Im Angesicht des Feindes [2003]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Januar 2004
Genre: Krimi

Originaltitel: The Inspector Lynley Mysteries: In the Presence of the Enemy
Laufzeit: 86 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: -

Regie: Brian Stirner
Musik: Robert Lockhart
Darsteller: Nathaniel Parker, Sharon Small, Lesley Vickerage, Robert Whitelock, James Hazeldine, Joseph Friend, Sophie Okonedo, Natalie Freegard, Clint Dyer


Kurzinhalt:
Die erst zehnjährige Charlotte Bowen (Natalie Freegard), Tochter einer ehrgeizigen Politikerin, wird nach dem Unterricht entführt; der Chefredakteur einer konservativen Tageszeitung, Dennis Luxford (James Hazeldine) erhält daraufhin einen Erpresserbrief, in dem der Entführer verlangt, dass Luxford "die Geschichte" publik macht – in der Tat ist er Charlottes leiblicher Vater, was außer ihm und Eve Bowen (Sophie Okonedo), Charlottes Mutter, aber niemand weiß.
Luxford bittet die Profilerin und Bekannte, Helen Clyde (Lesley Vickerage) um Hilfe, doch noch bevor sie tätig werden kann wird Charlotte tot aufgefunden. Während Lynley (Nathaniel Parker) und Havers (Sharon Small) den Mord untersuchen, wird Luxfords ehelicher Sohn Leo (Joseph Friend) entführt – und erneut verlangt der Entführer die Publikmachung der "Geschichte".
Lynley und Havers stehen unter Zeitdruck, dabei gerät Havers selbst, die zusammen mit dem Polizisten Robin Payne (Robert Whitelock) in Luxfords Heimat recherchiert, in größere Gefahr, als sie ahnt.


Kritik:
Mit dem zweiten Teil der zweiten Staffel aus den Lynley Mysteries gehen die Macher einen Schritt auf der künstlerischen Evolutionsleiter nach unten und präsentieren dem Zuschauer dieselben hölzernen Dialoge, dieselbe verkrampft langsame Inszenierung und Kälte zwischen den beiden Hauptakteuren, wie in den ersten Lynley-Filmen.
Während im letzten Teil die beiden Ermittler zumindest auf freundschaftlicher Basis weiterentwickelt wurden, werden sie hier kurzerhand getrennt und Lynley selbst plant seine Zukunft mit Helen Clyde – das kollegiale Verhältnis zwischen Lynley und Havers wird dabei völlig vergessen. In der Tat wechseln die beiden hier so wenig Worte miteinander, wie schon lange nicht mehr.
Doch während man diese inhaltliche Unverständlichkeit noch akzeptieren könnte, gibt es bei den indiskutablen Dialogen, den zum Teil unfreiwillig komischen Darstellerleistungen und der holprigen Inszenierung kein Pardon.

Das Skript beginnt dabei gar nicht einmal uninteressant, doch aus der eigentlichen Spannung um die Entführung vermag das Drehbuch keine Szenen zu kreieren. Das Geschehen tröpfelt vor sich hin, viele Dialoge wirken, als ob sie mitten im Satz abgeschnitten und der Rest im Schneideraum gelandet wäre. Das Aufwühlen der Vergangenheit der Beteiligten kommt ebenfalls nicht recht zum Zug und fördert nichts Unbekanntes zu Tage – und als wäre das nicht genug, hat man als Zuschauer das Rätsel schon 20 Minuten vor Inspector Lynley gelöst, was der Spannung nicht unbedingt dienlich ist.
Während man den behäbigen Aufbau zu Beginn noch akzeptieren könnte, würde man zumindest bei der zweiten Entführung einen deutlichen Temposchub erwarten, doch auch hier wird man enttäuscht. Nicht nur, dass die Entführung gar nicht erst gezeigt wird, die Reaktionen der Charaktere wirken zu verhalten, zu bemüht und zu ruhig. Selbst bei den Eltern des Kindes.
Bietet die Grundstory also schon nichts Neues, hätte man sich zumindest auf eine Weiterentwicklung der Charaktere freuen können, und in der Tat, Lynley und Clyde kommen sich deutlich näher. Allerdings wird man als Zuschauer das Gefühl nicht los, dass sich das Meiste ihres Privatlebens zwischen den Episoden abspielt, weswegen ihre Beziehung immer regelrechte Sprünge zu machen scheint. Abgesehen davon kann man Lynley in einer Szene nur zustimmen, in der er Helen Clyde fragt, ob sie denn weiß, was sie will. Ihre Entscheidungen sind einem als Betrachter nämlich ebenso schlicht ein Rätsel.
Überhaupt nicht weiterentwickelt wird hingegen Sharon Smalls Charakter, der am Ende der 90 Minuten ebenso allein und auf sich gestellt ist, wie zu Beginn – mit einer Ausnahme: Ihre Beziehung zu Lynley befindet sich nun auf einem Tiefpunkt, und das obwohl sie vorher ebenfalls nicht unbedingt rosig gewesen war.
Diese Entwicklungen mögen im Roman noch durchaus glaubhaft durchscheinen, im Film wirkt es zu komprimiert, zu gekünstelt und schablonenhaft. Auch der Bösewicht erscheint hier wieder einmal wie dem universalen Ganovenhandbuch entnommen. Was Im Angesicht des Feindes fehlt ist ein erfrischendes Element.

