C.S.I. – Tatort Las Vegas: "Grabesstille" [2005]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. Mai 2006
Genre: Krimi

Originaltitel: C.S.I.: "Grave Danger"
Laufzeit: 81 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Quentin Tarantino
Musik: John M. Keane, The Who (Titel-Thema)
Darsteller: William L. Petersen, Marg Helgenberger, Gary Dourdan, George Eads, Jorja Fox, Eric Szmanda, Robert David Hall, Paul Guilfoyle, David Berman, Wallace Langham, Marc Vann, John Saxon, Aimee Graham, Lois Chiles, Andrew Prine


Kurzinhalt:
Als der CSI-Mitarbeiter Nick Stokes (George Eads) zu einem Routine-Einsatz gerufen wird, ahnt er nicht, dass der längste Tag seines Lebens vor ihm liegt; er wird von einem Unbekannten entführt und findet sich in einer aussichtlosen, klaustrophobisch-beängstigenden Lage wieder.
Unterdessen erhält das Labor unter der Leitung von Conrad Ecklie (Marc Vann) eine Nachricht, mit deren Hilfe Schichtleiter Gil Grissom (William L. Petersen) und seine Kollegen Catherine Willows (Marg Helgenberger), Warrick Brown (Gary Dourdan), Sara Sidle (Jorja Fox) und Greg Sanders (Eric Szmanda) Nick bei seinem Leiden zusehen können.
Der Entführer fordert eine Million Dollar in 12 Stunden, oder Nick wird sterben. Während Ecklie und Catherine versuchen, das Geld entgegen der Politik des Departments oder gar der Stadt aufzutreiben, machen sich die übrigen Ermittler daran, die Hintergründe der Entführung aufzudecken. Doch die Zeit arbeitet gegen sie, und wie es scheint ist der Entführer auf das Lösegeld nicht so sehr aus wie auf seine perfide Rache ...


Kritik:
Wer sich ein wenig an die Nachrichten vor dem offiziellen Start der fünften Staffel von C.S.I. erinnert, wird feststellen, dass damals die beiden Darsteller George Eads und Jorja Fox vom Sender gefeuert wurden, da sie im Gagenpoker der Meinung waren, durch das Fernbleiben vom Set mehr Geld herauskitzeln zu können. Wenig später waren sie dann aber wieder eingestellt.
Dass dieses Thema die Autoren beschäftigte, sah man der gesamten Staffel an, nicht nur, dass man die Ankündigung wahr machte, und die Stories viel stärker auf die Hauptfiguren bezog, man entwickelte manche Figuren nach immerhin Jahren endlich weiter, wagte sich in neue Richtungen vor, und führte neue Figuren ein – dies, so merkte Marg Helgenberger in einem Interview an, wohl hauptsächlich, um dem Hauptcast begreiflich zu machen, dass sie im Zweifel alle ersetzbar wären, und Gagenpoker in Zukunft nicht mehr geduldet würde. Der Lohn der Neuausrichtung der Serie waren erneut herausragende Quoten in den USA mit stellenweise über 30 Millionen Zuschauern, und eine im Rückblick ausgezeichnete Staffel, die den Dramaaspekt der Serie hervorhob und eine Reihe außergewöhnlicher Episoden zustande brachte, die einen als Zuschauer wirklich berührten und dem Team weiter Profil verliehen.

