Harriet - Der Weg in die Freiheit [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 11. Februar 2020
Genre: Drama / BiografieOriginaltitel: Harriet
Laufzeit: 125 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Kasi Lemmons
Musik: Terence Blanchard
Besetzung: Cynthia Erivo, Leslie Odom Jr., Joe Alwyn, Clarke Peters, Vanessa Bell Calloway, Vondie Curtis-Hall, Jennifer Nettles, Omar J. Dorsey, Henry Hunter Hall, Janelle Monáe, Tim Guinee, Nick Basta
Kurzinhalt:
1849 in Dorchester County, Maryland, flieht die 27jährige Sklavin Minty (Cynthia Erivo), nachdem ihre Besitzer, Gideon Brodess (Joe Alwyn) und seine Mutter Eliza (Jennifer Nettles) beschließen, sie zu verkaufen. An sich wollte sie nur, dass das Kind, das sie sich mit ihrem Mann John (Zackary Momoh) wünscht, frei aufwächst. Von Gideons Suchtrupp getrieben, gelingt ihr eine langwierige und gefährliche Flucht in einen freien Bundesstaat. In Philadelphia sucht sie die Pennsylvania Anti-Slavery Society auf und findet in dem freien Afroamerikaner William Still (Leslie Odom Jr.) einen Mentor. Ein Jahr später entscheidet sie sich, den selbstgewählten Namen Harriet Tubman angenommen, zurückzukehren, um ihre Familie zu retten. Dabei entdeckt sie ihre wahre Bestimmung und engagiert sich fortan, so viele Menschen aus der Sklaverei zu befreien, wie nur möglich. Als der Fugitive Slave Act verabschiedet wird, der es erlaubt, entflohene Sklaven in allen Bundesstaaten zu suchen und sie zurückzubringen, droht Harriet, ihre erkämpfte Freiheit wieder zu verlieren. Zumal Gideon nie vergessen hat, dass sie ihm einst entkommen ist …
Kritik:
Es ist kaum vorstellbar, dass es mehr als 150 Jahre dauerte, ehe es einen Film über die historische Figur Harriet Tubman geben sollte. Immerhin war sie eine der bekanntesten und bedeutendsten Persönlichkeiten der „Underground Railroad“- Organisation, jenes Netzwerks, das im 19. Jahrhundert tausende afroamerikanische Sklaven in freie Bundesstaaten oder nach Kanada brachte. So wichtig es ist, ihre Geschichte zu erzählen, Harriet - Der Weg in die Freiheit wird den Erwartungen wie auch dem eigenen Anspruch nur selten gerecht.
Dabei gibt es an den einzelnen Elementen des Dramas kaum etwas zu kritisieren. Die Besetzung ist ebenso unscheinbar wie fantastisch zusammengestellt, die Bilder lassen die Landschaften jener Zeit auferstehen und die Geschichte um eine junge Frau, die ohne es zu wollen zu einem Symbol der Hoffnung für die Unterdrückten und einer Hassfigur für die Sklavenhalter wurde, ist an sich über jeden Zweifel erhaben. Trotzdem entwickelt Harriet selten das emotionale Gewicht, das die Geschichte verdient.
Sie beginnt im Jahr 1849 in Bucktown, Maryland, wo die junge Minty wie ihre Schwester und ihre Mutter als Sklavinnen der Familie Brodess leben. Einst hatte es eine Vereinbarung gegeben, wonach ihrer Mutter in einem bestimmten Alter die Freiheit geschenkt werden sollte. So wäre auch Minty befreit worden. Doch die Vereinbarung wird nicht eingehalten und als Minty stattdessen verkauft werden soll, entscheidet sie sich zur Flucht. Dabei lässt sie sogar ihren Ehemann, den freien Afroamerikaner John, zurück. Gejagt von Gideon Brodess, beginnt sie eine gefährliche, entbehrungsreiche Flucht von mehr als 100 Meilen und überquert mit Hilfe die Grenze nach Pennsylvania in die Freiheit. Das ist nicht das Ende ihrer Reise – es ist an sich nur der Beginn. Ein Jahr später entscheidet sie sich, inzwischen ihren freien Namen Harriet angenommen, zurückzukehren, um ihre Familie zu befreien.
