Red Notice [2021]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 1. Januar 2022
Genre: Komödie / Action

Originaltitel: Red Notice
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Rawson Marshall Thurber
Musik: Steve Jablonsky
Besetzung: Dwayne Johnson, Ryan Reynolds, Gal Gadot, Ritu Arya, Chris Diamantopoulos, Ivan Mbakop, Vincenzo Amato, Rafael Petardi


Kurzinhalt:

Nolan Booth (Ryan Reynolds) ist der zweitbeste Dieb der Welt und hat gerade das erste von drei goldenen Eiern Kleopatras gestohlen, als er von FBI-Profiler John Hartley (Dwayne Johnson) und der Interpol-Inspektorin Das (Ritu Arya) sowie ihrem Team gestellt wird. Doch auch Hartley fällt in Ungnade, als das wahre Ei bei der Verhaftung durch eine Fälschung ausgetauscht wird. So landen John und Nolan in derselben Gefängniszelle und bekommen von dem „Läufer“ (Gal Gadot), der erfolgreichsten Meisterdiebin, ein Angebot unterbreitet. Sie hat für eine Sammlung aller drei Eier einen Käufer gefunden und weiß auch bereits, wo sich das zweite befindet. Aber nur Booth weiß offenbar, wo das verschollene, dritte Ei liegt. Wenn die zwei es für sie besorgen, wird Hartleys Name reingewaschen. So schließen sich die ungleichen John und Nolan zusammen, um den „Läufer“ aufzuhalten – die gleichzeitig auch Das manipuliert, um die beiden Männer aufs Kreuz zu legen …


Kritik:
Ein Großteil des Publikums beklagt nicht zu Unrecht regelmäßig, dass Hollywood mehr bekannte Reihen fortsetzt, als eigenständige Geschichten zu erzählen. Sieht man Rawson Marshall Thurbers Actionkomödie Red Notice, die keine Fortsetzung ist, dann weiß man nicht, ob einem das nächstbeste Comic-Sequel nicht doch lieber wäre. Denn anstatt eine wirklich eigene Story zu erzählen, mixt der Filmemacher zahlreiche bekannte, weit bessere Ideen hier neu zusammen und präsentiert sie in einer Art und Weise, die man trotz des Aufwands nicht besser als als „faul“ bezeichnen kann.

Nach ihrer zuletzt durchaus unterhaltsamen Zusammenarbeit in Skyscraper [2018] vereint Red Notice den Filmemacher erneut mit Hauptdarsteller Dwayne Johnson, der hier in etwa dieselbe Art Figur spielt, die er meistens spielt. Er wird im Film vorgestellt, wie man sich kaum ausmalen mag, dass Figuren in Filmen vorgestellt werden. Innerhalb der ersten Minuten erläutert eine Interpol-Beamtin einem Museumsleiter, dass der von Johnson gespielte John Hartley ein FBI-Profiler ist, einer der besten seines Fachs, selbstverständlich, der nach Rom gekommen ist, um einen Kunstdieb aufzuhalten und der als FBI-Agent „weiß, was er tut“. Eine solch plakative Einführung von Charakteren wiederholt der Film noch öfter, wenn Hartley beispielsweise dem Kunstdieb Nolan Booth sein erstelltes Profil vorstellt, inklusive Erläuterung des familiären Hintergrunds. Anstatt Figuren kennenzulernen, ihre Wesenszüge zu erfahren, werden sie so einfach beschrieben. Booth hatte in Rom ein unbezahlbares Artefakt gestohlen, ein „Ei der Kleopatra“, eines von dreien, wobei das dritte bislang als verschollen gilt. Doch nachdem Booth verhaftet ist, verschwindet auch das Ei und Hartley gerät selbst in das Visier von Interpol, die ihn in ein abgelegenes, russisches Gefängnis bringen lassen, noch bevor er von einem Gericht überhaupt für schuldig befunden wurde.