Selbiges sucht man auch bei den Darstellern leider vergebens. Denn abgesehen von Nathaniel Parkers routiniertem Einsatz und Sharon Smalls unverkrampfter Verkörperung ihres Charakters, scheint die restliche Besetzung aus Laiendarstellern und Komödianten zu bestehen.
Kika Markham, die Paynes Mutter mimt ist dabei noch am ehesten unfreiwillig komisch, bei Clint Dyers Wutausbruch vor seiner Lebensgefährtin Eve Bowen muss man dagegen beinahe laut loslachen – und auch Sophie Okonedos Schauspiel kann nicht überzeugen. Sicherlich kann man argumentieren, dass Eve Bowen nach dem Verlust ihrer Tochter unter Schock steht, allerdings spielt sie dann genauso unbeholfen und hölzern, wie zu Beginn.
Die besten Gastdarsteller sind da noch Robert Whitelock, der zumindest etwas Ausstrahlung besitzt, und James Hazeldine, der nicht schlecht spielt, nur viel zu unterkühlt wirkt.
Lesley Vickerage hingegen hat hier deutlich mehr zu tun, doch ihr verzogenes Gehabe tut weder der Beziehung mit Lynley gut, noch kann man es als Zuschauer verstehen. Vor allem – bedenkt man, dass sie wohl demnächst zum regulären Cast gehört – konnte man bisher überhaupt keinen Draht zu ihr aufbauen. Sie ist beinahe der unwichtigste Charakter an Bord.
Eine nette Idee ist hingegen, Anjalee Patel erneut als Havers Nachbarin Hadiyyah auftreten zu lassen.

Die Inszenierung ist prinzipiell nicht schlecht gelungen, einzig die abgeschnitten Dialoge und die zum Teil seltsamen Schnittwechsel verwirren, was der Umsetzung aber völlig fehlt ist ein Aufbau.
Weder inhaltlich, noch spannungstechnisch gibt es eine geordnete Dramaturgie, die die Zügel zum Finale hin anziehen würde. Stattdessen plätschert das Geschehen vor sich hin, das Leben des Kindes scheint nicht in größter Gefahr zu schweben, es gibt kein Zeitlimit, das abläuft und ohnehin muss man als Betrachter den Kopf schütteln, wenn Havers sich dem Bösewicht ohne ihre Waffe nähert.
Überraschungen sucht man zwar lange, aber dennoch vergebens, wer je zuvor eine handvoll Krimis gesehen hat, wird hier die Hälfte aller Szenen, ermittlerische Sackgassen und die Auflösung lange vor Ende erraten können.
Während die Kamera recht stimmungsvoll eingesetzt ist, wirkt der Schnitt unentschlossen und wechselt von einer Szene zur anderen, ohne dass es dramaturgisch ausgenutzt wäre. Insbesondere wenn Havers erfährt, wer der Täter ist, hätte man sich eine deutlich spannungsgeladenere Inszenierung gewünscht.

Die Musik von Robert Lockhart glänzt durch Abwesenheit, auch in den Szenen, in denen sie durchaus unterstützend hätte wirken können, bekommt man stattdessen die sterile Studiosynchronisation zu hören, die überdies nicht wirklich zu überzeugen vermag.
Zwar klingt der Score, wenn er eingespielt wird, nicht schlecht, aber eine passendere Musik wäre ohne weiteres vorstellbar gewesen.

Ein uneheliches Kind in Regierungskreisen – für die Boulevard-Presse ein Fest. Von daher ist es ein interessanter Ausgangspunkt, den unbekannten Vater eben in diesen Kreisen zu platzieren, so dass er sich mit seinem beruflichen und seinem persönlichen Gewissen auseinandersetzen muss.
Doch aus den Hahnenkämpfen in der Redaktion und dem Familienzwist der Bowens vermag das Drehbuch nichts zu machen, vielmehr werden immer wieder solche 20 Sekunden langen Szenenschnipsel in die eigentliche Ermittlung eingestreut, obwohl sie da nichts verloren haben.
Inhaltlich wirkt Im Angesichts des Feindes unreif, überhastet und doch immens langatmig – was für Fans mit der spannendste Roman ist, ist bislang eine der enttäuschendsten Verfilmungen.


Fazit:
Die Charaktere handeln, als wären ihnen die Dialoge in den Mund gelegt, und als würden sie ihnen dennoch nicht schmecken. Mimische Entgleisungen gibt es ebenso wie scheinbar festgefrorene Gefühlsausbrüche. Auf Seiten der Darsteller gibt es bis auf die beiden Hauptakteure keine Pluspunkte zu verbuchen.
Doch eben Lynley und Havers entfernen sich immer mehr voneinander, was die Filme für Fans des Duos zur Qual werden lässt. Inhaltlich gibt es altbackene Thrillerkost serviert, die nach dem zigten Aufwärmen immer noch nicht munden will.
Wer sich für die Lynley Mysteries begeistern will, sollte nicht mit dieser Verfilmung anfangen – es könnte einem der Spaß daran vergehen. Die Punkte gibt es lediglich für das Zweigespann und die grundsätzlich saubere Inszenierung, die aber wie früher schon an Kinderkrankheiten leidet.