The Palace [2023]

Wertung: 1.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. Januar 2024
Genre: Komödie

Originaltitel: The Palace
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: Italien / Schweiz / Polen / Frankreich
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Roman Polanski
Musik: Alexandre Desplat
Besetzung: Oliver Masucci, Fanny Ardant, John Cleese, Mickey Rourke, Sydne Rome, Bronwyn James, Joaquim de Almeida, Luca Barbareschi, Alexander Petrov, Milan Peschel, Fortunato Cerlino, Anton Pampushnyy, Irina Kastrinidis, Matthew T. Reynolds, Teco Celio, Michelle Shapa, Davide Gagliardi


Kurzinhalt:

Es ist der 31. Dezember 1999. 12 Stunden trennen die Welt vom neuen Jahrtausend und die Befürchtung eines weltweiten Computercrashs versetzt insbesondere die wohlhabende Bevölkerung in Panik. In dem noblen, in den Schweizer Alpen gelegenen Hotel Gstaad Palace nächtigen die Reichen und Mächtigen. Umso wichtiger ist für Hotelmanager Hansueli Kopf (Oliver Masucci) ausgerechnet dieses Silvester. Er will den Gästen einen unbeschwerten Abend bescheren und hat die Belegschaft entsprechend instruiert. Doch die Gäste haben ausgefallene Ansprüche, die bis hin zur Anlieferung eines lebenden Pinguins als Hochzeitstagsgeschenk des unermesslich reichen Arthur William Dallas III (John Cleese) für seine 70 Jahre jüngere Frau Magnolia (Bronwyn James) reichen. Die französische Edelfrau Constance Rose Marie de La Valle (Fanny Ardant) hingegen schätzt ihren Hund Mr. Toby so sehr, dass er edelsten Kaviar zu fressen bekommt, selbst wenn der ihm nicht bekommt. Und während Schönheitschirurg Dr. Lima (Joaquim de Almeida) von Interessentinnen belagert wird, plant der ehemals wohlhabende Mr. Crush (Mickey Rourke), mit einer Betrugsmasche den Millennium Bug für sich zu nutzen und unermesslich reich zu werden. Je dichter die Uhr auf Mitternacht zugeht, umso chaotischer werden die Verhältnisse im Hotel – und für Manager Kopf …


Kritik:
So schwer es fällt, sich vorzustellen, was für ein Film The Palace hätte sein können, so schwer fällt es auch, sich vorzustellen, was für eine Geschichte Regisseur Roman Polanski überhaupt erzählen will. Vor dem Hintergrund der Jahrtausendwende und des damals befürchteten Computerchaos auf Grund des so genannten „Millennium Bug“, präsentiert er eine Gesellschaftssatire, die inhaltlich keine Relevanz bietet und keine ihrer Erzählstränge zu irgendeinem Abschluss bringt. Nur stellenweise amüsant, ist das regelrecht traurig.

Losgelöst von der Person und ihren Handlungen, ist der inzwischen 90jährige Filmemacher Roman Polanski jemand, den man mit preisgekrönten Werken wie Der Pianist [2002], Der Tod und das Mädchen [1994] oder Rosemaries Baby [1968] in Verbindung bringt. Umso erstaunlicher ist, wie wenig The Palace auch handwerklich mit den Vorgenannten verbindet. Es ist Silvesterabend des Jahres 1999 im luxuriösen Gstaad Palace-Hotel in den Schweizer Alpen. Hotelmanager Hansueli Kopf schwört sein Personal auf den wohl wichtigsten Abend ihrer Karriere mit den Worten ein, „Höflichkeit, Präzision, Perfektion“. Denn die Gäste des Hotels sind nicht nur erlesen, sondern auch einflussreich und die Hysterie des Y2K-Bugs, die Angst davor, dass eine Computerpanne zum Jahreswechsel ihre ganzen Ersparnisse entwerten und die Welt ins Chaos stürzen könnte, ist ebenso groß wie diejenigen zahlreich, die mit dem Ende des Jahrtausends auch das Ende der Welt heraufbeschwören wollen. Die Belegschaft soll dafür sorgen, dass sich die Gäste wohlfühlen und die Millionen von Menschen, deren Leben sie beeinflussen, weiter in Frieden leben können.

Doch so ausgefallen die Gästeliste, so unvorhersehbar auch ihre Wünsche, vom Anspruchsdenken ganz zu schweigen. Eine russische Delegation lässt für die sichere Unterbringung von Koffern mit mysteriösem Inhalt sogar einen Bunker im Keller des Hotels reaktivieren, eine ältere reiche Dame füttert ihren Hund mit Kaviar und besteht darauf, dass er sein Geschäft anschließend auf dem Rasen verrichten darf – in den schneebedeckten Alpen im Winter. Und ein beinahe 100 Jahre alter, milliardenschwerer Tycoon verbringt seinen ersten Hochzeitstag mit seiner 70 Jahre jüngeren Frau im Hotel und lässt dafür sogar einen lebenden Pinguin anreisen. Manager Kopf hat daher alle Hände voll zu tun und muss sich dabei auch noch von Gästen wie dem dubiosen Mr. Crush beleidigen lassen, da er kein Zimmer im Hotel reserviert hatte und das einzig verfügbare seinen Ansprüchen nicht genügt. Crush will von dem Y2K-Bug profitieren und hat dafür eine Betrugsmasche erdacht, für die er die Hilfe eines Bankangestellten benötigt, den er vor Ort besticht. Da kommt es ihm gar nicht recht, dass just in dem Moment ein Mann mit seiner Frau und seinen Zwillingstöchtern im Hotel erscheint, der behauptet, Crushs unehelicher Sohn zu sein.

