The Accountant [2016]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 4. Juni 2017
Genre: Thriller / ActionOriginaltitel: The Accountant
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: Frankreich / USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Gavin O'Connor
Musik: Mark Isham
Darsteller: Ben Affleck, Anna Kendrick, J.K. Simmons, Jon Bernthal, Jeffrey Tambor, Cynthia Addai-Robinson, John Lithgow, Jean Smart, Andy Umberger, Alison Wright, Jason Davis, Robert C. Treveiler, Mary Kraft, Seth Lee
Kurzinhalt:
Christian Wolff (Ben Affleck) ist ein überaus erfolgreicher Buchhalter. Sowohl für die ganz normalen Bürger, die zu ihm kommen als auch für Vertreter des organisierten Verbrechens. Doch Christian ist mehr als nur das. Er sorgt auf seine eigene Art und Weise für Gerechtigkeit. Nachdem er bei einem neuen Auftrag die geschönten Zahlen der Bilanzen entdeckt hat, werden Killer auf ihn und die Firmenbuchhalterin Dana Cummings (Anna Kendrick) angesetzt. Christian fühlt sich verantwortlich und holt zum Gegenschlag aus. Dabei ahnt er nicht, dass ihm bereits der Finanzermittler Ray King (J.K. Simmons) zusammen mit Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) auf den Fersen ist ...
Kritik:
Überraschenderweise überzeugt Gavin O'Connors Thriller The Accountant um einen hochbegabten, autistischen Buchhalter, der gleichzeitig ein effizienter Killer ist, in den Bereichen, in denen man es dem Film nicht zugetraut hätte. Dafür enttäuschen sowohl die Actionmomente als auch der Thrilleraspekt trotz der durchweg soliden Inszenierung. Fans der namhaften Besetzung finden zumindest bei zwei Darstellern genügend Momente, die durchaus sehenswert sind. Davon abgesehen gibt es jedoch kaum etwas zu entdecken.
Dabei klingt die Grundidee durchaus interessant: Christian Wolff erkennt komplexe Zusammenhänge in Zahlensystemen wie kaum jemand anderes. So wenig ausgeprägt seine sozialen Kompetenzen, so brillant sein mathematisches Verständnis. Christian "leidet" (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks) an einer Form von Autismus. Seit frühester Kindheit fällt es ihm daher schwer, Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen, was nicht bedeutet, dass er kein Verständnis für moralische Werte besitzt. Als Buchhalter ist er überaus erfolgreich, arbeitet für die kleinen Bürger von nebenan, aber auch regelmäßig für Mafiabosse und Drogenkartelle, deren Bücher er überprüft. Aber er besitzt auch einige "spezielle" Talente, die ihn wehrloser erscheinen lassen, als er ist. Als ihm ein Auftrag zur Überprüfung von 'Living Robotics' zugewiesen wird, scheint dies keine große Herausforderung. Doch dann geraten sowohl er als auch die Firmenbuchhalterin Dana in das Visier von Auftragskillern.
An sich würde es bereits ausreichen, würde The Accountant diese Geschichte für sich genommen erzählen. Allerdings packt das Drehbuch von Bill Dubuque in diese Ursprungs-Geschichte noch einen weiteren Aspekt um den Finanzermittlungsbeamten Ray King hinein, der hinter Christians Geheimnis kommen will. Regelrecht ärgerlich ist hierbei, dass sich Gavin O'Connors Film gerade bei Kings Verbindung mit Christian und auch bei der großen Enthüllung beim Finale so selbstsicher gibt, als wären die Story-Twists in irgendeiner Weise überraschend. Dabei ist jede Wendung weit absehbar und bereits ab dem ersten Moment lange angekündigt.
All das gipfelt in einer langen Montage, in der Ray King der anstrebenden Beamtin Marybeth Medina alle Zusammenhänge nochmals erklärt, die man sich als Zuschauer bereits eine Stunde zuvor selbst zusammengepuzzelt hat. Es ist eine Sequenz, die zwar mit einer tollen Schauspielleistung des immer großartigen J.K. Simmons aufwartet, doch dafür kommt der Erzählfluss, der an sich für das Finale merklich an Tempo zunehmend sollte, beinahe krachend zum Stillstand.
So routiniert und gelungen die Actionmomente dabei auch inszeniert sind, sie reißen nur selten mit. Das liegt zum größten Teil daran, dass früh absehbar ist, das Christian kein astreiner Held ist und bis auf einen Moment, in dem Dana ins Visier der Attentäter gerät, nie jemand anderes, mit dem man mitfiebern würde, in Gefahr schwebt. Das hört sich alles in allem negativer an, als The Accountant tatsächlich ist. Die Besetzung wird von Ben Affleck solide angeführt, der die verschiedenen Aspekte von Christian Wolff gut zum Ausdruck bringt. Auch Anna Kendrick und J.K. Simmons machen ihre Sache gut, ebenso wie Jon Bernthal. Einzig John Lithgow leidet an einem schwachen Abgang, der erneut dem Drehbuch geschuldet ist. Die Macher waren wohl der Ansicht, dass der Moment cool und unerwartet wäre, während das gesamte Finale damit tatsächlich auf eine antiklimaktische Art und Weise verpufft.
Was O'Connor wie eingangs bereits erwähnt erstaunlich gut gelingt ist, ein Gefühl dafür zu erzeugen, was in manchen Menschen mit Autismus wohl vorgehen muss. Sei es das chaotisch anmutende Kunstgemälde, das an der Decke von Christians Wohnwagen hängt, oder sein abendliches Ritual, mit dem er überaus anschaulich offensichtlich versucht, den Wirbelsturm an Eindrücken des jeweiligen Tages beiseitezufegen, um Platz für den nächsten Tag zu machen. Seine Methoden, Ordnung in das Chaos zu bringen, wirken martialisch, erscheinen aber dennoch nicht vollkommen abwegig. Hinzu kommen subtil eingestreute Perspektiven, die verdeutlichen, wie leicht Christians Balance gestört werden kann und was dies für ihn bedeutet.
Es sind Punkte, die die Figur in gewissem Sinne abrunden und die Geschichte merklich prägen. Nur helfen sie nicht, die spannungsarme Erzählung packender zu machen.
Fazit:
Dass sich aus beinahe jeder Idee ein passabler Film erzählen lässt, hat nicht nur Hollywood oft genug bewiesen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr gelingt Regisseur Gavin O'Connor hier. Sein größtes Problem ist dabei, dass er sich nicht sicher zu sein scheint, was für einen Film er erzählen will. Aus der eigentlichen Bedrohungslage für Christian und Dana durch die unbekannten Attentäter reißt das Geschehen das Publikum immer wieder heraus, um lange Rückblenden einzustreuen, die Christians Kindheit und seine Ausbildung beleuchten. Als würde das nicht ausreichen, erklären die Figuren die Umstände später nochmals. Das Drehbuch zu The Accountant gibt sich auf eine selbstgefällige Art und Weise schlau, als wollte es den Zusehern entgegenrufen: "Das seht ihr nie kommen!". Dumm nur, dass die drei großen Storywendungen allesamt lange im Voraus absehbar und nicht überraschend sind. Dadurch entwickelt der Thriller zu wenig Zugkraft, um mitzureißen, bis hin zu einem Finale, das in einer enttäuschenden Aussprache, statt einem Showdown endet. Darüber helfen weder die gute Besetzung, noch die durchweg solide Inszenierung hinweg.