Sherlock Holmes [2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Juni 2010
Genre: Action / Krimi

Originaltitel: Sherlock Holmes
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Guy Ritchie
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong, Eddie Marsan, Robert Maillet, Geraldine James, Kelly Reilly, William Houston, Hans Matheson, James Fox, William Hope


Kurzinhalt:
Fünf junge Frauen hatte Lord Blackwood (Mark Strong) bereits bei grauenvollen Ritualen ermordet. Beim sechsten kommen Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) und dessen Assistent Dr. John Watson (Jude Law) rechtzeitig, um Schlimmeres zu verhindern. Blackwood wird verurteilt und gehängt, Watson selbst stellt den Tod des Aristokraten fest. Doch wenig später ist sein Grab leer, von innen aufgebrochen und Blackwood verschwunden. Nicht nur Inspektor Lestrade (Eddie Marsan) steht vor einem Rätsel. London ist in Angst und Schrecken versetzt, zumal nun hochrangige Politiker Blackwood zum Opfer fallen.
Während Holmes versucht, Blackwoods Geheimnis und seinen Absichten auf die Spur zu kommen, bereitet sich Watson auf seine Verlobung und sein Zusammenziehen mit Mary Morstan (Kelly Reilly) vor. Da erhält Holmes Besuch von der hinterlistigen Irene Adler (Rachel McAdams), die irgendwie in den Blackwood-Fall verwickelt scheint – und Holmes schon mehrmals reingelegt hat ...


Kritik:
Über 120 Jahre nachdem die Figur Sherlock Holmes in den Werken von Sir Arthur Conan Doyle zum Leben erweckt wurde, haben nicht nur Kenner der Reihe eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie die Figur und ihr Gefährte Dr. Watson auszusehen haben. So stellt man sich Holmes meist mit einer Pfeife im Mund vor, einer Geige neben sich und dem unverkennbaren Jagdhut. Dr. Watson hingegen müsste eigentlich ein etwas älterer Herr sein, gesetzter und etwas fülliger. Er ist es laut den Büchern und Geschichten, der die Abenteuer des freischaffenden Detektivs im England des späten 19. Jahrhunderts chronologisiert. Tatsächlich gibt Doyle aber weitaus weniger Details zu den Figuren selbst wieder und konzentriert sich vielmehr auf ihre Fähigkeiten. Holmes sagenumwobene Methode der Deduktion beispielsweise, bei der nach Ausschluss aller Widrigkeiten die letzte Möglichkeit, wenngleich auch sehr unwahrscheinlich oder gar unmöglich doch die richtige sein muss. Mit seinem messerscharfen Verstand muss er den Lesern seiner Zeit vorgekommen sein, wie man heutzutage Superhelden wahrnimmt. Seither bestimmten die verschiedenen Darsteller und ihre Interpretationen das Bild, das man als Zuseher von Sherlock Holmes bekam, am einflussreichsten dabei zweifelsohne Basil Rathbone und Nigel Bruce in den 1930er und 40er Jahren. Wollte man die Figuren für ein heutiges Publikum interessant gestalten, müsste man sie zweifelsohne abändern, wobei es im Falle von Sherlock Holmes in manchen Bereichen gar eine Rückbesinnung darstellt. Die Boxervergangenheit beispielsweise wird bei Doyle sogar erwähnt, ebenso wie der Hang des Meisterdetektivs zu Drogenkonsum. Auch steht nirgendwo geschrieben, dass Watson ein drolliger, älterer Kauz sein soll und auch der Jagdhut, inzwischen in das Symbol der Figur aufgenommen, wird nur selten erwähnt. Regisseur Guy Ritchie bringt den Detektiv Holmes im 21. Jahrhundert erneut auf die Leinwand und unterzieht ihn dabei einer Generalüberholung.
Dahin ist die unterschiedliche Statur des Duos Watson und Holmes oder die gemeinhin angenommene Tatsache, dass Holmes der einzige Denker im Team wäre. Auf scheinbar bekannte Floskeln wird ebenso verzichtet, dafür gibt sich Hauptdarsteller Robert Downey Jr. bedeutend agiler und erweckt den Detektiv als eine Art Superagent zum Leben. In der groß angelegten Werbekampagne zur Kinoveröffentlichung wurde besonderer Wert auf die erotischen und komödiantischen Inhalte gelegt, mehr aber noch auf getrickste Actionsequenzen, die zum Teil sogar die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen schienen. Erfreulicherweise gestaltet sich die Gewichtung im Film merklich anders. Sicherlich gibt es einige große Actionmomente, die nicht zuletzt durch Zeitlupen stark stilisiert werden. Auch lässt Regisseur Ritchie seiner kreativen Ader freien Lauf, wenn er mit ungewohnten Schnittfolgen oder beschleunigten Szenen das Geschehen entweder vorgreift, oder rückwirkend anders erzählt. Doch stören diese Elemente überraschenderweise nicht. Denn gleichzeitig kleidet er Sherlock Holmes in zwar geschönte, aber nicht unnatürliche Bilder aus jener Zeit und erschafft ein London im Jahr 1891, das nicht nur durch die noch nicht fertig gestellte Tower Bridge authentisch wirkt. Viel wichtiger aber, wie Holmes Verstand arbeitet wird ebenso beleuchtet, wie selbiger auch gefordert. Die Rätselei um die Zusammenhänge der scheinbar magiebelasteten Zwischenfälle nimmt einen nicht zu unterschätzenden Teil des Films ein, ebenso wie das Vorstellen neuartiger Entwicklungen. Es ist somit ein völlig ungewohntes Bild, das die Zuseher hier vom Meisterdetektiv erwartet, doch es wirkt einerseits stimmig und ehrt gleichzeitig jene Figur, die Fans aus den Romanen und Geschichten kennen, mit unendlichen vielen kleinen Details und Anspielungen. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Watson und Holmes scheint dabei gar nicht übertrieben, zumal der Film zeitlich in jener Epoche angesiedelt ist, die in Doyles Erzählungen ausgegraut wird.

