre, die Andy ein ungutes Gefühl verleiht. Piper findet hingegen schnell einen Zugang zu Laura, aber als sie zusammen in die Stadt fahren und Andy mit Oliver allein im Haus zurückbleibt, überschlagen sich die Ereignisse. Es ist nur der Beginn eines immer schlimmer werdenden Alptraums für Andy und Piper …
Kritik:
Nach ihrem so beunruhigenden wie effektiven Spielfilmregiedebüt Talk to Me [2022] bleiben die Regisseure Danny und Michael Philippou mit Bring Her Back nicht nur dem Genre treu, sondern beweisen in jeder Hinsicht ein noch größeres Maß an handwerklicher Finesse. Zusammen mit erstklassigen Darbietungen, von denen wenigstens eine preiswürdig ist, wäre das an sich durchweg ein überlegener Film, würde die Story nicht einige Klischees zu viel mitnehmen, so dass die zunehmend schlimmer werdenden Ereignisse weniger packen, als erwartet.
Im Zentrum der Erzählung stehen der 17jährige Andy und seine jüngere Halbschwester Piper, die nach einem für beide traumatisierenden Ereignis in die Obhut einer Pflegemutter kommen. Laura hat noch einen weiteren Pflegesohn, Oliver, der ihrer Aussage nach stumm ist. Tatsächlich spricht Oliver nicht, ist abgemagert und strahlt etwas aus, das Andy sofort beunruhigt. Laura hatte eine Tochter, Cathy, die wie Piper ein stark eingeschränktes Sehvermögen hatte, doch Cathy ist vor einiger Zeit gestorben. Piper kann hell und dunkel unterscheiden sowie grobe Formen erkennen, aber gerade in der fremden Umgebung ist Andys Hilfe unverzichtbar. Bereits kurz nach der Ankunft hat Andy ein ungutes Gefühl und wäre er schon volljährig, würde er sich allein um Piper kümmern. So sind sie der gesamten Situation in gewisser Hinsicht ausgeliefert und ahnen gar nicht, in welcher Gefahr sie schweben.
Das Publikum kann sich dies zumindest grob vorstellen in Anbetracht der verstörenden Bilder einer brutalen Zeremonie, die zu Beginn zu sehen sind. Dass Laura etwas Beunruhigendes umgibt, ahnt man bereits früh, wenn sie die Kinder in unangenehme Situationen bringt, die nur schwieriger werden. Dabei hält Bring Her Back nicht lange damit zurück, dass sie etwas im Schilde führt und wohl die Person ist, vor der sich Andy und Piper in Acht nehmen sollten. Sei es, wenn sie mit Oliver nachts in der Scheune hinterm Haus verschwindet, oder ihn regelmäßig in einem Zimmer einsperrt. Auch, dass sich die Tür zu Andys Zimmer nicht schließen lässt oder Pipers Zimmer über gar keine Tür verfügt, sind solche Indizien. Bis sich Lauras Absicht herauskristallisiert, dauert es jedoch, was nicht bedeutet, dass die Geschichte mit einnehmenden Momenten zurückhält. Dabei sind es die Figuren, derentwegen man dem gespannt beiwohnt.
Als Geschwister verstehen sich Andy und Piper ausgesprochen gut. Andy sorgt sich sichtbar um seine jüngere Schwester, klappt für sie die Sonnenblende hoch, dass sie sich an dem Spiel aus Formen sowie hell und dunkel während der Fahrt erfreuen kann, oder schwindelt, wenn er ihr sagt, dass die Mädchen, mit denen sie sich unterhalten hat, sie mochten, selbst wenn sie sich in Wirklichkeit über Piper lustig gemacht haben. Auch versucht er, sie vor bestimmten Erfahrungen zu schützen, vor Bildern, die er nicht mehr aus seinem Kopf bekommt. Piper auf der anderen Seite baut auf ihren großen Bruder und man kann sich gar nicht vorstellen, dass es Laura gelingen sollte, einen Keil zwischen sie zu treiben. Doch zu sehen, wie sie die beiden manipuliert, ist so erschreckend wie beklemmend. Wie auch das übersinnliche Element, welches das Drehbuch immer stärker ins Zentrum rückt. Es sich laut vorzustellen, mag absurd klingen, doch Danny und Michael Philippou setzen dies auch dank einer hervorragenden Maskenarbeit so greifbar in Szene, dass es buchstäblich beängstigend erscheint, bis hin zu Momenten in der zweiten Hälfte und insbesondere dem letzten Filmdrittel, bei denen man einen starken Magen braucht.
