Source Code [2011]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 20. Mai 2011
Genre: Thriller / Science Fiction / DramaOriginaltitel: Source Code
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Duncan Jones
Musik: Chris Bacon
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Michelle Monaghan, Vera Farmiga, Jeffrey Wright, Michael Arden, Cas Anvar, Russell Peters, Brent Skagford, Craig Thomas, Gordon Masten, Susan Bain, Paula Jean Hixson
Kurzinhalt:
Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) erwacht eines morgens in einem Pendlerzug, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen ist. Eine junge Frau, Christina (Michelle Monaghan), sitzt ihm gegenüber und unterhält sich mit ihm – doch er kennt sie nicht. Wenige Minuten später, bevor der Zug Chicago erreicht, explodiert eine Bombe an Bord und tötet viele Menschen. Darunter Colter Stevens.
Dieser kommt an einem seltsamen Ort zu sich und sieht auf Monitoren die Gesichter von Colleen Goodwin (Vera Farmiga) und Dr. Rutledge (Jeffrey Wright), die ihm sagen er müsse an Bord des Zuges den Bombenleger finden, damit ein weiterer, für den Nachmittag geplanter Anschlag verhindert werden kann. Auch bei seinem nächsten Sprung hat er wieder acht Minuten Zeit. Doch während Stevens immer noch nicht versteht, wie das alles überhaupt sein kann, und weswegen jeder Trip ein wenig anders verläuft, beschäftigt ihn die Frage, ob er den Ausgang der acht Minuten nicht beeinflussen kann. Rutledge behauptet, das, was er erlebt wäre so schon geschehen und ließe sich nicht verändern - aber Stevens ist die erste Person, die überhaupt das Source Code-Programm erlebt. Und ihm läuft immer schneller die Zeit davon ...
Kritik:
In einer Zeit, in der wir von menschlichen Ressourcen in Unternehmen sprechen, wie weit ist es da entfernt, über Menschen als Eigentum nachzudenken? Und wann endet in diesem Falle das Recht auf Selbstbestimmung? Source Code macht, was gute, klassische Science Fiction-Filme seit jeher machen, er stellt solche Fragen im Kontext einer fantastischen Geschichte, welche die Zuschauer sowohl auf einer unterhaltsam faszinierten Ebene anspricht, wie auch auf einer philosophischen. Dabei scheint es beinahe so, als würde Regisseur Duncan Jones die Story nicht erzählen, weil er sich gut findet, sondern weil es ihn selbst interessiert, wohin sie führt.
Was es dem Publikum bei solchen Geschichten besonders leicht macht, einen Zugang zu finden, ist eine Figur, der es genauso ergeht wie einem selbst. So geschieht es mit Colter Stevens, der an Bord eines Pendlerzuges aufwacht, ohne zu wissen, wie er dort hin kommt. Eine junge Frau, die ihm gegenüber sitzt erzählt ihm aus ihrem Leben, als würden sie sich kennen, doch Stevens hat sie nie zuvor gesehen. Jake Gyllenhaal erweckt in den ersten Minuten einen so orientierungslosen Eindruck, dass man keinerlei Schwierigkeiten dabei findet, sein Unverständnis zu teilen. Er wird unvermittelt in eine Situation gebracht, die er nicht versteht, und die mit jeder Minute verwirrender wird. Denn wenn Stevens in den Spiegel blickt, sieht er nicht sich selbst, sondern das Gesicht von jemand anderem. Umso schlimmer, wenn er erlebt, wie er von einer gewaltigen Explosion im Zug in den Tod gerissen wird, um an einem ganz anderen Ort wieder zu erwachen. Wie die Physik von Source Code funktionieren soll, können Interessierte nicht zuletzt im Internet nachlesen und man darf dem Autor zugute halten, dass er durchaus versucht, eine Erklärung für das zu finden, was Colter Stevens widerfährt. Er ist Teil eines geheimen Projekts, mit dem er in die letzten acht Minuten des Bewusstseins einer Person springen kann – diejenige, die Stevens im Spiegel an Bord des Zuges sieht. Seine Mission ist es, den Bombenleger ausfindig zu machen, der für den Nachmittag einen noch verheerenderen Anschlag angekündigt hat. Stevens' Verbindung zur "richtigen" Welt sind Coolen Goodwin und der Erfinder des Source Code-Programms Dr. Rutledge. Bei jedem Versuch an Bord des Zuges, den Attentäter ausfindig zu machen, erkennt Stevens, dass das Geschehen ganz leicht variiert – er kann sogar den Ausgang der Katastrophe verändern, nur wirkt sich dies nicht auf die reale Welt aus. Zumindest nicht diejenige, in der sich er, Goodwin und Rutledge befinden. Aufmerksame Zuseher werden feststellen, dass die Kapsel, in der Stevens aufwacht, mit jedem Mal anders aussieht. Es bildet sich Raureif auf den Armaturen, die Architektur wirkt anders, sogar physikalische Gesetzmäßigkeiten scheinen außer Kraft. Man mag darauf tippen, Stevens würde sich in einer Raumkapsel außerhalb der Einrichtung befinden. Die Antwort auf die Frage, wo er ist, hält jedoch ganz andere Überraschungen bereit.
