The Flash [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. Juni 2023
Genre: Action / Fantasy

Originaltitel: The Flash
Laufzeit: 144 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Andy Muschietti
Musik: Benjamin Wallfisch
Besetzung: Ezra Miller, Michael Keaton, Ben Affleck, Sasha Calle, Michael Shannon, Ron Livingston, Maribel Verdú, Kiersey Clemons, Antje Traue, Jeremy Irons, Temuera Morrison, Gal Gadot, Saoirse-Monica Jackson, Rudy Mancuso, Luke Brandon Field


Kurzinhalt:

Barry Allen (Ezra Miller) kann sich derart schnell bewegen, dass sein Alias „The Flash“ nicht nur ein Superheld ist, sondern Teil der Justice League. Aber auch seine Kontakte zum einflussreichen Bruce Wayne (Ben Affleck), der als Batman für Gerechtigkeit sorgt, helfen Barry nicht, seinen seit Jahren unschuldig im Gefängnis sitzenden Vater Henry (Ron Livingston) freizubekommen. Dessen Berufungsverfahren steht kurz vor der Entscheidung, aber die Beweise, die belegen können, dass Henry seine Frau, Barrys Mutter Nora (Maribel Verdú) nicht getötet hat, reichen nicht aus. Als er so schnell er kann drauf losläuft, entdeckt Barry, dass er in der Zeit zurückreisen kann – so könnte er auch seine Eltern retten. Entgegen Waynes Rat, versucht Barry es, doch bei seiner Rückkehr in die Gegenwart landet er in einer Zeit, als er gerade volljährig wurde und kurz davor stand, seine Kräfte zu bekommen. Schlimmer noch, es ist die Zeit, als General Zod (Michael Shannon) vom Krypton mit einer verheerenden Waffe auf der Erde eintraf und von Superman aufgehalten wurde. Doch in dieser Realität, gibt es keinen Superman und als Barry mit seinem jüngeren Ich Batman aufsucht, findet er einen deutlich älteren Bruce Wayne (Michael Keaton) vor, der kein Interesse hat, wieder als Superheld aufzutreten. Doch wenn es Barry nicht gelingt, so etwas wie eine Justice League zu erschaffen, wird nicht nur diese Welt von Zod zerstört werden, er wird auch seine Eltern nicht retten können …


Kritik:
The Flash ist nicht nur der interessanteste und einfallsreichste Film des sogenannten Extended Universe der DC-Comicverfilmungen (DCEU). Andy Muschiettis bedauerlicherweise von privaten Skandalen des Hauptdarstellers überschattetes und verzögertes Superhelden-Abenteuer ist für diejenigen, die mit den mehr als ein halbes Jahrhundert umspannenden Filmadaptionen des Quellmaterials vertraut sind, eine wahre Schatzkiste. Doch so toll diese Aspekte, so wenig mitreißend ist die eigentliche Story.

Mit The Flash, so viel verrät bereits die Filmvorschau, entdeckt das DCEU das Multiversum für sich, also Realitäten, in denen sich manche Dinge so, wie in der bekannten, andere aber ganz anders entwickelt haben. Dabei sind jedoch Mechanik und auslösender Faktor jeweils ein anderer, als in der konkurrierenden Comic-Kinoreihe. Interessanterweise war die Comicfigur Flash vor über 60 Jahren die erste, die in ein Multiversum eintauchte. Die Geschichte hier beginnt mit einem actionreichen Einsatz, der in kurzen Zügen nochmals die Heldenzusammenkunft der Justice League vorstellt, aber inhaltlich für den Rest der Geschichte überhaupt keine Rolle mehr spielt. Darin ist der von Ben Affleck gespielte Batman ebenso zu sehen, wie Butler Alfred Pennyworth als derjenige, der die Heldinnen und Helden koordiniert. Barry Allen, der sich schneller als ein Blitz bewegt und entsprechend „Flash“ heißt, rettet bei dem Einsatz zwar zahlreiche Leben, im Privaten sieht es jedoch gänzlich anders aus. Sein Vater Henry sitzt seit 18 Jahren im Gefängnis, weil er beschuldigt wird, seine Frau, Barrys Mutter Nora, ermordet zu haben. Da auch der jüngste Versuch, die Unschuld seines Vaters zu beweisen, in einer Sackgasse endet, läuft Barry einfach los, so schnell er kann – und bewegt sich schneller als Lichtgeschwindigkeit. Er kommt an einen Ort, der ein wenig aussieht wie eine Blase, eine Arena im Raum-Zeit-Kontinuum und von dem aus Barry in der Zeit zurückreisen kann. Als er Bruce Wayne davon erzählt, warnt dieser ihn davor, da die Konsequenzen nicht absehbar sind.

Selbstverständlich tut es Barry dennoch und es gelingt ihm sogar, etwas in der Vergangenheit zu ändern, das den Lauf der Geschichte so beeinflussen müsste, dass er seine Eltern, und gewissermaßen sich selbst, retten kann. Doch als er in die Gegenwart zurückkehren will, geht etwas schief und Barry landet in einer Zeit, als er 18 Jahre alt war. Nicht nur das, er landet in einer anderen Realität, in der es einen eigenen Barry Allen gibt, gerade in dem Moment, als der Kryptonier General Zod auf der Erde eintrifft. Was dieser beabsichtigt, weiß das Publikum aus Man of Steel [2013], in dem Zod von Superman aufgehalten wurde, es aber viele Opfer in der zerstörten Stadt Metropolis gab. Doch offenbar gibt es in der Realität, in der Barry gelandet ist, keinen Superman. Er hat somit nicht nur den Lauf der Geschichte verändert, sondern wenn niemand Zod Einhalt gebietet, ist diese Welt dem Untergang geweiht. Als wäre das noch nicht genug, muss sich der jüngere Barry an seine neu entdeckten Superkräfte herantasten. Um es kurz zu fassen, es ist kompliziert und wird nur komplizierter, denn auch Barrys Batman gibt es nicht. Dafür finden Barry und sein jüngeres Pendant einen merklich älteren Bruce Wayne, der den Superheldenanzug an den Nagel gehangen hat, gespielt von Michael Keaton, der in Tim Burtons Batman-Adaptionen in die Heldenrolle geschlüpft war.

