Shining Girls [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Januar 2023
Genre: Thriller / Drama / Fantasy

Originaltitel: Shining Girls
Laufzeit: 388 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Michelle MacLaren, Daina Reid, Elisabeth Moss
Musik: Claudia Sarne
Besetzung: Elisabeth Moss, Wagner Moura, Phillipa Soo, Chris Chalk, Jamie Bell, Amy Brenneman, Christopher Denham, Madeline Brewer, Karen Rodriguez, Erika Alexander


Kurzinhalt:

Es ist Jahre her, dass Kirby Mazrachi (Elisabeth Moss) nachts im Park von einem Unbekannten mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt wurde. Sie hat überlebt, doch das Trauma konnte sie seither nicht überwinden und ihre aufstrebende Karriere als Reporterin bei der Zeitung Chicago Sun-Times liegt in Scherben. Inzwischen arbeitet sie im Archiv und ist darauf aus, den Täter zu finden, während sie immer wieder das Gefühl hat, die Welt um sie herum würde sich verändern. Dies geht soweit, dass sie urplötzlich mit dem Fotografen Marcus (Chris Chalk) verheiratet sein soll, an den sie sich aber nicht erinnern kann. Als sie Berichte über einen zurückliegenden Mord findet, bei dem der Täter wie bei ihr vorgegangen ist, ist Kirby sicher, eine Spur entdeckt zu haben. Sie wendet sich an den Reporter Dan Velazquez (Wagner Moura), der sich in einer persönlichen wie beruflichen Abwärtsspirale befindet. Gemeinsam stoßen sie auf viel mehr zurückliegende Morde nach demselben Muster, teils vor Jahrzehnten. Sie ahnen nicht, dass der Täter – Harper (Jamie Bell) – bereits sein nächstes Opfer ins Visier genommen hat. Oder dass sein Schicksal mit Kirbys verbunden ist …


Kritik:
Die Miniserie Shining Girls ist gleichermaßen Mystery wie Krimi. Beides wird durch ein Fantasy-Element verbunden und auch eine angedeutete Liebesgeschichte schlummert hier. Aber obwohl sich die acht Episoden nie lang anfühlen, kommt die dahinter liegende Geschichte nicht in Fahrt und kein Aspekt kann vollends überzeugen. Wäre es nicht um die interessante Ausgangsidee und die starke Besetzung, angeführt von einer tollen Elisabeth Moss, wäre man auch in Anbetracht der Auflösung enttäuscht.

Basierend auf dem 2013 erschienen, gleichnamigen Roman von Lauren Beukes erzählt Shining Girls von der schwer traumatisierten Kirby, die vor Jahren niedergestochen und lebensgefährlich verletzt wurde. Doch sie überlebte den Angriff und ist nun, als Mitarbeiterin im Archiv der Tageszeitung Chicago Sun-Times auf der Suche nach dem Täter. Dabei verändern sich Dinge. Haarfarben, Haustiere, sogar Beziehungen, die sie angeblich hatte, an die sie sich aber nicht erinnern kann. Deshalb hält Kirby Alltägliches in einem Buch fest, so dass sie sich orientieren kann. Doch dann entdeckt sie einen Mord, dessen Ablauf ihrem Angriff ähnlich ist und zusammen mit dem Reporter Dan Velazquez findet sie zahlreiche Opfer, die teilweise Jahrzehnte zurückreichen. Nur, wie kann es sein, dass ein und derselbe Täter so lange und unentdeckt in Chicago mordet? Zumal Teile der Erzählung aus seiner Perspektive gezeigt werden und er in den verschiedenen Jahrzehnten nicht zu altern scheint?

Es ist eines der Mysterien, die Shining Girls vorstellt. Ein anderes ist die sich verändernde Realität für Kirby, die diese Veränderungen nicht aktiv beeinflusst, aber sie als einzige wahrnimmt. Interpretationsmöglichkeiten gibt es hierzu viele und in gewisser Weise ist die sich stets ändernde Welt, in der insbesondere, wenn sich Kirby mit ihrem Angreifer beschäftigt, von einem Moment auf den anderen nichts mehr so ist, wie es vorher war, ein gelungenes Spiegelbild, wie sich Traumata auswirken können. Vor allem aber gibt dieses Element der Geschichte Hauptdarstellerin Elisabeth Moss Gelegenheit, ihre Wandlungsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen. Sowohl äußerlich als auch wie sie den veränderten Situationen begegnet. Der Schock, den der Angriff auf sie in Kirby hinterlassen hat, ist ihr anzusehen. Nie scheint sie sicher in ihrer Umgebung, mit ihren Mitmenschen. Zu sehen, wie sie während ihrer Recherchen Vertrauen fasst zu dem gleichermaßen von Dämonen heimgesuchten Reporter Dan, nimmt das Publikum mit. Umso mehr, da der von Jamie Bell so abgründig wie mysteriös gespielte Harper das genaue Gegenteil repräsentiert. Er wirkt, als hätte er stets die Kontrolle, als wüsste er, was geschehen wird – und als ginge es ihm nicht nur darum, seine Opfer, alles Frauen, zu ermorden, sondern sie einzuschüchtern.