Über die Logik sollte man sich demnach lieber keine Gedanken machen, die Verantwortlichen haben es definitiv nicht getan. Jedenfalls sitzen Booth und Hartley in derselben Gefängniszelle und sehen sich der weltbesten Kunstdiebin gegenüber, Booths direkter Konkurrentin, genannt „Der Läufer“. Was ein Läufer ist, wird ebenfalls ausgeführt und sie manipuliert Interpol wie Hartley, um zu bekommen, was sie will – alle drei Eier von Kleopatra. Das zweite befindet sich im Besitz eines berüchtigten Waffenhändlers und wo das dritte ist, weiß Booth, dessen Vater von der Suche nach dem Ei besessen war. Das erinnert ein wenig an Indiana Jones und tatsächlich gibt es viele wörtliche Verweise an die Abenteuerreihe sowie einige Szenen, die unmittelbar daraus übernommen wurden. Jedenfalls müssen Booth und Hartley zusammenarbeiten, um den Läufer aufzuhalten und all das soll Red Notice als actionreiche Komödie präsentieren. „Soll“ deshalb, weil das Wenigste wirklich lustig ist. Zugegeben, Humor ist höchst subjektiv, nur wäre es hilfreich, würde das Drehbuch den Figuren überhaupt etwas zu tun geben, um sie als Figuren der Geschichte zu etablieren.

Stattdessen verhält sich Ryan Reynolds genau so, wie man es in den meisten seiner Filme von ihm gewohnt ist, immer mit einem Spruch auf den Lippen, nie ernst und vor allem nie angreifbar. Dwayne Johnson wirkt seine Rolle beinahe auf den Leib geschrieben, mit eben den üblichen, trockenen Kommentaren, dem Hang, die Probleme durch seine Kraft zu lösen. Als dritte im Bunde ist Gal Gadot eben die Art Figur, die sie als Comicheldin Wonder Woman gespielt hat. Wie es ihr möglich sein soll, der physischen Stärke von zwei Männern in einem Kampf gewachsen zu sein, erklärt das Drehbuch aber nicht. Das ist nur einer von vielen Kritikpunkten an Red Notice. Anstatt die Figuren zu etablieren, werden sie nur vorgestellt. So bekommt das Publikum gesagt, Booth sei ein Meisterdieb, ebenso wie der „Läufer“, doch man sieht sie nie etwas stehlen. Wie sich der „Läufer“ in Systeme hackt, bleibt ebenso ein Geheimnis, wie auf welche Weise Booth und Hartley in der streng bewachten Villa des Waffenhändlers eine Ausrüstungstasche mit zahlreichen Gegenständen deponieren konnten. Das Drehbuch überspringt die Zusammenhänge zwischen den Szenen, weil der Film nicht an der Geschichte, sondern an bestimmten Schlüsselmomenten interessiert ist. Beispielsweise einem Kampf in der Asservatenkammer des Waffenhändlers, oder in einem Bunker mitten im Dschungel (immerhin ist dies ein Film mit Dwayne Johnson), aus dem die Helden mit einem über 80 Jahre alten Auto in einem Minentunnel fliehen.

Auch hier gibt es viele Einstellungen und Ideen, die teils bildgetreu aus Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels [2008] oder anderen Teilen der Reihe entliehen sind. Nur sahen sie damals (selbst in den schlecht aussehenden Momenten) besser aus, als hier. Denn vor Ort wurde nur selten gedreht, trotz der exotischen Schauplätze rund um die Welt. Vom künstlichen Sonnenuntergang auf Bali über einen nicht existierenden Dschungel, zu einer Stierkampfarena, die nur im Computer entstand – Red Notice ist voller so offensichtlich mittelmäßiger Trickeffekte, dass man sich durchaus fragen muss, wohin das immense Budget von berichteten 200 Millionen Dollar geflossen ist. Hinzu kommt eine vollkommen unnatürliche Ausleuchtung, die ihr Übriges tut, um die Illusion der Erzählung zu vernichten. Steht Ryan Reynolds im subtropischen Argentinien mit dem Gesicht zur Kamera, die Sonne direkt hinter ihm vollends zu sehen, ist sein Gesicht dennoch makellos und ohne jeden Schatten ausgeleuchtet. Solch optische Unmöglichkeiten finden sich zuhauf und summieren sich zu einer geradezu störendere Optik. Man stelle sich vor, der letzte James Bond-Film wäre nirgendwo vor Ort entstanden, sondern die Hintergründe nur digital eingefügt worden. Ob das Publikum ebenfalls so zahlreich ins Kino geströmt wäre, darf bezweifelt werden.

