Transcendence [2014]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 02. Mai 2014
Genre: Science Fiction / Thriller / Drama

Originaltitel: Transcendence
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: Großbritannien / China / USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Wally Pfister
Musik: Mychael Danna
Darsteller: Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany, Cillian Murphy, Kate Mara, Cole Hauser, Morgan Freeman, Clifton Collins Jr., Cory Hardrict


Kurzinhalt:
Dr. Will Caster (Johnny Depp) beschäftigt sich als Wissenschaftler damit, eine empfindungsfähige, künstliche Intelligenz zu erschaffen. Er ist nur einer von vielen auf dem Gebiet, steht zusammen mit seinen Kollegen jedoch kurz vor einem Durchbruch. Bis eine militante Gruppe unter der Leitung von Bree (Kate Mara), welche die Abhängigkeit von der Technik ablehnt, einen Mordanschlag auf Caster verübt. Er wird tödlich verwundet und hat nur noch wenige Wochen zu leben. Umso unerbittlicher macht sich seine Frau Evelyn (Rebecca Hall) daran eine Möglichkeit zu finden, Wills Geist in eine künstliche Intelligenz zu transferieren.
Zusammen mit der Hilfe des Wissenschaftlers Max Waters (Paul Bettany) gelingt es, doch taucht die Frage auf, ob der Computer, der sich nach Will anhört, auch tatsächlich Will ist. Während Evelyn die Pläne des digitalen Will umsetzt und selbst miterlebt, wozu der befreite Geist im Stande ist, regt sich bei Wills ehemaligen Kollegen Joseph (Morgan Freeman) und auch dem FBI-Agenten Buchanan (Cillian Murphy) Widerstand gegen eine Macht, die sie praktisch nicht kontrollieren oder eindämmen können ...


Kritik:
Science Fiction ist immer dann am besten, wenn sie uns zeigt, wo wir sind, uns vorstellt, wohin wir gehen könnten und uns offenbart, was mit uns dort oder auf dem Weg dorthin geschehen könnte. Der ehemalige Kameramann Wally Pfister, der unter anderem für die beeindruckende Optik in den jüngsten Christopher Nolan-Filmen verantwortlich ist, erzählt mit seinem Regieerstling Transcendence eine richtige Science Fiction-Geschichte. Sie gelingt ihm so lange, wie er sich darauf konzentriert, wo wir im Moment sind und auch, wohin unser Weg führen könnte. Nur verlangt er dabei bereits einen Glaubenssprung, der so groß ist, dass der zweite, bezogen darauf, was dort mit uns geschehen könnte, schlicht zu viel ist.

Bereits das virale Marketing des Films ließ erkennen, dass er sich um das Thema einer künstlichen Intelligenz (auch KI genannt) drehen würde. Wer nun der Meinung ist, persönliche Assistenten wie diejenigen, die heute in jedem Handy oder Tablett stecken, und die auf Sprachkommando Termine erstellen können, Nachrichten vorlesen oder bestimmte Kontaktpersonen anrufen, wären eine Form einer KI, der irrt schon deshalb, da das Grundelement einer jeden Intelligenz ist, Neues selbständig zu erlenen. Diese Apps können jedoch nur die Tricks vollführen, die ihnen zuvor von ihren Programmierern beigebracht wurden.

Transcendence stellt den zurückgezogen arbeitenden Wissenschaftler Will Caster vor, der zusammen mit einigen Kollegen in den USA an dem Konzept der KI forscht. Seine Frau Evelyn Caster – und auch der Vorname wird nicht zufällig gewählt worden sein, wenn man sich ihre ersten drei Buchstaben ansieht – ist ebenfalls eine Koryphäe auf ihrem Gebiet. Nach einem öffentlichen Auftritt, wird ein Anschlag auf Caster verübt, bei dem er tödlich verwundet wird. Ihm bleiben nur wenige Wochen, die er auf Anraten seines Kollegen und Freundes Max lieber mit Evelyn verbringen möchte. Sie hat sich jedoch in den Kopf gesetzt, Wills Bewusstsein, eine jede seiner Erinnerungen, in einen Supercomputer zu laden, um mit Wills Intellekt eine künstliche Intelligenz zu erschaffen.

