Želary [2003]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. Februar 2005
Genre: Drama / Liebesfilm

Originaltitel: Želary
Laufzeit: 133 min.
Produktionsland: Tschechische Republik / Slowakei / Österreich
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: nicht bekannt (vermutlich ab 16 Jahren)

Regie: Ondřej Trojan
Musik: Petr Ostrouchov
Darsteller: Ana Geislerová, György Cserhalmi, Jaroslava Adamová, Miroslav Donutil, Jaroslav Dušek, Iva Bittová, Ivan Trojan, Jan Hrušínský, Anicka Vertelárová, Tomáš Žatečka


Kurzinhalt:
Nachdem die Nazis die Universitäten in der Tschechoslowakei geschlossen haben, musste Eliska (Ana Geislerová) ihr Medizinstudium unterbrechen und arbeitet nun als Krankenschwester. Als eines Abends der schwer verletzte Joza (György Cserhalmi) ins Krankenhaus gebracht wird und er von Eliska eine Blutspende erhält, ahnt sie nicht, dass auch er ihr Leben wird retten müssen.
Denn zusammen mit dem Chirurgen Richard (Ivan Trojan) gehört sie der Widerstandsbewegung an, ehe die Nazis ihnen auf die Schliche kommen. Richard flieht ins Ausland, Eliska jedoch soll mit dem langsam genesenden Joza in dessen Heimatdorf gehen, in der Hoffnung, dass sie dort unentdeckt bleibt. Doch in Želary, so der Name der Bergsiedlung, könnten die Bewohner misstrauisch werden, und so muss Eliska – unter dem Namen Hana – mit Joza eine Scheinehe eingehen.
Allerdings dauert Hanas Aufenthalt länger als geplant, und während sie und Joza sich näher kommen, machen weder die Nazi-Soldaten, noch die Rote Armee vor der Idylle Halt. Als wäre das nicht schlimm genug, gibt es auch in der abgeschiedenen Gemeinschaft Konflikte, die immer weiter auf eine Katastrophe zusteuern.


Kritik:
Dass die Großzahl der Filmproduktionen aus der hollywood'schen Traumfabrik stammen, ist bekannt. Dass darüber hinaus aber jedes Jahr unzählige ausländische Produktionen das Licht der Welt erblicken, sieht man schon daran, dass auch Hollywood deren Leistung anerkennt und alljährlich einen Oscar für den besten ausländischen Film vergibt. Im Jahr 2004 war dabei unter anderem die tschechische Produktion Želary, die die begehrte Trophäe zwar nicht einheimsen, aber immerhin Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte und in den USA sogar in einigen ausgesuchten Kinos lief (wobei man es bei nur 20 Kinos auf 300.000 Dollar Einspielergebnis brachte) – auch in Österreich war der Film wohl zu sehen, in die deutschen Kinos kam er jedoch nie, auch ist er hierzulande nur über Umwege auf Video oder DVD erhältlich. Interessenten müssen sich also entweder mit der Novelle von Jozova Hanule begnügen, auf welcher der Film basiert, oder aber die Free-TV-Premiere entdeckt haben, die auf dem Spartenkanal 3sat vor zwei Jahren ausgestrahlt wurde. Auf den tschechischen DVD-Importen ist übrigens die im Österreichischen Tonstudio entstandene deutsche Tonspur enthalten – und dabei ist die Synchronisation nicht einmal schlecht.

