Cloverfield [2008]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. Februar 2008
Genre: Horror / Science FictionOriginaltitel: Cloverfield
Laufzeit: 85 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Matt Reeves
Musik: Michael Giacchino
Originalstimmen: Lizzy Caplan, Jessica Lucas, T.J. Miller, Michael Stahl-David, Mike Vogel, Odette Yustman, Liza Lapira, Ben Feldman
Kurzinhalt:
Es ist Rob Hawkins (Michael Stahl-David) letzter Abend in New York – am nächsten Tag wird er nach Japan fliegen und seine neue Arbeitsstelle antreten. Aus diesem Grund haben sein Bruder Jason (Mike Vogel), dessen Freundin Lily (Jessica Lucas) und Robs bester Freund Hud (T.J. Miller) eine Abschiedsparty geplant. Dass sich dabei Rob mit seiner Freundin Beth (Odette Yustman) verkracht, war an sich abzusehen.
Doch kurz nach Mitternacht erschüttert eine schreckliche Explosion New York – Hud, der mit einer Videokamera bewaffnet die Abschiedsparty filmen sollte – folgt nach einem Trümmerregen Rob, Jason und Lily aus dem Haus. Als sie auf der Straße ein riesiges Monster zu sehen bekommen, das New York verwüstet, entscheidet Hud, die Geschehnisse der Nacht mit der Kamera festzuhalten. Doch ihre Flucht aus Manhattan wird vereitelt, und als sich die Lage in der Innenstadt zuspitzt, erhält Rob eine Nachricht von Beth, die sich in ihrem Apartment nicht befreien kann und somit auch nicht die Stadt verlassen.
Zusammen mit Lilys Freundin Marlena (Lizzy Caplan) macht sich die Truppe auf den Weg zu Beths Apartment, durch das zerstörte, nächtliche New York, wo das Militär verzweifelt versucht, der Bestie Einhalt zu gebieten – und dem, was sie mitgebracht hat ...
Kritik:
Als Autor und Produzent ist Wunderkind J.J. Abrams schon seit vielen Jahren in Hollywood im Geschäft. Mit Filefax – Ich bin Du und Du bist nichts [1990] legte er sein erstes Skript vor; bei In Sachen Henry [1991] und Forever Young [1992] fungierte er bereits zusätzlich als Produzent. Ebenso bei der Serie Felicity [1998-2002], die Abrams Ruf bei den TV-Sender festigte. Es folgte seine Superspion-Serie Alias – Die Agentin [2001-2006] und nicht zu vergessen der moderne Mystery-Klassiker Lost [seit 2004], mit dem Abrams und sein Team aus Autoren und Produzenten unter Beweis stellte, dass man auch mit einer durchgehenden Erzählung die Zuschauer an die Fernseher fesseln kann.
Mit Mission: Impossible III [2006] konnte der Filmemacher erstmals auf der großen Leinwand sein Können als Regisseur unter Beweis stellen und sein Neubeginn für Star Trek [2009] wird von Fans skeptisch, aber dennoch sehnlichst erwartet. Die Möglichkeit, Cloverfield selbst umzusetzen, ließ Abrams vorüberziehen, stattdessen übernahm Matt Reeves den Posten. Beide trafen zum ersten Mal auf einander, als sie auf einem Filmfestival in New York ihre Kurzfilme vorstellten – seither arbeiteten die gleichaltrigen unter anderem bei Felicity zusammen.
Für die Vorlage des Monsterhorrors Cloverfield war allerdings Drew Goddard, dessen Skript ebenso unter Verschluss gehalten wurde, wie der Film selbst. Welchen Aufwand im Vorfeld betrieben, um dem Film diejenige Aura zu verleihen, die er letztlich auch besitzt, ist kaum vorstellbar. Nicht nur, dass das Drehbuch und die Story selbst eines der best gehüteten Geheimnisse Hollywoods darstellte, bereits im Sommer letzten Jahres erschien ein Teaser-Trailer, der gedreht worden war, noch bevor die endgültige Besetzung im Film überhaupt feststand. Als Teil der Promotionaktion erhielten die Hauptcharaktere (nicht die Darsteller!) Internetblogs und Webseiten, auf denen Sie im Vorfeld über ihr Leben berichteten. Zudem gab es mehrere Webseiten zum Film, die unter anderem von einem terroristischen Angriff auf eine Tiefseeölbohrinsel berichteten – daher ziehen Fans die Schlussfolgerung, das Monster stamme nicht aus dem Weltall, sondern von den Tiefen des Meeres. Auch von einem abgestürzten Satelliten wurde berichtet und nicht zuletzt eine Webseite einer Nebenfigur des Films, deren Rolle ursprünglich größer hätte sein sollen. Diese beinhaltet wie der Film einige Anspielungen auf ein Getränk namens "Slusho"; der Hersteller des Getränks ist unter anderem die Ölbohrinsel-Firma – und es wird angedeutet, dass das Getränk seltsame Auswirkungen auf Menschen haben kann.
