Cecilia Ahern: "P.S. Ich liebe Dich" [2004]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Oktober 2005
Autor: Cecilia Ahern

Genre: Drama / Liebesroman

Originaltitel: PS, I Love You
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Taschenbuch
Länge: 503 Seiten
Erstveröffentlichungsland: Großbritannien
Erstveröffentlichungsjahr: 2004
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2004
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-00-716500-5


Kurzinhalt:
Seit ihrer Jugend kannten sie sich bereits – und waren unzertrennlich. Niemand in ihrem Freundeskreis konnte sich Holly und Gerry ohne den anderen vorstellen. Als die Nachricht kam, dass Gerry an einem Gehirntumor litt, änderte sich bereits die Welt von beiden über Nacht, doch nun, da Gerry tot ist, scheint nichts mehr, wie es war.
Während Holly verzweifelt versucht, den Mut aufzubringen, morgens überhaupt aufzustehen, hat Gerry vorsorgend eine Möglichkeit gefunden, seiner Ehefrau durch diese schwere Zeit zu helfen. Mit zehn Briefen, die er noch vor seinem Tod verfasst hatte, gibt er Holly Monat für Monat eine neue Aufgabe, mit der sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen soll.
Zusammen mit ihren Freundinnen Sharon und Denise, ihrer Familie sowie neu gewonnenen Freunden wie Daniel, beginnt Holly den Rest des Jahres mit einem neuen Lebenswillen, nämlich neue Nachrichten von Gerry zu erhalten, die ihn ihr nochmals nahe bringen, ihn ihr nochmals zurückbringen – und jede seiner Nachrichten endet mit den Worten, "P.S. Ich liebe Dich".


Kritik:
Mit ihrem Debütroman gelang der jungen Autorin Cecilia Ahern – Tochter des derzeitigen irischen Kabinettsvorsitzenden Bertie Ahern – ein weltweiter Bestseller, an dessen Erfolg ihr im selben Jahr erschienenes zweites Werk, Für immer vielleicht [2004] nicht ganz anschließen konnte. Häufig als "Tränendrücker" bezeichnet, wird P.S. Ich liebe Dich gern mit bekannten Genreklassikern wie Nicholas Sparks' Romanen (darunter der als Message in a Bottle - Der Beginn einer großen Liebe [1999] verfilmte Weit wie das Meer [1998]) verglichen. Dabei beginnt Ahern ihr Buch genau dort, wo viele andere aufhören – nach dem vermeintlichen Happy-End. Sie begleitet Holly Kennedy beinahe ein ganzes Jahr lang auf ihrem Weg, beziehungsweise, bei der Aufgabe, einen Neueinstieg in ihr Leben zu finden. Ahern spickt diese Erzählung mit vielen alltäglichen Situationen, witzigen wie traurigen Momenten und einer Entwicklung, die gerade in der ersten Romanhälfte beinahe stillzustehen scheint und erst auf den letzten 200 Seiten an Fahrt gewinnt.