Doch auch wenn Želary ein wirklich gelungener Film ist, das einzige Manko ist leider beim Skript zu suchen, das womöglich die Stimmung der Romanvorlage gekonnt einfängt, und auch das persönliche Drama der Hauptfigur Hana in den Vordergrund stellt, dabei aber leider jegliches Gespür für Dramaturgie oder Spannung vermissen lässt.
So entpuppt sich die Geschichte um die sich auf der Flucht befindende Eliska / Hana grundsätzlich als ein vollkommen anderer Ansatz, als man das zunächst erwarten würde. Statt das Schicksal der jungen Frau vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges zu zeigen, oder aber klar zu machen, dass die Nazis auch vor der Bergidylle nicht Halt machen, spielt der Einfluss der Nazi-Schergen nur am Rande eine Rolle. Stattdessen legen die Autoren Petr Jarchovský und Kvety Legátové bedeutend mehr Wert darauf zu zeigen, wie Hana sich in der Abgeschiedenheit zurecht finden muss, wie sie ihr ruhigeres, weniger hektisches Leben aber nichts desto weniger ausfüllt und sie mit einem anfangs vollkommen fremden Mann dennoch glücklich wird. Die Subtilität, mit der die Autoren die Beziehung zwischen Hana und Joza dabei vorantreiben ist bemerkenswert und mit vielen kleinen Andeutungen, Gesten und Blicken gespickt, denen man als Zuschauer aufmerksam folgen muss, um die überaus glaubwürdige Liebesgeschichte nicht zu verpassen. Zudem veranschaulicht das Drehbuch gekonnt, dass auch in dem einsamen Bergdorf der perfekt scheinende Mikrokosmos mit zahlreichen Problemen im Innern zu kämpfen hat. Dass im Endeffekt die Truppen der Siegermächte schlimmer zu Werke gehen, als diejenigen der Nazis, zeigt das Dilemma auf, in dem die Länder an den Fronten sich am Ende des Krieges befanden. Mit vielen Nebencharakteren, guten Momenten der realistischen und facettenreichen Figuren weicht das Skript zwar mitunter vom Kurs ab, porträtiert aber doch die neue Welt, in der sich Hana zurechtfinden muss ausgesprochen gut.
Und doch fehlt dem Drehbuch ein durchgängiger Aufbau, eine Dramaturgie, die sowohl auf die über zwei Stunden ausgelegt ist, als auch auf die jeweiligen Szenen. Selbst wenn die Hauptfigur allein im Wald auf die Truppen der Nazis trifft, wird man als Zuschauer nicht mitgerissen. Die Gefahr wird erst spürbar, wenn der Kampf der Dorfbewohner gegen die unerwarteten Gegner beginnt. Hier hätte ein strukturierter Aufbau Želary weitaus mehr Unterhaltungswert verleihen können, als der Film letztendlich besitzt.

An den Darstellern gibt es dagegen nichts zu bemängeln, ganz im Gegenteil. Ana Geislerová verleiht ihrer für die damalige Zeit sehr modernen Figur sowohl in den ruhigen Szenen zu Beginn, als auch in der Abgeschiedenheit von Želary die notwendige Glaubwürdigkeit. Ihre Verwandlung und ihr wachsendes Vertrauen in Joza kommen sehr gut zur Geltung, wobei sie mit György Cserhalmi ausgesprochen gut harmoniert. Er gehört dabei auch zu den besten Akteuren im Film, verblüfft sowohl mit seiner rauen Erscheinung und seinem weitaus aktiveren Auftreten in seiner Heimat als Gegensatz zu seiner verletzlichen Unsicherheit zu Beginn.
Doch auch die übrige Besetzung kann sich sehen lassen, seien es nun die undurchsichtigen Figuren von Miroslav Donutil als Priester, oder Jaroslav Dušek als Lehrer – eine Überraschung sind jedoch auch die Kinddarsteller Anicka Vertelárová und Tomáš Žatečka, die sich als Helenka und Lipka sehr gut ergänzen und mit einem natürlichen Spiel überzeugen.
Die etwas stoffelig wirkende Jaroslava Adamová passt als Gegenpol zu Hana ausgezeichnet und zu sehen, wie sie die Außenseiterin langsam bei sich aufnimmt, sie unterweist und ihre Erfahrungen mitgibt, ist ein faszinierender Anblick.
Auch die Nebenrollen und die Soldatenfiguren sind sehr gut besetzt, vermitteln allzeit ein realistisches Gefühl und wirken nie überzogen oder aufgesetzt.

Ein Fest für die Sinne ist Želary zudem bereits aus optischer Hinsicht. Kameramann Asen Šopov fängt dabei die kurzen Szenen in Prag zu Beginn ebenso gekonnt ein wie die weite Berglandschaft mit ihren satten Farben, die sich gemäßg dem Wechsel der Zeiten ständig ändern und doch gerade aus unserer hektischen Zeit heraus so ungewohnt friedlich wirken. Wie die Farbauswahl sich später ändert, wenn diese Idylle zerstört wird, sich kalte und schmutzige Farben abwechseln, ist den Machern ausgezeichnet gelungen.
Neben ungewöhnlichen Perspektiven, langen Einstellungen und einer beständigen Übersicht verwöhnt die Inszenierung mit malerischen Landschaftsaufnahmen und dank dem bedachten Schnitt von Vladimír Barák einer reifen Szenenaneinanderreihung, die auf kitschige Sequenzen ebenso verzichtet, wie auf eine überflüssige Gewaltdarstellung, gleichwohl einige Aufnahmen nicht zimperlich geraten sind.
Inszenatorisch kann man den Machern nur gratulieren, von den hölzernen, aus westlicher Sicht unbeholfen wirkenden Dialogpassagen oder unkoordiniert zusammengewürfelten Szenen vieler (ost)europäischen oder asiatischen Produktionen fehlt hier jede Spur.