Eine nicht unerheblich Frage ist sicherlich, ob diese verschiedenen Elemente in der Auflösung Sinn ergeben. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach und am besten trifft es die Aussage „teilweise“. Liest man sich etwas hinsichtlich der Romanvorlage ein, werden darin zahlreiche Elemente, hinsichtlich der sich für Kirby ändernden Realitäten oder des über Jahrzehnte hinweg mordenden Harper, der Souvenirs an den Opfern hinterlässt, durchaus erklärt. Manche dieser Erklärungen finden sich in Shining Girls wieder, viele sind nur angedeutet, aber nicht ausgesprochen und einige, unter anderem in Bezug auf das für die Zusammenhänge wichtige Haus, nicht einmal erwähnt. Dabei muss eine Mystery-Geschichte nicht alle Details bis ins Kleinste erklären. Mitunter zeichnet genau das Unbekannte das Mysterium aus. Doch es gibt hier mehrere Storyelemente wie die Dame, die Harper ausraubt und dabei auf eine für ihn futuristische Uhr stößt, oder Souvenirs, die er bei den Opfern platziert, die mehrmals aufgegriffen werden, ohne aber sinnvoll, oder überhaupt erklärt zu werden. Auch die Erläuterungen, wie die zwei oben genannten Mystery-Aspekte zusammenhängen, ist bestenfalls dürftig, vor allem aber unbefriedigend.

Zusammen mit dem eingebetteten Krimi, der in den ersten Episoden aufgebaut wird, dann aber kaum mehr im Fokus steht, lässt die Miniserie letztlich mehr Wünsche offen, als man nach den ersten, vielversprechenden Stunden vermuten würde. Dabei gefällt die ruhige Herangehensweise durchaus und erzeugt von Beginn an eine unheilvolle, beinahe bedrückende Stimmung. Nicht notwendigerweise auf Grund der gesamten Umstände, sondern auf Grund dessen, weil man miterlebt, wie diese auf Hauptfigur Kirby wirken. Handwerklich ist Shining Girls tadellos gelungen, wächst aber nie über das hinaus, was andere, hochkarätige Produktionen ebenfalls zeigen. Trotz des stimmigen Flairs der jeweiligen Zeit, in der die einzelnen Abschnitte spielen, gibt es hier keine wirklich bemerkenswerten Abschnitte, was kein wirklicher Kritikpunkt ist.
All dies klingt negativer, als es gemeint ist, denn wer sich auf eine ruhig präsentierte Mystery-Story einlassen möchte, wird über weite Strecken genau das finden. Dass die Auflösung dem nicht gerecht wird, ist trotzdem enttäuschend.


Fazit:
Im Grunde sollten mehr als sechs Stunden Zeit genug sein, eine in sich verschränkte Geschichte wie diese, die darüber hinaus zahlreiche Jahrzehnte abdeckt, zu erzählen. Aber obwohl die Erzählung immer wieder zu Schlüsselmomenten oder wichtigen Orten zurückkehrt, wirkt sie nie so komplex, wie sie im Grunde sein möchte. Noch stärker fällt ins Gewicht, dass Nebenhandlungen keine spürbare Auswirkung auf die Geschichte haben, so wie diejenige um Kirbys Mutter, oder dass Zusammenhänge nicht hergestellt werden. Für einige Elemente wie die bei den Opfern gefundenen Gegenstände gibt es in der Romanvorlage zumindest eine Erklärung, hier scheinen sie wie ein Gimmick, um die Story interessanter wirken zu lassen, auch wenn sie letztlich nicht aufgelöst werden oder ihre Bedeutung unklar bleibt. Durch ihre fordernde Darbietung, die eine enorme Bandbreite abdeckt, macht Hauptdarstellerin Elisabeth Moss das Thriller-Drama nicht nur sehenswert, sondern auch dann packend, wenn die Story das nicht vermag. Ausstattung, Inszenierung und Besetzung sind durchweg toll zusammengestellt, aber die Mystery-Geschichte entfaltet weder eine Zugkraft, noch ein emotionales Gewicht, um das Publikum in den Bann zu ziehen. Genrefans können bei Shining Girls dennoch Einiges entdecken und die mit diesen Figuren verbrachte Zeit bereut man nicht. Man wünscht sich lediglich, dass sie einen nicht so unerfüllt zurücklassen würde.