Abgerundet wird dieser unterdurchschnittliche optische Eindruck durch die schier unbändige Selbstzufriedenheit der Dialoge und Verweise, die beinahe die vierte Mauer zum Publikum durchbricht. Sei es, dass Booth über das Ei Kleopatras als MacGuffin spricht, ein Begriff, den Filmemacher Alfred Hitchcock prägte als Gegenstand, der benötigt wird, um eine Geschichte in Gang zu setzen, für sie selbst aber nicht notwendig ist. Eine Anlehnung an Titanic [1997], ein gepfiffenes Titelthema von Indiana Jones und viele, viele andere Anspielungen sind ebenfalls vertreten, zusätzlich zu vielen sexualisierten Kommentaren zwischen Booth und Hartley, die in der jeweiligen Situation nicht passen wollen. Auch gibt es hier keine Konsequenzen, keinen einzigen, ernsthaften Moment und alle Schurken, die gezeigt werden, selbst wenn sie mitten im Kugelhagel stehen, kommen am Ende ohne Kratzer davon. Red Notice ist derart darum bemüht, Gewalt ohne Brutalität um zeigen, dass man beinahe die vielen, vielen Produktplatzierungen übersehen könnte. Von Getränkeherstellern über Automarken bis hin zu den beiden Getränkemarken, die die Hauptdarsteller Johnson und Reynolds selbst vertreiben und hier medienwirksam inszeniert trinken. Hätten sie jeweils das Getränk des anderen zu sich genommen, hätte man dies ja wenigstens noch als lustig vermarkten können, so ist der Film nicht mehr als eine große Werbeveranstaltung.

Sieht man sich all das an, scheint die interessante Grundidee der goldenen Artefakte der Eier Kleopatras, die obwohl es sie in Wirklichkeit nicht gab, hier überzeugend vorgestellt werden, geradezu verschwendet. Anstatt daraus eine packende, einfallsreiche Story zu entwickeln, stellt Filmemacher Rawson Marshall Thurber seine Stars so vor, wie man sie aus anderen Produktionen kennt. Eine weitere Entwicklung ist offenbar nicht notwendig. Das ist am Ende nur leidlich unterhaltsam und so offensichtlich schlecht getrickst, dass die meisten Miniserien hier mehr überzeugen können. Zu sagen, das ist enttäuschend, ist an sich bereits untertrieben.


Fazit:
Über historische Ungenauigkeiten wie eine aus Nazideutschland stammende Uhr mit einer englischsprachigen Gravur kann man noch hinwegsehen und selbst, dass Gaststars hier auftreten, nur um auf ihre anderen Auftritte in bekannten Produktionen hinzuweisen, könnte man abhaken. Aber dass auf die gesamte Laufzeit von beinahe zwei Stunden nur eine Handvoll Gags kommen, die überhaupt zum Lachen anregen, ist schlicht schwach. Interessanterweise sind das die, in denen die Darsteller entgegen ihr Image agieren. Momente wie die Verfolgungsjagd durch einen Minentunnel oder der Stierangriff gegen Dwayne Johnson sind inhaltlich wie hinsichtlich der Umsetzung Material für die Goldene Himbeere. Die Dialoge nur selten amüsant und so selbstverliebt, als ob die Verantwortlichen unterstreichen wollten, dass sie sich mit der Besetzung ohnehin keine Mühe geben müssten, da ihnen das Publikum in jedem Fall aus der Hand fressen würde. So ähnlich sieht es auch bei der Inszenierung aus, die weder der Idee gerecht wird, noch jemals wirklich Tempo entwickelt. Statt schweißtreibende Action präsentiert Red Notice künstliche Momente, bei denen nie das Gefühl aufkommt, es ginge tatsächlich um etwas. Im Ergebnis ist dies ein Film für das Streamingzeitalter, ein Produkt, das auf die Zielgruppe zugeschnitten ist, ohne Originalität oder einen eigenen Charakter. Zum Abschalten.