Was sich die Macher dabei gedacht haben, ob es einen größeren Hintergrund gibt, und wie sich alles aufklären wird, können Fans vermutlich bei einer geplanten, aber noch nicht näher beleuchteten Fortsetzung erfahren. Auch hierfür soll Goddard erneut als Autor fungieren, und man kann nur hoffen, dass es ihm erneut gelingen wird, die Panik und die Verzweiflung der Situation ebenso gut einzufangen, wie es ihm bei Cloverfield gelungen ist. Denn während die Handlungen und Dialoge natürlich und improvisiert erscheinen, ist dies alles doch fest im Skript verankert gewesen – und eine solche Natürlichkeit ist es, die dem Film letztlich Leben einhaucht.
Die Darsteller wurden insofern gut ausgewählt, als dass sie ihre Rollen sehr lebendig verkörpern, will heißen, die Dialoge scheinen nicht geprobt, sondern in der Tat aus dem Moment heraus zu entstehen.
Sowohl Michael Stahl-David, als auch Jessica Lucas überzeugen als Anführer der Truppe überlebenden. Von Lizzy Caplan ist zu Beginn weniger zu sehen, doch auch sie macht ihre Sache gut.
Mehr zu hören, als vor der Kamera vertreten ist der Kameramann T.J. Miller, der allerdings ebenso sympathisch erscheint wie Mike Vogel.
Die Auftritte von Odette Yustman sind dahingehend etwas spärlicher und lassen eine bessere Einschätzung nicht zu.
Obgleich die Darstellertruppe wild zusammen gewürfelt wurde, besteht schon vom ersten Moment an eine Vertrautheit zwischen ihnen, dass es einem als Zuschauer nicht schwer fällt, Cloverfield in der Tat als Dokumentation zu sehen und sich trotz der Hintergrundgeschichte für die Figuren zu interessieren.
Wie bei einem Dokumentarfilm gibt es während der Geschehnisse keine Musik zu hören – und auch der Abspann läuft schon eineinhalb Minuten, ehe eine Overtüre komponiert von Abrams Haus-Musiker Michael Giacchino zu hören ist. Das immerhin knapp 10 Minuten lange Musikstück stellt eine sehr gelungene, temporeiche und kraftvolle Hommage an die B-Movie-Monster-Filme dar, von denen Cloverfield letztlich auch inspiriert wurde. Wer also Elemente alter Godzilla-Filme heraushört – und nebenbei noch Giacchinos ältere Werke, hat durchaus die Absicht des Komponisten entdeckt.
Was die Musik im Film selbst angeht, braucht man als Zuschauer keine Abstriche machen – dafür sorgt in den richtigen Kinos einer der besten Surround Sound Tonmischungen der letzten Jahre. Während die Geburtstagsparty zu Beginn noch recht verhalten erscheint, drehen die Macher mit der ersten Monsterattacke nicht nur den Bassregler nach oben, sondern verwöhnen die Ohren der Zuschauer mit einem räumlich eindrucksvollen und rundum fantastisch abgemischten Mix, der für Heimkinofans eine Herausforderung darstellen wird. Mehr kann man sich als Zuseher nicht im Geschehen fühlen.
Dies liegt aber auch an der viel diskutierten und an sich überhaupt nicht gewöhnungsbedürftigen Inszenierung durch Regisseur Matt Reeves und seinen Kameramann Michael Bonvillain, der ebenfalls schon bei Felicity, Alias und Lost mit an Bord war.
