Sunshine [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. September 2008
Genre: Science Fiction / Drama

Originaltitel: Sunshine
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Danny Boyle
Musik: Underworld, John Murphy
Darsteller: Cillian Murphy, Chris Evans, Hiroyuki Sanada, Cliff Curtis, Michelle Yeoh, Rose Byrne, Benedict Wong, Troy Garity, Chipo Chung, Mark Strong


Kurzinhalt:
Vor Jahren wurde die Icarus, ein modernes Raumschiff, ausgesandt, um die sterbende Sonne mittels einer gewaltigen Bombe wiederzubeleben. Doch das Schiff verschwand, die Mission scheiterte. Nun, als letzte Möglichkeit, soll die Icarus II unter Captain Kaneda (Hiroyuki Sanada) einen "Neustart" der Sonne bewerkstelligen. Die geringe Mannschaft soll so nahe an die Sonne heranfliegen wie möglich, die Sprengladung auf den Weg schicken und zur Erde zurückkehren.
Die Mission verläuft nach Plan, bis ein automatisches Notsignal der Icarus aufgefangen wird. Es liegt an dem Physiker Capa (Cillian Murphy), zu entscheiden, ob der Kurs abgeändert werden soll, um wenn schon nicht die Crew, zumindest den zweiten Sprengkörper zu bergen – denn ob all die Berechnungen stimmen, um die Mission erfolgreich verlaufen zu lassen, vermag niemand zu sagen.
Doch schwerwiegende Leichtsinnsfehler der Crew gefährden nicht nur die Mission, sondern auch das Leben der Besatzung. Und während Mace (Chris Evans) alles daran setzt, auch im Zweifel mit menschlichen Verlusten einen Erfolg zu sichern, scheint es Kräfte an Bord zu geben, die ein erfolgreiches Gelingen unter allen Umständen verhindern wollen …


Kritik:
Von Trainspotting - Neue Helden [1996] über The Beach [2000] bis hin zu Sunshine scheint Regisseur Danny Boyle immer wieder den Mikrokosmos einer kleinen Gruppe inspizieren zu wollen, stellt seine Figuren unters Mikroskop und exerziert an ihnen, wie es der gesamten Menschheit im Angesicht eines solchen Umstandes ergehen würde.
Dass er dies im Falle von Sunshine in eine Science Fiction-Geschichte packt, mag im ersten Moment nicht weiter verwunderlich sein, doch dass er sich dabei weitaus mehr an Meisterwerke wie Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum [1968] als an moderne Actionblockbuster anlehnt, verwundert sicherlich. In gewisser Weise scheint das Drama wie eine aktualisierte Version des visionären Klassikers. Die Technik, die dabei hinter Sunshine steckt, wurde unter anderem von hochkarätigen Wissenschaftlern gestützt, die dem Film zumindest in den ersten zwei Dritteln einen ungeheuren Grad an Authentizität verleihen.

Die Geschichte dahinter findet indes zum größten Teil an Bord der Icarus II statt, jenem zweiten und letzten Versuch, eine drohende Katastrophe der Sonne abzuwenden, die alles Leben im Sonnensystem vernichten würde. Doch der ungewöhnliche Verlauf der Mission mit den immer schneller steigenden Belastungen für die Crew fordert alsbald seinen Tribut und so zieht Drehbuchautor Alex Garland relativ schnell die Spannungsschraube an, ohne im Sinne der Erzählung auf die üblichen Konventionen und Klischees des Genres vertrauen zu müssen.
Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist die Crew in ihren Entscheidungen und in ihrem Überlebenskampf auf sich allein gestellt und dabei immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Dieser Zerreißprobe folgt man als Zuschauer schon deshalb gern, weil die Figuren allesamt menschlich angelegt sind und ohne die übliche Einteilung in gut und böse auskommen. Der eigentliche Gegner der Mission ist die Mission selbst. So bleibt man bis zum letzten Drittel gefesselt, ehe das Skript versucht, durch eine vermeintlich unabsehbare Wendung einen personifizierten Bösewicht einzubinden. Da genau jener Storykniff aber in dem Sinne nichts neues ist, sondern in ähnlichen Filmen schon häufig zu sehen war, kommt dies nicht überraschend, sondern reißt einen beinahe schon widerwillig vom persönlichen, weil nicht hektischen Drama der bekannten Figuren fort.
Was als Wendepunkt in der Drehbuchvorlage gedacht war, verkommt letztlich zum größten Schwachpunkt des Films, der auf geradezu krampfhafte Weise den metaphorischen Aspekt von Garlands "Suche nach Gott"-Thematik und deren Folgen verkörpert. Herausgekommen ist ein inhaltlich sehr einfallsreiches Drehbuch, das auf kleinstem Raum eine Vielzahl von Aspekten abdeckt, aber in den letzten 25 Minuten durch eine vorhersehbare und arg theatralische Storywendung enttäuscht. Das Finale wird so durch einen ganz anderen Grundton der erstklassigen ersten Hälfte nicht gerecht.