Doch mit diesem Wissen im Hinterkopf und der Tatsache, dass die Autoren auch nicht davor zurückschreckten, das Team in der Mitte der fünften Staffel aufzusplitten, sieht man gerade die erste Hälfte des von Hollywood-Regisseur Quentin Tarantino gedrehten Zweiteilers mit anderen und vor allem Unheil ahnenden Augen. Basierend auf einer Story in Tarantino konnten sich die Autoren Naren Shankar, Anthony E. Zuiker und Carol Mendelsohn die doppelte Zeit nehmen, um einen ungewöhnlichen Fall des C.S.I.-Teams zu behandeln und dabei, gerade in den ersten 20 Minuten sehr viel Charme um das Team aufzubauen.
Doch wenn nach nur 45 Minuten Nick Stokes entführt wurde und die erste Lösegeldübergabe grauenhaft schief gelaufen ist, fragt man sich als Zuseher, was die Macher für die zweite Hälfte des Zweiteilers im Petto haben. Hier verlagert sich auch zusehens der Schwerpunkt der Story und ist man einmal beim Ende angekommen, fällt vor allen Dingen auf, dass das Team selbst im Endeffekt nur selten zusammen arbeiten musste, um zu einer Lösung zu kommen. Zwar haben die einzelnen Mitglieder immer wieder etwas zu tun, wobei Sara Sidle überaus kurz kommt, doch das "Hand in Hand"-Ermitteln, das man sich von der Episode versprochen hätte, tritt erst sehr spät ein. Überhaupt scheint der Anteil der forensischen Ermittlung nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, in erster Linie verbirgt sich hinter "Grabesstille" ein harter, düsterer Krimi, der bisweilen psychologisch sehr ausgefeilt wirkt und der seinem Hauptcharakter sehr viel abverlangt.
Dagegen gibt es sicherlich nichts auszusetzen, wäre nicht Tarantinos Handschrift im Drehbuch zu erkennen. Viele seiner Anspielungen, seien es nun Zitate aus Kill Bill [2003/2004] oder seine bisweilen bewusst gewählte Optik, passen übergangslos in das mitunter sehr zynische und makabre Universum von C.S.I. - doch die ganz ohne Zweifel von ihm stammende Traumsequenz während des Finales zerstört beinahe deren Dramaturgie, nimmt vollkommen überflüssigerweise Tempo aus der ansich sehr spannenden Szene und wirkt mit der grotesken und entfremdeten Splattershow gänzlich fehlplatziert. Und da man bekanntermaßen das Finale der Episode zuletzt sieht, bleibt bei "Grabesstille" genau das im Gedächtnis.
Am übrigen Skript gibt es bis auf einen abflauendenden Spannungsbogen bei den Nachforschungen um die Familienangehörigen des Kidnappers, nichts zu bemängeln. Den Autoren gelingt es sehr gut, die Figuren zu charakterisieren und ihre Reaktion auf diese Situation zu schildern, man bekommt nach immerhin fünf Staffeln die Eltern von Nick Stokes zu sehen und auch der meist unnahbare und verschlossene Gil Grissom bekommt einige Szenen zugeschrieben, in denen er zum Zuschauer ganz verstohlen eine Verbindung wagen darf.
Die Auflösung kommt dabei wirklich überraschend und mag auch vom Aufbau der Sequenz zu gefallen, von der erwähnten Traumsequenz einmal abgesehen, einzig ein wenig kurz fällt der Epilog der Episode aus, den man sich vielmehr mit dem gesamten Team gewünscht hätte.

Die Darsteller scheinen sich von der Prominenz hinter der Kamera ebenso beeindrucken zu lassen (Tony Curtis und Frank Gorshin absolvieren Gastauftritte), wie von dem ausgereiften Drehbuch; William L. Petersen hat einige sehr gute Szenen und geht in diesen wie gewohnt voll auf, Marg Helgenberger, die während der Staffel immer wieder gefordert war, hat auch hier einiges zu tun und ist der Rolle ohne weiteres gewachsen.
Überraschend sind hingegen die Auftritte von Gary Dourdan und Eric Szmanda, die beide erstaunlich emotional agieren dürfen und diese Änderung in ihren Figuren sichtlich genießen. Jorja Fox hatte in der Staffel einige herausragende Auftritte und macht auch hier ihre Sache gewohnt sehr gut.
Ebenso Paul Guilfoyle, der mit "Hollywood Brass" eine eigene Episode bekam, hier aber kaum zum Vorschein kommt. Auch die beiden Pathologen, gespielt von Robert David Hall und David Berman sind kaum zu sehen, und ausgerechnet ihre letzte große Szene in der Staffel hinterlässt einen so üblen Beigeschmack.
Für verwunderte Blicke sorgt zweifelsohne der sehr menschliche Auftritt von Marc Vann, der als Conrad Ecklie gerade im vergangenen Jahr bei C.S.I. eine große Rolle spielte und hier seine Figur weiter ausbauen darf. Auch Gastdarstellerin Aimee Graham, Schwester von From Hell [2001]-Darstellerin Heather Graham, hinterlässt einen wirklich guten Eindruck und man darf gespannt sein, ob ihre Figur in den kommenden Episoden erneut aufgegriffen wird.
Der am meisten geforderte Darsteller des Staffelfinales ist jedoch ohne Zweifel George Eads, dessen Serienfigur Nick Stokes immer sympathisch erschien, und der auch immer bemüht war, ihr Profil zu verleihen, der aber schlicht nicht über die üblichen Maße gefordert war. Hier darf er nun zeigen, was in ihm steckt und das in einer Umgebung, die ihn ebenso vieler Möglichkeiten beraubt, wie sie ihm schauspielerisch verleiht. Dank einer hervorragenden Mimik, in der er sowohl die Unbeschwertheit seiner Figur zum Ausdruck bringt, wie auch die Panik und die folgende Resignation, gelingt ihm in seinen sehr einsamen Minuten vor der Kamera ein Portrait das für viele charakterlichen Schwächen der bisherigen C.S.I.-Skripts entschädigt. Ihm zuzusehen ist so packend wie deprimierend – und einer der Höhepunkte von "Grabesstille".

