Snowpiercer [2013]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. August 2015
Genre: Science Fiction / Action / Thriller

Originaltitel: Snowpiercer
Laufzeit: 126 min.
Produktionsland: Südkorea / Tschechische Republik / USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Joon-ho Bong
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Chris Evans, Kang-ho Song, Tilda Swinton, Jamie Bell, John Hurt, Octavia Spencer, Ah-sung Ko, Ewen Bremner, Alison Pill, Ed Harris


Kurzinhalt:

Der Versuch, die globale Erwärmung umzukehren, brachte der Erde eine neue Eiszeit. Die letzten Überlebenden fahren in einem Zug, der niemals anhält, rund um die Welt. Aufgeteilt in verschiedene Klassen, werden die Armen am Ende des Zuges gehalten und notdürftig mit Nahrung versorgt. Curtis (Chris Evans) plant, sich gegen die gewaltsame Unterdrückung durch die Oberen aufzulehnen, unterstützt vom alten Gilliam (John Hurt), den alle im Abteil respektieren. Zusammen mit Edgar (Jamie Bell) hat er einen Plan, bis ganz nach vorn zu stürmen, um "Die Maschine" unter Kontrolle zu bringen. Doch um die Lebensqualität der Privilegierten im Zug zu schützen, setzt Ministerin Mason (Tilda Swinton) alle Mittel ein. Dabei ist auch sie nur eine Figur in einem viel größer angelegten Spiel ...


Kritik:
Dass sich so viele bekannte Hollywood-Größen in einen verhältnismäßig kleinen Science Fiction-Film wiederfinden, ist relativ selten. Noch seltener ist es, dass sie sich bei der ersten englischsprachigen Produktion eines bekannten, südkoreanischen Regisseurs die Klinke in die Hand geben. Joon-ho Bongs Snowpiercer lebt dabei ebenso von seiner Besetzung wie seinen einzigartigen Bildern, die wirken, als wären sie aus einem alptraumhaften Comic entnommen worden. Dabei arbeitet der Film viel mit Symbolik und die Geschichte selbst ist bereits eine Metapher. Doch das macht sie nicht packender.

Es ist das Jahr 2031 – seit 18 Jahren fährt der Zug unentwegt um die ganze Welt. Für eine Umrundung benötigt er genau ein Jahr. An Bord befinden sich die letzten Menschen der Erde, die nach einem verheerenden Versuch, die globale Erwärmung rückgängig zu machen, unter einer dicken Schnee- und Eisschicht begraben ist. Der Clou an Snowpiercer ist, dass der Zug als Mikrokosmos die gesamte Gesellschaft abbildet. Curtis war noch ein Jugendlicher, als die Welt unterging und befindet sich seither am Ende des Zugs. Dort lebt die "unterste Schicht", das Fußvolk. Sie werden mit Proteinriegeln versorgt, die als Nahrungsquelle dienen, und von bewaffneten Wachen in Schach gehalten. Immer wieder kommen Vertreter des vorderen Zugteils nach hinten, meist, um Aufstände zu verhindern oder Bestrafungen vorzunehmen und die Ordnung wiederherzustellen.

Wie sehr der Zug unsere Gesellschaft widerspiegelt, versteht man erst, wenn Curtis, der lange Zeit der Held der Geschichte ist, ehe deutlich wird, dass es in einer solchen Welt keine Helden mehr gibt, den Plan fasst, das System zu stürzen. Er will mit allen, die kämpfen können, bis ganz nach vorn ans andere Ende des Zugs, wo Mr. Wilford "Die Maschine" behütet, die alles kontrolliert. Dabei kommen sie durch alle Wagen, die dazwischen liegen, und in denen neben Restaurants, einer Sauna, Pool, einer Schule für die Kinder der besser gestellten Passagiere, auch ein gigantisches Aquarium oder ein Schlachthaus liegen. Das Set-Design von Snowpiercer ist durchweg beeindruckend und selbst wenn Curtis und seine Mitstreiter durch ein Disco-Abteil gehen, hat man immer noch das Gefühl, man befinde sich im Zug. Irgendwie.

Der Aufstand der Unterdrückten soll selbstverständlich niedergeschlagen werden und wenn Regisseur Bong die Aggressionen der Beteiligten entlädt, dann tut er das in brutalen Bildern, in denen die Gewalt Teil des Konzepts ist. Trotzdem ist die FSK-Freigabe zu niedrig angesetzt und nicht alles wäre in der Ausführlichkeit notwendig gewesen.
Die Gewaltdarstellung ist einer der Punkte, die an Snowpiercer etwas stören, da die Auflösung der Geschichte die Strapazen der Figuren nicht entsprechend honoriert. Hört man, dass die Menschheit im Gleichgewicht gehalten werden muss, der vordere Zugteil ohne den hinteren ebenso wenig existieren kann wie umgekehrt, dann klingt das zwar realistisch auf unsere Gesellschaft bezogen, aber auch wenig idealistisch oder erstrebenswert.


Fazit:
Regisseur Joon-ho Bong nimmt sich viel Zeit, seine Botschaft zu vermitteln, schwelgt in manchen Einstellungen ungewöhnlich lange und überspringt gewisse Übergänge, so dass der Film mitunter etwas holprig wirkt. Das heißt nicht, dass Snowpiercer kein guter Science Fiction-Film ist, im Gegenteil. Für Erwachsene bietet er eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Aber dafür ist er schwer zugänglich umgesetzt mit Gewaltspitzen, die zur Art der Präsentation passen und doch manchmal wie zum Selbstzweck erscheinen.
Wenn es in einer dystopischen Zukunft keine Hoffnung für die Menschheit gibt, weshalb sollte man sich dann den Kampf und die Reise der Figuren antun? Die viele Symbolik springt einem als Zuseher geradezu ins Gesicht, doch dafür entschädigen tolle Darsteller, allen voran eine grandiose Tilda Swinton oder eine nicht weniger beeindruckende Octavia Spencer. Sie veredeln eine Story, die für gewöhnlich mit weniger bekannten Gesichtern direkt im Videoregal Premiere feiert. Der bitterste Moment des Films ist dabei die Auflösung.