An den Darstellern liegt dies allerdings nicht, die von einem hervorragenden Cillian Murphy angeführt zu Höchstleistungen auflaufen. Vielleicht der engagierteste Akteur ist hierbei Chris Evans, der nach eher mauen Darbietungen wie in Fantastic Four [2005] beweist, wozu er in der Lage ist. Gerade dadurch, dass sein wahrer Charakter erst in der zweiten Filmhälfte zur Geltung kommt, bleibt er als sympathischste Figur in Erinnerung. Gefolgt von einem absichtlich unterkühlt wirkenden Murphy, der selbst in den ruhigen Momenten mehr Charisma besitzt, als manche Altstars in aktuellen Produktionen.
Cliff Curtis und Hiroyuki Sanada sind vom Typ her ähnlich angelegt und spiegeln in ihrer Besessenheit der Sonne doch unterschiedliche Figuren wieder. Beide machen ihre Sache ausgesprochen gut und ergänzen Benedict Wong und Troy Garity ausgezeichnet, von denen letzterer ein wenig selten zu sehen ist. Und doch besitzt jeder Schauspieler mindestens eine Szene, in der er glänzen darf und jenem Anspruch auch vollauf gerecht wird.
Abgerundet wird die Besetzung von den beiden weiblichen Rollen, verkörpert von einer ausdrucksvollen Michelle Yeoh und einer gerade in der zweiten Hälfte überragenden Rose Byrne, die für ihre Rolle in Damages - Im Netz der Macht [seit 2007] auch schon für mehrere Preise nominiert war.
So vielseitig die Besetzung zusammengestellt ist, so überraschend ist es auch, dass alle von ihnen hier zur Geltung kommen dürfen und nicht ein einziger dabei ist, der in seiner Rolle enttäuschen würde.

Wie stark Sunshine in Bezug auf technische Auszeichnungen vernachlässigt wurde könnte man beinahe schon als vorsätzlich bezeichnen. Nicht nur, dass sich Regisseur Danny Boyle merklich darum bemüht, mit seiner kunstvollen Inszenierung ebenso packende wie komponiert wirkende Bilder einzufangen, die Szenenaneinanderreihung und der Aufbau der Actionsequenzen ist hervorragend gelungen. Kamera und Schnitt harmonieren insbesondere in den ersten beiden Filmdritteln gekonnt und lassen nie das Gefühl aufkommen, der Film wäre am Set oder im Studio entstanden.
Auch das Finale ist in gewissem Sinne künstlerisch anspruchsvoll inszeniert, dabei jedoch durch schnelle Schnitte, eingestreute Momente, in denen das Geschehen einfriert (was wohl jenes Empfinden nahe der Anziehungskraft der Sonne simulieren soll), und einem Verzerrungsfilter bei vielen Perspektiven so überdreht, dass es von der Federführung her aus einem völlig anderen Film zu stammen scheint. Die letzten 30 Minuten erinnern diesbezüglich an Danny Boyles Filme, wie man sie früher kannte, wohingegen sich der Anfang gerade auf willkommene Weise von seinen bisherigen Werken abhob.
Über alle Zweifel erhaben sind allerdings die visuellen Effekte, die in diese Art und Masse nie besser das Geschehen im schwerelosen Raum an Bord eines realistischen Raumschiffes zur Geltung gebracht haben. In den letzten Jahren würde einem kein Science Fiction-Film einfallen, in welchem das Geschehen auf so mitunter hypnotisierende, realistische Art und Weise eingefangen wurde, wie dies den Machern in Sunshine gelungen ist. Technisch ist hier nichts besser zu machen gewesen und insbesondere hochauflösenden Medien kommen diese Attribute des Films besonders gut zum Vorschein.

