Die Abenteuer des Sherlock Holmes [1939]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. August 2003
Genre: Krimi

Originaltitel: The Adventures of Sherlock Holmes
Laufzeit: 85 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1939
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Alfred L. Werker
Musik: Robert Russell Bennett, David Buttolph, Cyril J. Mockridge, David Raksin, Walter Scharf
Darsteller: Basil Rathbone, Nigel Bruce, Ida Lupino, Alan Marshal, Terry Kilburn, George Zucco, Henry Stephenson, E.E. Clive, Mary Gordon


Kurzinhalt:
Mit wichtigen Beweisen, die Professor Moriarty (George Zucco) eines Mordes überführen würden, kommt Sherlock Holmes (Basil Rathbone) zusammen mit seinem Freund Doktor Watson (Nigel Bruce) zu spät im Gericht an – Moriarty wird freigesprochen. Das kriminelle Genie kündigt Holmes gegenüber sogar an, dass er das größte Verbrechen verüben wird, das England jemals gesehen hat, und dass Holmes nichts dagegen tun könne.
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei dem Holmes durch zwei neue Fälle abgelenkt wird: Zum einen soll er Ann Brandon (Ida Lupino) beschützen, die die gleiche Morddrohung erhielt, wie ihr umgekommener Vater und Bruder zuvor, und er soll für Sir Ronald Ramsgate (Henry Stephenson) das Eintreffen eines Schmuckstückes in den Londoner Tower überwachen.
Während Holmes sich dabei immer tiefer in den für ihn naheliegenderen Fall von Lady Brandon verstrickt – in den auch ihr Verlobter Jerrold Hunter (Alan Marshal) verwickelt zu sein scheint – bemerkt der Meisterdetektiv nicht, dass er genau die Spur verfolgt, die Moriarty für ihn gelegt hat. Der führt nämlich ganz anderes im Schilde ...


Kritik:
In seinem zweiten Leinwandabenteuer bekommt es Basil Rathbones Sherlock Holmes gleich mit Erzbösewicht Professor Moriarty zu tun, der sich wie ein roter Faden durch das Leben des Meisterdetektivs zieht – ein kriminelles Genie, das Holmes ansich nur darin nicht ähnelt, dass es zum Erreichen seiner Ziele selbst davor nicht zurückschreckt, Menschen für sich zu missbrauchen und zu töten.
Gerade ihre Vertrautheit untereinander, und das Gentlemen-Benehmen, wenn sie sich in Gesprächen gegenüberstehen, sind es, was die Beziehung zwischen Holmes und seinem Feind auf Lebenszeit interessant macht. Und davon bekommt man in Die Abenteuer des Sherlock Holmes Einiges zu sehen.
Es ist nur schade, dass George Zucco in der Rolle des Moriarty den Zuschauern nicht erhalten geblieben ist, sondern für Sherlock Holmes: Die Geheimwaffe [1942] mit Lionel Atwill ein neuer Schauspieler engagiert wurde.

Das Drehbuch von den Abenteuern des Sherlock Holmes orientiert sich an einer Erzählung von Autor Sir Arthur Conan Doyle und so verwundert auch die Verspieltheit nicht, in der die Protagonisten Moriarty, Holmes und Watson miteinander umgehen.
Wie in Gentlemen-Zeiten können sich die Herren gepflegt unterhalten, bis sie sich dann im Kampf gegenüber stehen. Die Dialoge sind pointiert; besonders Basil Rathbone bekommt einige spitze Kommentare in den Mund gelegt – die allerdings meist auf Kosten seines Assistenten Doktor Watson gehen.
Nichtsdestotrotz versteht es das Skript gut, den eigentlichen Reiz der Geschichte aufzubauen und einzusetzen, nämlich die Tatsache, dass Sherlock Holmes nicht wie sonst den Täter schon lange erraten hat und nur noch die nötigen Beweise sucht, sondern dass er genau in die Hände seines Gegners spielt und dessen Täuschungen auf den Leim geht.
So fragt man sich als Zuseher immer wieder, wie der Detektiv denn nun letztlich noch die Kurve kriegen möchte, um nicht doch als Verlierer aus dem Katz-und-Maus-Spiel hervorzugehen.
Leider verheddert sich das Drehbuch im Mittelteil aber zu sehr im Nebenstrang um Lady Brandon und nimmt sich selbst damit ein wenig Spannung und Tempo aus den Segeln. Beim Zweikampf zum Schluss drehen die Macher dafür noch mit einigen Stunts wieder auf und hinterlassen so trotzdem einen guten Gesamteindruck von ihrem zweiten Film-Abenteuer.