Es klingt abgehobener, als es Pfister darbringt, der in seinem Film immerhin einen Sprung von zwei Jahren vollzieht. Die technischen Aspekte lässt Drehbuchautor Jack Paglen gelungen in den Hintergrund treten, um stattdessen die tiefgründigeren Fragen zu stellen, die dahinter liegen. Selbst wenn man das Bewusstsein einer Person auf diese Weise retten könnte, sollte man das tun? Wäre die künstliche Intelligenz, die daraus entsteht, wirklich dieselbe Person? Wäre sie überhaupt eine Person?
Stünden einem unbegrenzten Intellekt sämtliche, schier endlose Informationen zur Verfügung, die das Internet bereithält, was könnte daraus entstehen? Das digitale Ich von Will Caster vernetzt sich im Nu mit der gesamten Welt, überwindet Sicherheitssperren, zapft Konten an und baut in Evelyns Namen und mit ihrer Hilfe in der Wüste einen gigantischen Forschungskomplex. Zu akzeptieren, dass dieser "Upload" eines Menschen tatsächlich möglich wäre, ist der erste Glaubenssprung von Transcendence. Der zweite folgt, wenn Will seine Vision in der Wüste zum Leben erweckt.

Zu verraten, was dies ist würde bedeuten, die gesamte zweite Filmhälfte vorwegzunehmen. Die Vorstellungen, die das Drehbuch darin verarbeitet, sind dabei überaus gelungen, wenn auch nicht neu. Es sind vielmehr die Menschen, die darin stören. Sieht man ehemalige Mitstreiter von Will, die sich im Stil einer Guerilla einer auf die Abschaffung dieser technologischen Macht gerichteten Terrorgruppe angeschlossen haben, ist das schlicht unglaubwürdig. Ebenso wie einen FBI-Agenten mit Schutzweste und Marke für dieselbe Sache kämpfen zu sehen, der behauptet, er würde nicht im Auftrag der Regierung handeln. So vorsichtig und zurückhaltend diese Charaktere in der ersten Filmhälfte sind, entscheiden sie sich in der zweiten zu handeln, verlieren sie jeden Bezug zu dem, was sie bis dahin waren.

Dass Wally Pfister auf einen namhaften und beeindruckenden Cast zurückgreifen kann, zeigt, wie viel Gewicht nicht nur sein Name in Hollywood hat, sondern wie vielversprechend die Vorlage klingt. Umso enttäuschender ist es, das letzte Drittel des Films zu sehen und sich zu fragen, was aus der Idee hätte werden können. Transcendence ist tadellos gespielt und in grandiose Bilder gekleidet, die mehr Aussagekraft besitzen, als manch ein Gemälde. Auch schadet die ruhige Erzählung nicht, die dem Thema mehr als angemessen ist. Dass der Film keine klare Aussage für oder wider die Technologie findet, ist außerdem sinnvoll, wenn auch letztlich zu versöhnlich. Es ist vielmehr, dass die Geschichte am Ende versucht, menschliche Emotionen, unsere Befürchtungen und Hoffnungen vor der Macht der Technologie, zu vereinen und einen Ausweg anzubieten. Dabei gibt es aus dieser Zwickmühle vielleicht keinen. Sicherlich keinen so einfachen.


Fazit:
Die Frage ist durchaus berechtigt, wie viel von einem selbst im digitalen Ich steckt, das sich heute schon in sozialen Netzwerken befindet. Ebenso interessant ist auch, wie viel vom digitalen Ich in einem selbst ist. Wie viele gute Science Fiction-Geschichten stellt Transcendence wichtige und richtige Fragen. Nur verliert das Drehbuch auf dem Weg die Menschen aus den Augen und macht sie erschreckend schnell blind für die Möglichkeiten, die sich dahinter verbergen. Hierfür soll die KI selbst, Will Casters Alter Ego, sprechen, während alle anderen vor einer Übernahme durch die Maschine warnen.
Der hohe Produktionswert unterstreicht die Eleganz der Bilder und die erlesene Besetzung macht den Einstieg in die Geschichte leicht, die zweite Hälfte dabei umso schwerer, wenn man ihre Wandlung nicht nachvollziehen kann.
Wally Pfisters Debüt ist kein verschenkter Film. Es ist nur, als hätte er irgendwann im Verlauf der Geschichte vergessen, dass sich Science Fiction im Kern um die Menschen dreht und nicht nur um die mögliche Menschlichkeit der Maschinen.