Gelungen diesbezüglich ist auch die musikalische Untermalung der Gruppe Underworld, denen Boyle den Film vorlegte. Die Musik hierzu wurde daraufhin improvisiert und das Ergebnis anschließend Komponist John Murphy zugesandt, der den Score vervollständigte. Herausgekommen ist eine ebenso sphärische wie an den richtigen Stellen packende Begleitung, die man nie als störend wahrnimmt und die Bilder auf eine ganz unerwartete Weise wirken lässt.
Auf Grund von rechtlichen Streitereien zwischen den Komponisten und dem Filmverleih gibt es bislang keinen Soundtrack, auch wenn geplant ist, diesen irgendwann bei Online-Musik-Shops zur Verfügung zu stellen. Wünschenswert wäre es, denn wie schon bei der Zusammenarbeit zwischen Orbital und Michael Kamen zu Event Horizon - Am Rande des Universums [1997] würde der Score hier auch ohne Bilder wohl eine stellenweise beunruhigende, sicher aber überraschende Wirkung entfalten.

So ist es durchaus beeindruckend, was die Independent-Produktion unter Regisseur Boyle auf die Beine stellt. Auch wenn sich das Studio über das Budget ausschweigt, darf doch vermutet werden, dass sie bei einem weltweiten Einspielergebnis von nur knapp 30 Millionen Zuschauern kein Erfolg war. Angesichts der Tatsache, dass der Film in den USA nur in einem Zehntel der Anzahl an Kinos zu sehen war, wie es bei heutigen Sommerfilmen der Fall ist, verwundert dies jedoch nicht.
Dabei richtet sich Sunshine ohne Frage an ein erwachsenes Publikum, das durchaus auch bereit ist, mit Hintersinn und einem tieferen Verständnis für die Aussagen des Films an ein augenscheinlich fantastisches Thema heranzugehen. Dass die Technik hinter der Icarus II von Wissenschaftlern der heutigen Zeit gestützt wird, verleiht alledem einen Realismus, wie man ihn lange nicht gesehen hat. Und auch damit lassen sich spannende Geschichten erzählen.


Fazit:
Dass Regisseur Danny Boyle sein Science Fiction-Drama von der ruhigen Erzählweise her zumindest teilweise in ähnlicher Weise anlegt wie beispielsweise der Klassiker 2001, ist unbestritten. Es scheint sich dabei zumindest im ersten Drittel durchaus um eine moderne Herangehensweise eines verwandten Stoffes zu handeln. Würde Boyle dem im letzten Drittel treu bleiben, hinterließe Sunshine auch einen noch besseren Eindruck.
Talentierte und durchweg hoch motivierte Darsteller, die in einem ebenso packenden wie vielschichtigen und bedeutungsvollen Skript zu Höchstleistungen auflaufen, eine durchweg gelungene Inszenierung und die wohl realistischsten Spezialeffekte des Genres in den letzten Jahren zeichnen die überraschend durchdachte Produktion aus. Ehe dem ein Finale folgt, das zwar als Metapher dessen dienen soll, was der Autor in seine Vorlage mit einweben wollte, aber zur restlichen Erzählung nicht so recht passen will.
Hier hätte Sunshine zu einem modernen Klassiker werden können. So ist er immer noch ein sehr guter Film seiner Art, der in manchen Bereichen wegweisend sein mag. Doch so zeitlos wie Stanley Kubricks Meisterwerk beispielsweise, ist er dadurch nicht.