Auch entwickelt sich Stevens Beziehung zu Christina, seine Sitznachbarin, in eine andere Richtung, als man erwarten würde. Sie ist für ihn vielmehr ein Zeichen dafür, dass er etwas bewirken kann, oder eben nicht. All das erinnert an eine Science Fiction-lastige Abwandlung von Und täglich grüßt das Murmeltier [1993]. Letztlich mag es nicht viel mehr sein, doch wartet Source Code gerade im letzten Drittel mit einigen Wendungen und Weiterführungen der Hintergrundüberlegungen auf, die verdeutlichen, wie interessiert auch die Macher an den Konsequenzen der Ausgangssituation waren. Mit dem sympathischen Jake Gyllenhaal, der hier teils verzweifelt, teils bis zum Äußersten entschlossen agiert, und Michelle Monaghan, deren Christina wie ein Anker für Stevens wirkt, hat Regisseur Duncan Jones eine exzellente Besetzung gefunden. Ergänzt wird diese durch Vera Farmiga und Jeffrey Wright, die ihren Figuren ein Charisma verleihen, das in den Dialogen allein nur angedeutet wird. Was Source Code von ähnlich gelagerten Filmen so erfreulich abhebt ist die Tatsache, dass das Science Fiction-Element als Notwendigkeit vorgestellt wird, die Macher aber die Auswirkungen auf die Figuren und ihr persönliches Dilemma in den Vordergrund stellen. Verpackt in eine temporeiche, einfallsreiche und durchweg gelungene Inszenierung ergibt dies nicht nur einen überzeugenden, sondern einen der intelligentesten Science Fiction-Thriller seit Duncan Jones' Moon [2009], der aber ein ebenso interessiertes Publikum voraussetzt.
Fazit:
Viele Geschichten erwarten vom Zuschauer einen Glaubenssprung, eine vorgestellte Technik zu akzeptieren, wodurch eine Story überhaupt erst möglich wird. Eher selten ist es jedoch so, dass die erzählte Geschichte interessanter ist, als die zuvor vorgestellte Technik. Source Code erklärt zwar, wie Colter Stevens in der Lage sein soll, die letzten acht Minuten seines Alter Ego immer wieder zu durchleben, letztlich kommt es jedoch darauf an, was er daraus macht. Und auch, welche weiteren Überlegungen sich aus der Situation ergeben.
Duncan Jones erzählt seinen Science Fiction-Thriller so interessiert, dass man selbst die Auflösung als Denkanstoß mit nach Hause nimmt. Ob es technisch möglich ist, oder nicht, spielt in dem Sinn keine Rolle. Die Konsequenzen aus der schieren Machbarkeit dürften Philosophen wie Physiker lange genug beschäftigen. Wer sich darauf einlässt, bekommt einen Film zum Mit- und Weiterdenken geboten, der allzeit fesselt und dank der sympathischen Darsteller keinen Zweifel aufkommen lässt, dass Colter Stevens in der Lage ist, in die letzten Minuten eines Schicksals zu springen, das selbst in einem anderen Universum ohnehin auch schon geschehen ist.