Wer dem inhaltlich nicht mehr folgen kann, sollte womöglich vor The Flash die bisherigen DC-Kenntnisse auffrischen, denn Filmemacher Muschietti stürzt sich im letzten Drittel Hals über Kopf in dieses Konzept der alternativen Realitäten, zeigt verschiedene Superhelden in allen möglichen Iterationen der vergangenen Jahrzehnte – sogar solche, die es nie gegeben hat. Für Fans ist das ein Fest und der Detailgrad beispielsweise bei Keatons Batwing sorgt für Nostalgie und Charme gleichermaßen. Doch erzählen die Verantwortlichen hier mehrere Geschichten auf einmal und das nicht unbedingt in der günstigstmöglichen Reihenfolge. Dadurch, dass Barry seinem jüngeren Ich beibringen muss, mit den Superkräften umzugehen, ist The Flash in gewissem Sinne eine Ursprungsgeschichte. Den Bösewicht der Story entleiht das Drehbuch jedoch Man of Steel, wobei General Zod mit Barry keinerlei Berührungspunkte hat. Überhaupt taucht er erst in der zweiten Filmhälfte auf. Bis dahin erlebt das Publikum die Heldenstory gewissermaßen rückwärts, sieht zuerst den niedergeschlagenen Barry, der sich an die Ermordung seiner Mutter erinnert (ein Aspekt, den das Drehbuch vollkommen aus den Augen verliert, wer für den Mord verantwortlich ist, spielt nie wieder eine Rolle), erlebt dann seine Entstehung und begleitet ihn dabei, sich seiner größten Prüfung zu stellen.

Das klingt schwerer, als es im Grunde ist, denn trotz Barrys ernster Geschichte und der Tatsache, dass am Ende (wieder einmal) nicht weniger als die Rettung des Multiversums auf dem Spiel steht, ist bereits der Auftakt mit einer vertikalen Rettungsaktion derart übertrieben, dass es nicht ernst zu nehmen ist. Gleichzeitig findet das Drehbuch immer wieder überaus gute Momente wie einen bestimmten zwischen Barry und seiner Mutter, die durchaus berühren. Doch insbesondere, wenn der impulsive, jüngere Barry zu sehen ist, gerät The Flash merklich klamaukig, so dass nicht nur der Multiversums-Witz betreffend Zurück in die Zukunft [1985] öfter wiederholt wird, als er witzig ist. Die stark mit den übrigen Filmen und Figuren verschränkte Story (bis hin zur Szene nach dem Abspann), macht es schwer, The Flash für ein Publikum zu empfehlen, das nicht in dieses filmische Universum investiert ist. Die meisten werden kaum einen Sinn darin erkennen und selbst, wenn man mit den Vorlagen vertraut ist, erscheint Andy Muschiettis Werk was die vielen Verweise anbelangt, mehr wie ein überlanges Fan-Projekt, denn ein in sich geschlossener Film. Das heißt nicht, dass man hier keinen Spaß haben kann, ganz im Gegenteil. Aber den wird ein bestimmtes Publikum eher zu schätzen wissen.


Fazit:
Hört man die vielen vertrauten musikalischen Themen, erscheint der eingängige Score, als hätte Komponist Benjamin Wallfisch John Williams und Alan Silvestri versammelt. Die Optik insgesamt ist erstklassig, die Perspektiven überaus gelungen, selbst wenn die Action mit Batman im späteren Verlauf merklich dunkel geraten ist. Doch so aufwändig die einzelnen Sequenzen überdies sind, realistisch sieht dies alles nicht aus, so dass das Finale wieder einmal spürbar weniger mitreißt, als wenn es handfeste, reale Bedrohungen gäbe. Dass in dem ein Bösewicht eine enorme Rolle spielt, mit dem man in diesem Film aber keine Berührungspunkte hat, schwächt die emotionale Wirkung überdies. Dafür überzeugt Ezra Miller als Hauptdarsteller, und ohne eine Wertung seiner Person vorzunehmen, in der Doppelrolle durch die vollkommen unterschiedliche Auslegung seiner Figur und auch Michael Keaton passt der vertraute Anzug wie angegossen, selbst wenn ein Gastauftritt ganz am Ende allen die Show stiehlt. The Flash ist für ein mit der Materie vertrautes Publikum ein inhaltlich einfallsreiches und handwerklich toll präsentiertes Fantasy-Abenteuer, das Fan-Träume zum Leben erweckt und seine Ausgangslage vollends auskostet, selbst wenn er mindestens 20 Minuten zu lang ist. Umso bedauerlicher, dass das DC-Franchise wohl eine inhaltliche Neuausrichtung widerfährt und weder die Figuren, noch die Besetzung nochmals aufgegriffen werden. Dabei hat Regisseur Andy Muschietti hier genau den Punkt getroffen, mit dem man sich merklich von der Konkurrenz abheben könnte.