Sherlock Holmes bekommt es dabei mit einem finsteren Lord Blackwood, charismatisch von Mark Strong verkörpert, zu tun, der sich wohl mit finsteren, übersinnlichen Mächten eingelassen hat. Er plant ein schreckliches Verbrechen, das die bekannte Weltordnung ins Chaos stürzen soll, um sich so selbst an die Spitze der Macht zu setzen. Wie er von den Toten auferstehen konnte ist dabei ebenso ein Rätsel wie die Absichten von Irene Adler. Rachel McAdams spielt hier mit Augenzwinkern eine Rolle, die es in der Tat in den Büchern bereits gegeben hatte, auch wenn sie nicht so groß gewesen ist und die Story von Sherlock Holmes eine Eigenkreation darstellt. Downey Jr. und Jude Law mimen gelungen und sympathisch das Duo, das hier wie ein seit Jahren eingespieltes Ehepaar erscheint. Selbst Inspector Lestrade bekommt seinen Auftritt. So unterhaltsam und puzzlereich das auch umgesetzt ist, das Finale hätte man sich etwas ausführlicher gewünscht. Einem Superhelden angemessen eben. Der Sprung hierzu ist den Machern jedenfalls gut und erstaunlich reibungslos gelungen.


Fazit:
Es ist ausgesprochen überraschend, was Guy Ritchie hier gelingt. Seine Interpretation des Sherlock Holmes-Stoffes ist sicherlich moderner und actionreicher, beinhaltet aber nach wie vor alle Krimielemente, die man von den bisherigen Werken gewohnt ist. Die Mischung von bekannten und neuen Elementen, zusammen mit vielen Anspielungen stellt ohne Frage ein Bonbon für die Fans dar. Die Ausstattung ist ebenso makellos wie die Musik zur leichtfüßigen Inszenierung passend.
Nicht zuletzt ist es die selbstironische Darstellung sämtlicher Beteiligter, allen voran Robert Downey Jr. und Jude Law, die Sherlock Holmes zu einem durchweg spannenden und sehr gut gemachten Unterhaltungsfilm werden lässt. Nur verspielter sollte Holmes nächster Fall nicht werden.