Durch den ständigen Blickwinkel einer Handheldkamera erzeugen die Macher nicht nur einen sehr realistischen, dokumentarischen Look, sondern fordern durch die ständigen Bewegungen auch einiges an Orientierungsvermögen ab. Zwar ist es in den letzten Jahren vermehrt zum Stilmittel mutiert, Handkamera statt festen Positionen zu verwenden, doch während dies bei Regisseur Michael Bay mit schnellen Schnitten kompensiert wird, beziehungsweise sogar bei der sehr verwackelten Bourne-Trilogie mit einer immerhin horizontal ausgerichteten Kamera erträglich wird, wackelt bei Cloverfield das Bild nicht nur ständig, es wird auch permanent verdreht und gekippt.
Was den Machern dadurch gelingt ist offensichtlich: wahrheitsgetreuer hätte man eine solche Invasion nicht filmen können und selbst, wenn man das innovative Element der Inszenierung herausnimmt, offenbart die Machart immerhin einen künstlerischen Anspruch insofern, als dass die Handkamera immer einen bestimmten Blickwinkel zeigt und Reeves so genau steuern kann, was man als Zuschauer zu sehen bekommt. Die Digitalkamera wird in der Tat als Stilmittel eingesetzt und dies mit einer Genauigkeit, einer Komposition, die deutlich teureren Produktionen in nichts nach steht.
Doch das hat einen Preis: nicht ohne Grund warnten amerikanische Kinos mit Plakaten vor den Sälen davor, dass die Kameraeinstellungen zu Übelkeit, Orientierungslosigkeit und Schwindelgefühlen führen können. Wer schon mit Karussells zu kämpfen hat, leicht seekrank wird oder gar unter epileptischen Anfällen leidet, sollte sich einen Kinobesuch zweimal überlegen. Selbst in der letzten Reihe ist das Geschehen immer noch kaum ins Auge zu fassen und mit einem Blick neben die große Leinwand zur Orientierung ist es nicht getan. Es hilft nicht einmal, die Augen zu schließen, da die mitunter schnellen hell/dunkel Wechsel es auch dann dem Zuseher nicht einfach machen. Man sollte sich auf eine gerade deshalb sehr unangenehme Kinoerfahrung einstellen, die künstlerisch anspruchsvoll, dennoch für Menschen mit einem Hang zu Übelkeit durch die schnellen Bewegungen keinen Spaß machen wird.
Hätten J.J. Abrams und sein Regisseur Reeves entschieden, Cloverfield konventionell zu inszenieren, wäre daraus vermutlich ein solider, aber wenig überraschender Monsterfilm geworden. Die Handkamera ist es, die dem Projekt das Quäntchen Einfallsreichtum verleiht und dennoch die nur 25 Millionen Dollar teure Produktion merklich aufwändiger erscheinen lässt.
Was verblüfft sind unter anderem die Spezialeffekte, denen man das sehr große Kompliment aussprechen kann, dass sie einfach nicht zu sehen sind – und somit die perfekte Illusion eines Dokumentarfilms aufrechterhalten.
Die Stimmung ist bedrückend, die Angst – und die Verwundbarkeit der Figuren – allzeit spürbar ... doch ein Kinobesuch ist in der Tat nur anzuraten, wenn man sich mit der eigenwilligen handwerklichen Umsetzung anfreunden kann. Und hier gibt es nur zwei Lager: die einen können es, und die anderen nicht.
Fazit:
Wenn aus der Sicht der Protagonisten gefilmt wird, wie Hochhäuser in New York einstürzen, Straßenzüge verwüstet werden und die Einsatz- und Rettungskräfte verzweifelt versuchen, die Verletzten und Verschütteten zu versorgen, werden beim Zuschauer ganz unangenehme Erinnerungen an den Herbst 2001 wach. Regisseur Reeves bannt hier aber nicht nur die Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit seiner Hauptfiguren auf Band, sondern auch ihre Unsicherheiten, Vermutungen und ihren Überlebenskampf.
Dass dies nicht reißerisch, sondern dokumentarisch wirkt, verdankt er der Entscheidung, den Film ausschließlich mit einer Handkamera zu drehen; die Authentizität Cloverfields wird durch die natürlichen Dialoge, die sehr gut agierenden Darsteller und die technisch perfekte Umsetzung (inklusive einiger der übergangslosesten Spezialeffekte der jüngsten Zeit) abgerundet.
Und doch sorgt der Handkamerastil bei einem nicht zu unterschätzenden Teil des Publikums für Übelkeit. So gelungen der innovative Monsterhorror somit sein mag, empfehlenswert ist er für Menschen, die auf Grund der wackeligen Kamera zu Übelkeit oder Schwindel neigen leider einfach nicht.