Die Inhaltsangabe von The Palace liest sich wie die Zutatenliste einer Screwballkomödie, doch es gelingt weder dem Drehbuch, noch der Umsetzung, die Dynamik der sich zuspitzenden, absurden Situationen zu entfesseln. Das liegt auch daran, dass Polanski keine Figur präsentiert, mit der das Publikum mitfiebern würde. Nicht nur, dass Hotelmanager Kopf und sein innerer Kreis bei der Belegschaft wenigstens hinterrücks auf Ablehnung stoßen, er selbst ist im Mittelteil an vielen der Momente gar nicht beteiligt. Stattdessen präsentiert der Film die Reichen und Schönen mit ihren weltfremden Ansprüchen in der Annahme, dass dies allein ausreicht, die Geschichte als Gesellschaftssatire zu qualifizieren. Doch die reine Zurschaustellung der Dekadenz ist am Ende nicht mehr als das. Dabei fällt es außerdem schwer, die Relevanz oder Notwendigkeit bestimmter Aspekte nachzuvollziehen. Dass Schönheitschirurg Dr. Lima vor Ort mit seinen „Werken“ konfrontiert wird, ihn andere Gäste trotz seines Urlaubs ansprechen, ist eines, dass er sich als persönlichen Gefallen um die Begutachtung der Ausscheidungen eines Hundes kümmert, mag die Absurdität sogar noch steigern. Doch welchen Zweck verfolgt das Drehbuch dabei zu zeigen, dass er sich gleichzeitig (mehr oder weniger fürsorglich) um seine an Alzheimer erkrankte Ehefrau kümmert? Es ist ein Aspekt, der ebenso wenig Sinn ergibt, wie der gesamte Auftritt eines ehemaligen italienischen Pornostars, der sich bei einem Skiunfall die Nase bricht.

The Palace stellt viele dieser Figuren und ihre privaten Hintergründe vor, ohne diese entweder zu einem Abschluss zu bringen, oder ihnen irgendeine Aussage zu verleihen. Wozu führt der Erzählstrang um Mr. Crush und seinen nicht anerkannten Sohn nebst Familie? Wohin die Story um die Witwe, die darum bangt, nichts von ihrem Erbe zu erhalten? Keine einzige dieser Figuren durchlebt irgendeinen Lernprozess. Nicht einmal ihre Angst vor einem Zusammenbruch des Gesellschaftssystems durch den Millennium Bug hat eine Auswirkung. Dem zuzusehen wäre schon vor 24 Jahren ein ermüdendes und vor allem unbefriedigendes Unterfangen gewesen. In einer Zeit ebenso beunruhigender wie treffender, gesellschaftskritischer Dramen erscheint Roman Polanskis Film aber ebenso banal wie um der Obszönität willen abstoßend. Das beste Beispiel hierfür ist die allerletzte Einstellung, die wenn überhaupt etwas, dann unterstreicht, dass reiche und privilegierte Menschen die Opfer des inhärent ungerechten Systems in jeder Hinsicht ausbeuten können. Es ist eine Erkenntnis, für die es die vorherigen 95 Minuten aber nicht in der Form gebraucht hätte. Von dem Schlussbild ganz zu schweigen.


Fazit:
Auf den ersten Blick mag der dargestellte Egoismus und die geradezu menschenverachtende Dekadenz der Prominenz skurril und exzentrisch erscheinen, immerhin lassen sie sich selbst von den möglichen Sorgen eines Crashs und finanziellen Ruins zum Jahrtausendwechsel nicht davon abhalten, Suppenteller voll Kaviar nebst edlem Champagner hinunterzustürzen. Doch die Darstellung dieses Verhaltens findet in keiner Figur eine wirkliche Resonanz, oder eine Moral, die die Geschichte offenlegt. Es gibt schlicht keine Figur, die dem Treiben mit maßvollem Verstand entgegensteht. So fragt man sich schließlich, was Filmemacher Roman Polanski hier eigentlich aussagen will. Von den offensichtlichen Trickeffekte abgesehen, ist die Erzählung handwerklich solide, aber nicht außergewöhnlich umgesetzt, und auch die durchaus namhafte Besetzung scheint darauf zu warten, dass die Dialoge die Boshaftigkeit entwickeln, die notwendig wäre, um den Film als treffende Gesellschaftssatire zu qualifizieren. Ohne irgendeinen Aspekt zum Abschluss zu bringen, kann man nur festhalten, dass die Privilegierten mit ihrer herablassenden Unfreundlichkeit und ihrem entrückten Anspruchsdenken Recht behalten und ihre Ziele erreichen. Das geht sogar soweit, dass das Hotel dabei hilft, eine Leiche „verschwinden“ zu lassen. Für eine Satire fehlt The Palace die bissige Scharfzüngigkeit wie auch der überdrehte Humor, für eine Komödie allein ist das Gezeigte, mit wenigen Ausnahmen, nicht wirklich amüsant genug. Nicht zuletzt, dass der Millennium Bug nur eine Spielerei ist, die nichts zur Geschichte beiträgt, da sie auch an jedem anderen Jahreswechsel spielen könnte, macht deutlich, dass die Vorlage weit weniger clever ist, als sie vorgibt zu sein. Oder es gar selbst glaubt. Da zuzusehen, macht leider keinen Spaß.