So packend dies klingt, weshalb gelingt es Filmemacherin Kasi Lemmons nicht, daraus ein mitreißendes Porträt zu erzählen? Vielleicht ist es, weil es für Harriets Weg kein vordefiniertes Ziel gibt. Flieht sie zu Beginn, weil sie um ihre gemeinsame Zukunft mit ihrem Ehemann John fürchtet, verlagern sich ihre Absichten, nachdem sie sich ein neues Leben in Philadelphia aufgebaut hat. Muss sie erkennen, dass das Leben ihrer Familie seit ihrer Abwesenheit weitergegangen ist, sucht sie sich eine neue Aufgabe und befreit in den kommenden Jahren Dutzende Sklaven aus Gefangenschaft. Harriet schildert den Weg der Titelfigur bis in den Bürgerkrieg im Jahr 1863 hinein, doch was sie tatsächlich antreibt, wird nie entsprechend greifbar. In Gesellschaft oft schweigsam und auf Handlungen denn auf Worte aus, fällt es schwer, Harriet als Person tatsächlich einschätzen zu können. Welche Entscheidungen sie weshalb trifft, ist so zwar nachvollziehbar, aber im Voraus könnte man dazu keine Aussage treffen.
Regisseurin Lemmons rückt immer wieder Tubmans Glaube in den Mittelpunkt. Seit einer Misshandlung in jungen Jahren, bei der sie eine Kopfwunde davontrug, ist Harriet davon überzeugt, göttliche Eingebungen und Visionen zu erleben. Sieht man in Harriet - Der Weg in die Freiheit, wie detailliert ihr die Position ihrer Verfolger oder was Geschehen wird, in diesen Tagträumen erscheint, kann es für sie daran keinen Zweifel geben, dass die zutiefst gläubige Frau ihre Vorahnungen direkt von Gott erfährt. Tatsächlich sind sogar andere Personen im Film dieser Überzeugung. Die Art, wie diese Visionen eingebracht werden, oder die Tatsache, dass sie dazu dienen, die Figur sich aus allen möglichen Situationen befreien zu lassen, lenken jedoch merklich von der eigentlichen Geschichte ab und wirken schlicht überzogen.
Vor allem erinnern diese Momente spürbar an das Niveau einer auf offensichtliche Schaueffekte ausgelegten Fernsehproduktion. Dazu leistet leider auch der Erzählrhythmus einen nicht zu unterschätzenden Beitrag, ebenso wie der Soundtrack von Terence Blanchard, dessen wenige Highlights die gesungenen Gospel-Songs sind. Die übrige Musik, so hörbar ist für sich genommen ist, vermag der Biografie keine richtige Stimmung zu verleihen. Die musikalischen Themen werden nie nervenzerrend spannend, oder emotional aufwühlend und berührend. Diese Uneinheitlichkeit des Themas mit der Präsentation ist es, die Harriet am Ende schwächer erscheinen lässt, als es die dahinterstehende, historische Figur verdient.
Fazit:
Filmemacherin Kasi Lemmons gelingt es, einen Eindruck für den Überlebenskampf der Sklavinnen und Sklaven zu vermitteln, die, selbst wenn sie offiziell frei waren, doch wie Bürger ohne Rechte behandelt wurden. Gleichzeitig erzählt die Regisseurin den Kampf Harriets im Besonderen, die sich entgegen aller Ratschläge nicht davon abhalten lässt, eine unmöglich erscheinende Aufgabe anzunehmen, sondern die sie einfach erfüllt. Das ist vor allem von Cynthia Erivo in der Hauptrolle, aber auch von der übrigen Besetzung erstklassig und preiswürdig gespielt. Kostüme und Ausstattung sind ebenso tadellos. Aber dennoch wächst das Gezeigte nie über das Niveau einer TV-Produktion hinaus. Die allesamt kurzen Szenen lassen den Aufbau einer längeren Sequenz vermissen und es fehlt trotz der an sich inhaltlich dramatischen Entwicklung an bewegenden Momenten oder einem emotionalen Einschlag beim Publikum. So erreicht Harriet - Der Weg in die Freiheit trotz vieler guter Einzelteile insgesamt nie die Bedeutung, die ein solches, filmisches Denkmal jener Frau erreichen sollte. Das Gesamtbild gelingt nie auf eine solch bedrückende Weise packend, wie die Macher wohl selbst erreichen wollten. Wie wichtig es ihnen ist, diese Geschichte zu erzählen, ist dabei durchweg spürbar.