Unsere Ozeane [2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Dezember 2010
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Océans
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: Frankreich / Schweiz / Spanien
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Jacques Perrin, Jacques Cluzaud
Musik: Bruno Coulais
Erzähler: Jacques Perrin (Französische Fassung), Pierce Brosnan (Britische Fassung), Matthias Brandt (Deutsche Fassung)


Kurzinhalt:
Es gibt kaum ein Lebewesen auf dem Planeten, das ohne Wasser überleben kann. Nicht nur für die Menschen ist es lebensnotwendig. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge, stammt das Leben einst aus den Meeren. Auch heute noch, teils seit Millionen von Jahren unangetastet, entwickelt sich dort eine vielseitige Tier- und Pflanzenwelt. An über 50 verschiedenen Drehorten über Jahre hinweg gefilmt, widmet sich die Dokumentation den verschiedenen Kreaturen, ihren Abhängigkeiten untereinander, und wie sie ihrem größten Feind (buchstäblich) ins Netz gehen ...


Kritik:
Wer bei Unsere Ozeane eine Dokumentation in klassischem Sinne erwartet, der wird vermutlich enttäuscht werden. Hinter der Bezeichnung vermutet man meist einen Film, der viele Informationen verständlich und unterhaltsam verpackt, um das gewählte Thema dem Zuschauer kompetent und umfangreich nahezubringen. Von den etwas mehr als eineinhalb Stunden Film sind vermutlich gerade einmal 15 Minuten kommentiert und selbst hier berichtet der Erzähler nicht über wissenschaftliche Erkenntnisse, die das Verhalten oder die Anatomie der Meerestiere erklären, sondern sinniert vielmehr über die Beziehung der Menschen zum Meer und dessen Bewohner. Er klingt nicht wie ein unbeteiligter Beobachter, oder spricht voller Begeisterung für die Wunder jener Welt, sondern vielmehr melancholisch und nachdenklich, traurig beinahe angesichts dessen, was im Meer alles beheimatet ist, und wie wenig es die Menschen interessiert. In einer Zeit, in welcher der Mensch buchstäblich nach den Sternen greift, hat er eine weitere fremde Welt, die ihm unter Wasser direkt zu Füßen liegt, noch nicht einmal begonnen zu erforschen. Angesichts der Erfahrungen der Geschichte, was mit den entdeckten Ländern meist geschieht – ist der Mensch erst einmal dorthin vorgedrungen – ist es vielleicht auch besser so.

Wie viele Tier- und Pflanzenarten im Laufe eines Menschenlebens ausgerottet werden, sollte uns nicht nur die Zornes-, sondern auch die Schamesröte ins Gesicht treiben. Verantwortlich dafür fühlt sich meist niemand, ebenso wenig für die Meere selbst, auch wenn alle davon profitieren. Unsere Ozeane widmet sich verschiedenen Tierarten an den verschiedensten Orten unter der Wasseroberfläche, zeigt ihr Zusammenleben, ihren stetigen Kampf ums Überleben und auch, wie die von Menschenhand verursachte Verschmutzung der Welt sich auf die Lebewesen dort niederschlägt. Passiv und doch kann man nicht umhin, von der Wut angesteckt zu werden, die in den Regisseuren Jacques Perrin und Jacques Cluzaud brodeln muss, sieht man jene Sorglosigkeit, die überall an den Tag gelegt wird. Bis es soweit ist, erscheint die Naturdokumentation der Nomaden der Lüfte [2001]-Macher (Perrin produzierte außerdem Mikrokosmos - Das Volk der Gräser [1996]) im Zusammenspiel der gewaltigen Aufnahmen und der beinahe schon an eine Sinfonie grenzenden Musik von Bruno Coulais in gewissem Sinne meditativ und nicht minder faszinierend. Vom Nord- bis zum Südpol, von warmen Gewässern bis hin zu Flusswindungen schildern sie so viele Eindrücke, dass es einen beinahe überfordert. Nur erscheint Unsere Ozeane in der Zusammenstellung etwas orientierungslos. Über die erste Stunde verteilt bekommt man eine Handvoll verschiedener Gruppen Delphine gezeigt, ohne dass jedoch erklärt würde, worin sie sich unterscheiden. Fehlende Ortsangaben oder Namen der gezeigten Tierarten halten zwar das Gefühl der faszinierten Neugier beim Zuschauer aufrecht, ohne diese Neugier aber zu befriedigen.

Spätestens, wenn der Erzähler, der die Geschichte einrahmt, mit dem kleinen Jungen durch ein Museum ausgestorbener Tierarten läuft, erinnert Unsere Ozeane an ein Mahnmal für die jetzige und kommende Generationen. Dies mögen manche Zuseher in einer Dokumentation als fehlplatziert empfinden, doch unterstreichen die Filmemacher damit nur, dass der Schutz jener unter der Wasseroberfläche verborgenen Naturwunder derzeit nicht weit genug geht. Statt mit dem Finger auf die Verursacher dieser Situation zu zeigen, rücken sie in den Mittelpunkt, was schützenswert ist und erreichen dadurch eine ebenso große Wirkung.
Dass wir Menschen unseren Ursprung in den Meeren hatten, ist mehr als nur wahrscheinlich. Alles, was der Erde angetan wird, fließt irgendwann einmal zurück ins Meer. Es ist der Nährboden für beinahe alle Geschöpfe auf dem Planeten. Nicht nur deshalb ist es wichtig, dass mit der kostbaren Ressource Wasser behutsam umgegangen wird. Unsere Ozeane richtet den Blick auf eine faszinierende und atemberaubende Tier- und Pflanzenwelt, die bis vor kurzem in den Meeren gedieh, nicht zuletzt weil sie untereinander aufeinander abgestimmt war. Mit dem veränderten Kräftegleichgewicht auf dem Planeten verändern wir auch die Lebensbedingungen für diese Wesen.
An der optisch wie akustisch eindrucksvollen Dokumentation wurde vier Jahre lang gedreht. Die faszinierenden Aufnahmen rechtfertigen den sichtlichen Aufwand.


Fazit:
Angesichts hochkarätiger Fernseh-Dokumentationen wie Unser blauer Planet [2001] oder Planet Erde [2006], die auf Grund der mehrstündigen Lauflänge bedeutend mehr Informationen transportieren können, hätte es eine klassische Dokumentation über die Meere der Erde sicherlich schwer. Die Macher von Unsere Ozeane gehen einen anderen Weg. Sie führen dem Zuschauer großteils unkommentiert träumerisch schöne Bilder vor Augen, zeigen die verschiedenen, mitunter unwirklich scheinenden Meeresbewohner und wechseln sie mit den bekanntesten Vertretern der Meere ab, die verständlicherweise nicht fehlen dürfen.
Dann konfrontieren sie das Publikum mit den Auswirkungen, welche die Menschen bisher schon auf die Meereslebewesen hatten und fordern so auf, Verantwortung zu übernehmen. Wer mit vielen Informationen zu den gezeigten Tieren und Pflanzen rechnet, oder eine Dokumentation im eigentlichen Sinne erwartet, der wird enttäuscht werden. Wer jedoch die faszinierenden und malerischen Bilder zusammen mit der exzellent abgestimmten Musik als das sieht, was Unsere Ozeane sein möchte, der wird die Begeisterung der Filmemacher bezüglich jener Schätze unter der Wasseroberfläche teilen (lernen).