Doch so gelungen all dies umgesetzt ist, man kann kaum übersehen, dass viele Szenen nach absehbaren Mustern verlaufen, obwohl eine Entscheidung der Verantwortlichen durchaus überrascht. Zudem fühlt sich der Film länger an, als er ist, wobei trotzdem Details ebenso unausgesprochen bleiben, wie das letztliche Ende mehrdeutig. Beispielsweise könnte man vermuten, dass auch Andys Kreatinpulver manipuliert wird, doch wirklich erkennbar ist dies nicht. Dafür konzentrieren sich die Regisseure darauf, ihre Figuren zu vertiefen, die allesamt in ihrer Trauer vereint sind, aber unterschiedlich damit umgehen. Diese emotionale Komponente ist in Horrorfilmen nicht neu, aber in anderen behutsamer verwoben. Bring Her Back setzt bewusst auf diesen Aspekt, als wollte das Drehbuch damit seine Vielschichtigkeit unter Beweis stellen. Das wäre dabei aber gar nicht notwendig.
Allein schon, da die Besetzung dem mühelos gewachsen ist. Der eigentliche Star ist dabei Sally Hawkins, deren Repertoire Filme wie Paddington [2014], Happy-Go-Lucky [2008] oder Shape of Water: Das Flüstern des Wassers [2017] umfasst. So teuflisch ihre Darbietung zu Beginn erscheinen mag, sie verkörpert Laura schließlich als eine Person, deren Verlust sie in die blanke Verzweiflung getrieben hat. Sie ist Täterin und Opfer zugleich. Nicht weniger unter die Haut gehen die Momente mit Jonah Wren Phillips als Oliver, aber auch Billy Barratt und Sora Wong als Andy bzw. Piper machen ihre Sache erstklassig. Sie alle sorgen dafür, dass man auch abseits des körperbetonten Horrors stets die Charaktere erkennt, und sie entschädigen dafür, dass sich die Erzählung ein wenig zu viel Zeit für ihre Geschichte nimmt. Denn als einfallsreicher und optisch überragender Horrorfilm ist Bring Her Back das Beste, was es seit langem zu sehen gab.
Fazit:
Ohne große Erklärungen definiert das Drehbuch die Figuren durch ihre ersten Auftritte. Sei es Piper, die sich Freundinnen wünscht, jemand anders als ihren Bruder, der sie akzeptiert, oder Andy, der sich eben um sie kümmert. In der ersten Minute, die Laura die Leinwand betritt, stellt sie ihren toten Hund vor, der als Präparat in ihrem Wohnzimmer steht. Dennoch, so aufgesetzt ihr freundliches Auftreten sein mag, wenn sie von ihrer Tochter erzählt, spürt man, dass ihre Trauer echt ist. Die Filmemacher Danny und Michael Philippou erzählen eine Geschichte voller tragischer Charaktere mit einer starken Besetzung, aus der Sally Hawkins facettenreich ergreifende Darbietung alles überragt. Auch wenn die Story einigen Klischees erliegt, kann man sich lange kaum vorstellen, wohin das führen soll. Nichtsdestotrotz ist dies packend, auch weil es hier wieder eine Szene, ein Kind betreffend, gibt, die durch Mark und Bein geht. In mehreren Situation erwartet das Publikum ein körperlicher Horror, bei dem es einem allein beim Gedanken daran eiskalt den Rücken hinunterläuft. So braucht man für das letzte Drittel, das schnell spürbar brutal wird, einen starken Magen. Mit einer erstklassigen Optik, deren Bilder wohl ausgesucht sind und dem Publikum nur so viel zeigen, wie es sehen soll, erzählt Bring Her Back eine Geschichte über Trauer und Verlust. Doch die Gewichtung aus unheimlicher Stimmung und zum Ende hin starkem Horror wird es schwer haben, ein breites Publikum anzusprechen. Für Genrefans ist das dennoch eine eindeutige Empfehlung.