Die Story selbst wartet dabei mit vielen kleinen Episoden auf, die sich gerade zu Beginn sehr viel Zeit nehmen, Holly und ihren Freundes- beziehungsweise Familienkreis einzuführen, ihre veränderte Situation zu schildern und dem Leser klar zu machen, wie sehr sie sich in ihrer neuen Umgebung umstellen muss.
Was gerade in diesem Teil des Romans überrascht und beeindruckt, ist die Tatsache, dass Ahern ihre Figuren sehr ehrlich behandelt, sie beispielsweise in unangenehme Situationen bringt, ohne diese auf eine tragikomische Art und Weise auszunutzen, oder in kurzen aber heftigen Streitgesprächen ihre Seele blank legt, ohne diese anschließend auszudiskutieren. Gerade in diesen angenehm unspektakulären, auch von der Szenerie her nicht übermäßig kitschig erzählten Momenten baut P.S. Ich liebe Dich eine sehr dichte Atmosphäre auf, die Ahern für ihre Figuren zu nutzen weiß.
Die Idee mit den Briefen, die Gerry Holly hinterließ, lässt ihr dabei viel Spielraum, die Hauptfigur in gewisse Bahnen zu lenken, ohne sie zu hetzen. Bekommt man dann als Leser im Rückblick zwei Momente mit Gerry, seine Vorbereitung auf seinen kommenden Tod, zu lesen, wirken diese aufopferungsvollen und starken Kapitel nur noch intensiver, ohne seine Figur aber übermäßig zu glorifizieren oder zu idealisieren.
Doch weist Cecilia Aherns Debüt auch Schwächen auf, die für einen außenstehenden und nicht-Iren umso schwerer nachzuvollziehen sind. Während sie gekonnt die speziell für Briten so unangenehmen, peinlichen Situationen einfängt und auch aufrichtig beschreibt, ist über die Umgebung, die allgemeine Atmosphäre in Irland und somit in Hollys Umgebung kaum etwas zu erfahren. Das Lebensgefühl selbst, die Stimmung in der Gemeinde, alleinig aus dem Wetter zu erklären, wirkt vielmehr, als hätte sich Ahern die Arbeit hier ersparen wollen, anstatt mit landschaftlichen Beschreibungen, und sei es nur der Parks und Gärten, in denen Holly spazieren geht, ein Bild der Stadt im Kopf des Lesers zu zeichnen.
Viel schwerwiegender ist allerdings die Entwicklung ihres Hauptcharakters, die bis über die Hälfte des Romans kaum voran geht und erst mit dem Finden eines neuen Arbeitsplatzes wirklich einsetzt. Doch statt sich eher hierauf zu konzentrieren und zu beschreiben, wie sich Holly immer wieder verzweifelt selbst motivieren muss, um aufzustehen und den Tag ohne Gerry zu bestreiten, verfliegen die Monate von nun an wie im Flug. Selbst das vermeintliche Finale wird auf wenigen Seiten abgehandelt – von einem Höhepunkt ist hier kaum eine Spur zu sehen, von einer absehbaren und klischeebeladenen Situation einmal abgesehen.
Wer sich zudem gerade mit Holly – auf Grund ihrer menschlichen Art und Weise, mit Gerrys Tod umzugehen – identifizieren kann, mit ihr mitfühlt und mitleidet, wird den abrupten und vor allem undankbar-versöhnlichen Schluss als äußert störend empfinden, und das zurecht.

Die Figuren selbst erstrecken sich breit gefächert von vielschichtigen Nebencharakteren über belanglose, eindimensionale Gastauftritte bis hin zu sehr menschlichen und deshalb sympathischen Hauptcharakteren. Holly selbst wird dabei von ihren Freundinnen Sharon und Denise passend ergänzt, die sich zwar alle drei ähnlich sind, aber dennoch hauptsächlich andere Facetten ihrer Persönlichkeit widerspiegeln.
Während Hollys Familie mit wenigen Ausnahmen chronisch zu kurz kommt – immerhin wird die Storyline um ihren Bruder Richard zu einem teils überraschenden, teils vorhersehbaren Abschluss gebracht – ist es vor allem Daniel, der zwar von der Autorin um einen reichen Hintergrund erweitert wird, aber dennoch nicht aus seiner Rolle herauszutreten vermag. Wer dafür wirklich überrascht, ist Hollys neuer Boss, Chris Feeney, der in seinen wirklich sehr, sehr kurzen Auftritten ein äußerst sympathisches Charisma entfaltet und der auch einige der subtilsten und besten Momente im Roman zugeschrieben bekommt.
Dass sich viele Figuren im Laufe der beschriebenen 10 Monate weiterentwickeln, ist sicherlich beabsichtigt und von der Autorin auch ansprechend herausgestellt. Warum sich aber neben den stetigen, nebensächlichen Charakterentwicklungen der übrigen Figuren gerade Hollys Fortschritte so ruckartig vollziehen, ist nicht erklärbar und scheint insbesondere bei den zeitlichen Sprüngen innerhalb des Romans im letzten Drittel zu verkrampft und zu gekünstelt. Ein ausgeglicheneres Maß wäre hier besser gewesen.