Eine sehr angenehme Überraschung erwartet den Zuseher überdies bei der Musik des Films. Komponist Petr Ostrouchov, der als Gitarrist und Sänger der Gruppe "Sto zvírat" bekannt ist, verblüfft mit einem sehr instrumentalen, epischen und getragenen Score, dessen kraftvolle Themen zwar etwas aufdringlich eingespielt, aber trotzdem sehr schön anzuhören sind.
Die ruhigen Melodien und auch das fröhliche Thema ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film und ermöglichen so schnell einen Wiedererkennungswert. Auch die unheimlichen Szenen, die subtilen Spannungsmomente und das langsame Annähern von Hana und Joza werden gut umgesetzt.
So bekommt Želary eine tragische und doch hoffnungsvolle Musikuntermalung, die erstklassig zu den Bildern passt und den Film merklich veredelt.

Wer das Glück hat, die tschechische DVD zu bekommen, darf sich dank der Synchronregie von Pierre Peters-Arnolds auf eine gelungene Synchronisation freuen, bei der zwar bisweilen die österreichische Herkunft der Sprecher durchblitzt, die aber dennoch inhaltlich und dramaturgisch sehr sauber geraten ist. Dabei sind durchaus bekannte Stimmen zu hören, allen voran Wolfgang Pampel als Joza, wobei Pampel für gewöhnlich sein Talent Harrison Ford leiht. Das Studioambiente kann die deutsche Sprachfassung dennoch nicht verleugnen, dafür erscheinen die Stimmen nicht räumlich genug.
Allerdings erwartet den Zuschauer ein sehr zurückhaltend abgemischter 5.1 Surround-Ton und (für eine nicht international aufgelegte DVD-Veröffentlichung sehr ungewöhnlich) ein recht umfangreiches Bonusmaterial. So gibt es verschiedene Gelöschte Szenen, von denen zwei – diejenige mit der Trauung und Lipkas Sologesang, sowie Hanas erster Besuch im Sägewerk – durchaus mehr Sinn im Film ergeben hätten, ein Making-of, eine Featurette über die Reise der Macher nach Hollywood zur Oscarverleihung und statt eines Booklets liegt der DVD ein Poster zum Film bei.

Dass Želary kein Film für ein breites Publikum ist, erkennt man schon am Thema der Romanumsetzung. Sehenswert ist er schon auf Grund der Darstellerleistungen und der handwerklichen Umsetzung.
Die Story mag nicht jedermanns Geschmack sein und auch orientierungslos erscheinen, hat man sich aber damit abgefunden, dass die Flucht vor den Nazis nur den Prolog darstellt, um dem Zuseher ein viel intimeres Portrait aufzuzeigen, kann man sich ganz auf die Figuren einlassen und wird dahingehend nicht enttäuscht. Zimperlich sollte man dennoch nicht an den Film heran gehen, dafür sind einige Szenen schlicht zu brutal geraten und treffen den Zuschauer dadurch unvermittelt. Wer dem aber gewachsen ist, sollte sich Ondřej Trojans Film nicht entgehen lassen.


Fazit:
Den Oscar konnten die Macher zwar nicht für Želary mit nach Hause nehmen, dafür bekamen sie in ihrer Heimat einige Auszeichnungen und auch beim Internationalen Filmfestival von Bangkok wurde Hauptdarstellerin Ana Geislerová für ihre Leistung prämiert. Ihre Szenen zusammen mit György Cserhalmi gehören dabei zum Höhepunkt des Films und vermitteln schon in wenigen Minuten eine nuancenreiche und vielschichtige Beziehung, derer Entwicklung beizuwohnen wirklich sehenswert ist.
Zwar kann das Drehbuch in Bezug auf Dramaturgie nicht überzeugen und die Charakterstudien (auch bezogen auf das Dorf selbst) als ein vor dem geschichtlichen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs spielendes Drama anzupreisen mag etwas vemessen sein – dafür spielt die Bedrohung durch die Nazis eine zu kleine Rolle – doch dank der wirklich herausragenden Mimen und der exzellenten Optik des Films, die jede Situation gekonnt einfängt und den Zuseher mit kräftigen Naturbildern beeindruckt, hinterlässt Ondřej Trojans Regie einen sehr guten Eindruck.
Allerdings muss man sich als Zuschauer auf ein persönliches, ruhiges und gerade deshalb glaubwürdiges Drama zwischen zwei unterschiedlichen Menschen einlassen wollen, das vor dem von Gegensätzen geprägten, Konflikt geladenen Hintergrund stattfindet – sei es die Schönheit der Natur gegenüber der Hässlichkeit der menschlichen Verbrechen, oder aber die Freundlichkeit der Gemeinschaft im Gegensatz zu dem brutalen Gesetz des Überlebens des Stärkeren.