Verhandlungssache [1998]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Januar 2015
Genre: Thriller

Originaltitel: The Negotiator
Laufzeit: 140 min.
Produktionsland: Deutschland / USA
Produktionsjahr: 1998
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: F. Gary Gray
Musik: Graeme Revell
Darsteller: Samuel L. Jackson, Kevin Spacey, David Morse, Ron Rifkin, John Spencer, J.T. Walsh, Siobhan Fallon, Paul Giamatti, Regina Taylor, Bruce Beatty, Michael Cudlitz, Carlos Gómez


Kurzinhalt:

Danny Roman (Samuel L. Jackson) ist einer der besten Verhandlungsführer bei Geiselnahmen, die das Polizeidepartment je gesehen hat. Sein Kollege und Freund Nate Roenick (Paul Guilfoyle) bittet ihn während der Feier nach einem erfolgreichen Einsatz um Hilfe: Ein Informant sei bezüglich des Diebstahls von Geldern aus dem Invaliditätsfond der Polizei an ihn herangetreten. Da auch Kollegen der Abteilung Interne Ermittlungen unter den korrupten Cops seien, wisse er nicht, an wen er sich wenden könnte. Doch wenig später ist Nate tot und Danny der Hauptverdächtige.
Mit der einzigen Aussicht, etwas zu gestehen, das er nicht getan hat und dafür einen Deal mit der Staatsanwaltschaft auszuhandeln, geht Danny in die Offensive und stellt den Leiter der Abteilung Interne Ermittlungen, Inspector Niebaum (J.T. Walsh), zur Rede. Doch die Situation eskaliert und kurz darauf hat Danny Niebaum, Rudy (Paul Giamatti), Maggie (Siobhan Fallon) und sogar seinen eigenen Kollegen Grant Frost (Ron Rifkin) als Geiseln genommen. Während sich die Polizei darauf vorbereitet, die Situation gewaltsam zu beenden, verlangt Danny den unabhängigen Chris Sabian (Kevin Spacey) als Verhandlungsführer. Der weiß allerdings nicht, wem er glauben soll: Danny, der von einer Verschwörung korrupter Polizisten erzählt, oder den Einsatzkräften vor Ort ...


Kritik:
Denkt man an die herausstechenden Thriller der 1990er-Jahre, wird Verhandlungssache oft vergessen, so wie er damals von den Kinobesuchern übersehen wurde. Dabei ist F. Gary Grays prominent besetzter Film so clever wie hervorragend dargebracht. Es mag sich absurd anhören zu behaupten, dass die vielen klischeehaften Elemente der Story im Film nicht wirklich ins Gewicht fallen. Dank der handwerklich beeindruckenden und immens temporeichen Umsetzung bleibt trotz der Laufzeit von beinahe zweieinhalb Stunden aber keine Zeit, darüber nachzudenken.

Ein Cop, der als Sündenbock für korrupte Kollegen herhalten soll und ohne dass er es ahnt in ein Netz aus Intrigen verstrickt wird, stellt keine Seltenheit in Hollywood dar. Zumal das Drehbuch in der ersten halben Stunde alle Stationen abhakt, an denen zu sehen ist, wie Danny Romans Leben Stück für Stück zerbricht. Dass er seit kurzem verheiratet ist und seine Frau ihn bittet, keine Dummheiten zu unternehmen, ist nur eines von vielen bekannten Elementen. Doch wenn Danny den Leiter der Abteilung Interne Ermittlungen, Niebaum, zur Rede stellen will und die Situation derart außer Kontrolle gerät, dass Danny – seines Zeichens einer der besten Verhandlungsführer bei Geiselnahmen – Niebaum und drei weitere Menschen kidnappt, schlägt Verhandlungssache eine ungewohnte Richtung ein.

Romans Schicksal interessiert dank der sehenswerten Darbietung von Samuel L. Jackson, der seiner Figur mehr Tiefe verleiht als das Skript ihm mit auf den Weg gibt. Nicht ahnend, welche und wie viele seiner Kollegen korrupt sind, verlangt Danny als Verhandlungsführer den externen Spezialisten Chris Sabian. Bis dahin, also das gesamte erste Filmdrittel, ist Kevin Spacey überhaupt nicht zu sehen. Doch betritt er erst einmal die Bühne, konzentriert Gray die Spannung auf seine beiden Protagonisten, die besser nicht zusammenpassen könnten.

Während Sabian zu verhindern sucht, dass einige Polizisten in das Hochhaus, in dem Danny seine Geiseln hält, gewaltsam einzumarschieren und ihn auszuschalten, versucht Danny mit allen Mitteln, Niebaum zum Reden zu bringen. Die vielen Nahaufnahmen, in denen die Gesichter der Darsteller eingefangen werden, geben diesen viel Spielraum, den Drahtseilakt ihrer Figuren auszudrücken. Das mitreißende Tempo, das die Dialoge auf Grund der außergewöhnlichen Situation entwickeln, erhöht die Spannung außerdem.

Jackson und Spacey besitzen dabei genügend Charisma, um einen solchen Film jeweils allein zu tragen. Ihre gemeinsamen Szenen sind das Herzstück des Thrillers, dessen übrige Besetzung ihnen in nichts nachsteht: David Morse ist als knallharter Ermittler gewohnt undurchsichtig, Ron Rifkin und John Spencer wie immer tadellos. Siobhan Fallon, Paul Giamatti und Regina Taylor machen die immer schlimmer werdende Situation dagegen greifbar. J.T. Walsh verstarb bereits vor Veröffentlichung von Verhandlungssache, der ihm gewidmet ist. Als Inspector Terence Niebaum beweist er wie in vielen anderen Filmen, wie wichtig die Nebenrollen einer solchen Story sind. Durch seine facettenreiche Mimik und subtile Veränderungen in seinen Bewegungen erweckt er den zwielichtigen, vermeintlichen Drahtzieher der Korruption auf eine Art und Weise zum Leben, dass Romans Kampf gegen diese Verschwörung umso mehr fesselt.


Fazit:
Filmemacher F. Gary Gray beweist ein Gespür für toll zusammengestellte Bilder, in denen er seine nicht unbedingt neue Geschichte so packend erzählt, dass die bekannten Versatzstücke hier unerwartet frisch wirken. Zeitlos und überlegt inszeniert, kommen gerade in den vielen pointierten Dialogen die Figuren zur Geltung. Dass die in Erinnerung bleiben liegt an der tollen Besetzung, angeführt von einem Duo, das der außergewöhnlichen Situation ein realistisches Gewicht verleiht.
Die beinahe zweieinhalb Stunden merkt man Verhandlungssache nicht an und dank der verschachtelten Verschwörung, die es zu aufzudecken gilt, bietet er viele Details, die beim wiederholten Ansehen erst auffallen. Es ist ein Thriller, wie es ihn nur selten gibt, damals wie heute. Und einer, der in den mehr als fünfzehn Jahren seit seiner Veröffentlichung nur dazu gewonnen hat.