Dies ist sicherlich auch ein Verdienst von Quentin Tarantino, dem die Schauspielführung in dieser Doppelepisode oblag, und dem dies bei allen Figuren tadellos gelang. Wer allerdings in Bezug auf die Inszenierung Außergewöhnliches erwartet, wird womöglich enttäuscht sein. Tarantino kleidet das Staffelfinale in sehr gut ausgewählte Bilder, die gerade in den Gesprächen dadurch überraschen, dass die Sets durch die größere Entfernung zu den Figuren größer erscheinen, und auch sonst wirkt das Labor hier mehr wie aus einem Guss – eine lückenlose Bewegung innerhalb der Räumlichkeiten verstärkt den Eindruck.
Und doch vermisst man etwas die ausgefallenen Kameraeinstellungen, ungewohnte Perspektiven oder aber lange Kamerafahrten, von denen es nur sehr wenige gibt. Die übrige Inszenierung liegt dabei im Spitzenfeld des C.S.I.-Standards, doch hat man gerade in der aktuellen Staffel schon besseres gesehen, wenn auch nicht auf 80, sondern "nur" 40 Minuten.
So ist "Grabesstille" handwerklich sehr, sehr gut geraten, und wie die bisherigen Episoden der Serie auch ohne weiteres auf Hollywood-Niveau – das erwartete, epische Flair bleibt jedoch ein wenig aus, was jedoch mehr Tarantino-Fans enttäuschen wird, denn die C.S.I.-Zuschauerschaft. Die Emmy-Nominierung, die Tarantino für seine Regiearbeit erhielt war jedoch vollauf berechtigt.

Eine sehr gute Arbeit leistet auch Komponist John M. Keane, der mit sehr bewegenden, ruhigen und stellenweise auch temporeichen Themen die Atmosphäre der Episode gekonnt einfängt. Dabei gelingt ihm gerade die Entführung selbst ausgesprochen gut und auch beim Finale trägt der Score merklich zur ständig steigenden Spannung bei.
Mehr kann man nicht erwarten und man darf gespannt sein, ob sich das Studio endlich dazu durchringen kann, einen Score statt eines Albums zur Serie zu veröffentlichen.

Mit über 35 Millionen Zuschauern während der zweiten 40 Minuten und einer durchschnittlichen Quote von 30,1 Millionen Zuseher schlägt das Staffelfinale sogar die selbst aufgestellten Rekorde – als einzelne Episode gesehen war lediglich eine Folge der fünften Staffel mit 31.5 Millionen noch häufiger gesehen.
Dass das C.S.I.-Franchise eines der beliebtesten Fernsehformate ist, steht somit außer Frage, und dass sich das Studio die Doppelfolge einiges kosten ließ, ist ebenfalls unbestritten. Es bleibt nur abzuwägen, ob der Zweiteiler als solches auch funktioniert. C.S.I.-Fans der ersten Stunde werden diese Frage nicht ganz so schnell beantworten können. Dass die Autoren die Möglichkeiten nutzen, alte Fälle zu ewähnen und die Figuren voran zu bringen, ist überaus erfreulich und auch gut eingebracht, dass jedoch trotz der Ausgangslage das Team im Gesamten nicht so stark gefordert ist, wie es beispielsweise der Fall war, als unter Zeitdruck ein Fall erneut durchgenommen werden musste, da die Glaubwürdigkeit der Beweisführung vor Gericht in Frage gestellt wurde, ist ebenfalls offensichtlich und auch ein wenig ärgerlich. Nichts desto weniger überzeugt "Grabesstille" mit einer sehr guten Inszenierung und erstklassigen Darstellern – es bleibt abzuwarten, ob die Macher die stärker personenbezogenen Fälle und die persönlichere Ausrichtung der Serie auch in der kommenden Staffel werden beibehalten können. Diese ist in den USA bereits gezeigt worden und das – so viel steht bereits fest – ab dem Staffelauftakt auch mit einem neuen Vorspann.


Fazit:
Wenn Quentin Tarantino dahinter steht, werden auch diejenigen Zuschauer aufmerksam, die mit dem forensischen Thriller ansich nichts anfangen können; so hatte der Hollywood-Regisseur und selbst bekennender Fan der Serie große Erwartungen zu erfüllen. Denen wird er in Sachen Schauspielführung und handwerklicher Umsetzung auch problemlos gerecht. Seine Inszenierung ist spannend und dicht, die Akteure laufen allesamt – einer ganz besonders – zu Hochformen auf, und dank des cleveren und ausgefeilten Drehbuchs kommen auch die Charaktere voran.
Was "Grabesstille" allerdings Sympathien kostet ist eine Traumsequenz während des Finales, die urplötzlich Tempo und Stimmung aus der Szenerie nimmt und den Zuschauer förmlich aus dem Geschehen reißt – auch dafür ist Tarantino verantwortlich.
Davon abgesehen dürfen sich C.S.I.-Fans auf 80 Minuten beste Unterhaltung mit einigen wirklichen Überraschungen und einer sich ständig steigernden Dramaturgie freuen, die zwar nicht das Beste darstellt, was C.S.I. in der bislang besten Staffel der Serie bot, aber immer noch weit über den besten Bemühungen anderer Serien liegt. Zwar mit kleinen Makeln, doch insgesamt ein sehr guter Krimi, bei dem das Team-Work leider in den Hintergrund rückt, dafür jedoch der Charme, die Atmosphäre und die Figuren der Serie völlig in den Mittelpunkt gestellt werden.