Die Darsteller haben sich nach Der Hund von Baskerville [1939] noch besser in die Rollen eingelebt.
Basil Rathbone hat an dem Skript offensichtlich Gefallen gefunden und spielt den smarten Detektiv wie gewohnt auf eine Art, wie nur er es konnte.
Nigel Bruce muss in den sauren Apfel beißen und sich hin und wieder blamieren, obwohl er ein paar wirklich witzige Szenen zugeschrieben bekam – beispielsweise wenn ihn ein Passant auf der Straße liegend findet.
Dass der junge Billy alias Terry Kilburn nur in dieser Adaption zu sehen war, ist schade, er war in der Rolle recht gut. Fans der Reihe werden sich aber freuen, dass Mary Gordon einmal mehr Holmes' Haushälterin Mrs. Hudson mimt – sie ist in allen Basil Rathbone-Verfilmungen zu sehen.
Ein besonderer Part fiel George Zucco zu, der als Professor Moriarty zu sehen ist; in seiner Rolle scheint er voll aufzugehen, den inneren Antrieb, den Basil Rathbone in seinen Charakter legt, sucht man bei Zucco jedoch vergebens.
Ida Lupino und Alan Marshal spielen tadellos; auch wenn man aus den Rollen sicher noch mehr hätte herausholen können, werden sie ihrer Aufgabe voll und ganz gerecht.

Die Inszenierung von Die Abenteuer des Sherlock Holmes ist durchweg gut gelungen.
Kamera und Schnitt sind solide umgesetzt und fangen das düstere, beunruhigende London um die Jahrhundertwende geschickt ein. Durch viel Licht- und Schatten-Arbeit erzeugen die Macher selbst in unspektakulären Momenten eine angenehme Spannung und dank der etwas flotteren Droschken-Sequenz zum Schluss, die in einem kleinen aber nicht ungefährlichen Stunt gipfelt, hebt sich der zweite Teil der Reihe von den übrigen Verfilmungen angenehm ab.
Die musikalische Untermalung mag zwar recht eintönig klingen, erfüllt allerdings ihren Zweck; lediglich das Holmes-Thema hätte man sich öfter gewünscht.

Mit 85 Minuten zählen die Abenteuer des Sherlock Holmes zu den längsten Rathbone-Werken, vielleicht macht sich deshalb im Mittelteil beim Zuschauer die Langeweile etwas breit – dennoch ist man versucht zu behaupten, dass ein paar Szenen schlicht fehlen.
So hätte der Zuschauer gerne gewusst, wieso Hunter nicht früher über die Bedrohung seiner Verlobten gesprochen hat, sondern sich (mehr oder weniger aufgesetzt) zunächst als Verdächtiger präsentierte. Und auch was aus Moriarty letztendlich geworden ist, bleibt im Dunkeln, ebenso wie der Fall, für den er zu Beginn überhaupt vor Gericht stand.
Die eigentliche Story ist aber interessant und entsprechend solide umgesetzt. Nicht nur angesichts der teilweise schwächeren Verfilmungen der Reihe, die noch folgten, sei Die Abenteuer des Sherlock Holmes Fans wärmstens ans Herz gelegt.


Fazit:
Das zweite Film-Abenteuer um den cleveren Meisterdetektiv mit Basil Rathbone in der Hauptrolle steht dem Vorgänger Der Hund von Baskerville zwar in Spannung und Komplexität nach, dafür können die Macher mit einem interessanteren Gegner – Professor Moriarty – aufwarten, der durchaus schon hier das Zeug zum Erzbösewicht hat.
Leider kann er das in nicht allen Szenen transportieren, doch die intelligente Grundgeschichte, die Holmes lange Zeit in die falsche Richtung laufen lässt, ist das Einschalten für Sherlock Holmes-Fans schon wert.