Dramaturgisch zieht P.S. Ich liebe Dich seinen Erzählrhythmus vor allem aus dem monatlichen Erscheinen der neuen Nachrichten von Gerry. Die Zeiten dazwischen werden zwar immer wieder mit kleinen Nebenhandlungen, die sich bisweilen durch den gesamten Roman ziehen, gefüllt , die aber den Leser trotz allem nicht so fesseln wie die Neugier, welche Aufgabe Gerry für Holly denn im neuen Monat bereit gelegt hat. Dass es dabei nur wenige wirkliche Höhepunkte gibt, schadet dem Roman insofern nicht, als dass auch die kleineren Storyelemente überzeugen können und nicht aufgesetzt wirken. Die witzigen Momente nehmen dabei einen ebenso hohen Stellenwert ein, wie die tragischen Szenen, die einen verständlicherweise jedoch mehr berühren.
Sprachlich bewegt sich Cecilia Ahern auf einem sehr einfachen, aber dennoch nicht primitiven Niveau. Ihre Wortwahl ist zwar bewusst sehr absehbar und wartet mitunter mit Wortwiederholungen und einer sehr einfach konzipierten Syntax auf, bleibt jedoch gerade dadurch leicht verständlich und spiegelt vor allem Hollys Gemüt wieder – sie wirkt dabei in den intimeren Gefühlsmomenten umso intensiver.

Blickt man nach den etwas mehr als 500 Seiten auf den Roman zurück, bleibt ein gemischter Eindruck: einerseits gelingt es Ahern gut, dass man sich als Leser für die Figuren interessiert, mit ihnen mitfiebert und auch leidet, andererseits wirkt die Story selbst trotz ihrer Effektivität nicht ganz ausgenutzt, und enttäuscht gerade im letzten Drittel trotz notwendiger Charakterentwicklungen auf Grund einiger Entscheidungen innerhalb der Geschichte, die dem übrigen Roman nicht den notwendigen Respekt erweisen und schlichtweg in ihrer Aussage unpassend wirken.
Das sollte aber Interessenten nicht davon abhalten, P.S. Ich liebe Dich zu lesen, sollte sie jedoch darauf vorbereiten, dass der Roman nicht ganz das hält, was die erste Hälfte verspricht.


Fazit:
Sei es nun in der Form eines Buches, eines Filmes oder eines Liedes – für eine Geschichte wie in P.S. Ich liebe Dich muss man als Zuschauer/Leser/Zuhörer in der richtigen Stimmung sein. Ist diese einmal erreicht, besticht die Autorin Cecilia Ahern durch eine sehr zurückhaltende, aufrichtige und deswegen überraschende Erzählung, die den Kampf Hollys um einen Wiedereinstieg in ihr Leben gekonnt zum Ausdruck bringt. Ihrem Weg beizuwohnen, fernab von üblichen Klischees oder übersinnlichen Eindrücken, ist mitunter aufmunternd, ermutigend, bewegend, niederschmetternd und tief traurig.
Dass sich beim Lesen mitunter ein Kloß im Hals bildet, liegt vor allem daran, dass einem die beschriebenen Figuren schon nach wenigen Seiten ans Herz wachsen. Und wenn man sich immer wieder dabei ertappt zu schmunzeln, wenn es die Erlebnisse der Figuren erlauben, oder aber wenn man die Stirn voller Anteilnahme, angesichts ihres Verlustes oder ihrer Trauer, in Falten legt, dann hat Ahern ihr Ziel ohne Zweifel erreicht.
Sprachlich und auch emotional berührt sie bei weitem nicht so intensiv wie beispielsweise Alice Sebold mit ihrem erschütternd-bewegenden Roman In meinem Himmel [2002], doch empfand ich PS, I Love You gerade auf Grund der fehlenden übernatürlichen Elemente als sehr effektiv und auch hoffnungsvoll für diejenigen, die sich in einer solchen Situation wiederfinden.
Doch gibt es an Aherns Debütroman einige Elemente, die mich störten – kurioserweise konzentrieren diese sich aber auf die zweite Romanhälfte: So scheinen Hollys Wandlung und ihre Fortschritte in den letzten 150 Seiten so plötzlich, dass ich den Bezug zu ihren Entscheidungen verlor und mir erscheint auch die Kernaussage der letzten Seiten in einem völligen Gegensatz zu dem, was die Autorin in allen Seiten zuvor vermittelte. Dass der Roman dennoch als das, was er darstellt, funktioniert, steht außer Frage, und einige Momente überzeugen mit sehr subtilen Aussagen und Botschaften, die man so gar nicht vermutet hätte. Gekoppelt mit Balladen von Sarah McLachlan, Marc Cohn oder John Mellencamp im Hintergrund erzeugt P.S. Ich liebe Dich auch exakt jene Atmosphäre, die man sich davon erhoffen kann, nur wäre eben mit wenigen Änderungen noch etwas mehr möglich gewesen und es sind leider auch diese verpassten Möglichkeiten, die neben den vielen Genutzten in Erinnerung bleiben.