Matrix: Reloaded [2003]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Mai 2003
Genre: Science Fiction / Action / Thriller

Originaltitel: The Matrix: Reloaded
Laufzeit: 138 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Andy & Larry Wachowski
Musik: Don Davis
Darsteller: Keanu Reeves, Hugo Weaving, Laurence Fishburne, Carrie-Anne Moss, Harold Perrineau, Jada Pinkett Smith, Monica Bellucci, Gloria Foster, Sing Ngai, Randall Duk Kim, Anthony Wong


Kurzinhalt:
Es sind einige Monate vergangen, seit Neo (Keanu Reeves) erkannte, dass er der Auserwählte ist, und seither wurden viele weitere gefangene Menschen aus der Matrix befreit.
Doch wie aus einer Übertragung der Osiris hervorging, haben die Maschinen einen neuen Plan ersonnen: Sie graben sich ihren Weg direkt in die letzte Zuflucht der freien Menschen und planen die Stadt Zion zu zerstören. Neo, Trinity (Carrie-Anne Moss) und Morpheus (Laurence Fishburne) bleiben weniger als drei Tage, um die Maschinen aufzuhalten.
Das Orakel (Gloria Foster) offenbart Neo, dass er, wenn er die Matrix zerstören möchte, die Hilfe des Schlüsselmachers (Randall Duk Kim) benötigt, der aber wiederum vom "Merowinger" (Lambert Wilson) und dessen Handlangern, darunter zwei gefährliche Zwillinge (Adrian & Neil Rayment), festgehalten wird.
Neo plagen noch ganz andere Sorgen, beunruhigende Träume verheißen ihm die Zukunft, von der er nicht weiß, ob er sie ändern kann – und als wären all dies und die undurchschaubare Persephone (Monica Bellucci) nicht schon schlimm genug, meldet sich auch Agent Smith (Hugo Weaving) wieder zurück, der mit einigen Überraschungen aufwarten kann und eine ganz besondere Beziehung zu Neo hat.


Kritik:
Als im Sommer 1999 die Wachowski-Brüder ihre zweite Regiearbeit ins Kino brachten, glaubte nicht einmal das Studio, dass Matrix eine so große Auswirkung auf das Genre oder das Filmemachen ansich haben würde, wie der Film es letztendlich hatte. Die letzten vier Jahre arbeiteten die beiden Brüder an den Fortsetzungen zu diesem Film, bereits nach dem Start des ersten hatten sie angekündigt, dass Matrix nur der erste Teil einer Trilogie wäre. Doch das Studio wollte zunächst nichts von Fortsetzungen wissen – bis ein Erfolg des ungewöhnlichen Cyber-Thrillers erwiesen war. Alleine 170 Millionen Dollar Einspielergebnis in den USA überzeugten Warner Bros. allerdings von dem Projekt und so durften Andy und Larry Wachowski für einen beeindruckenden Aufwand ihre Vision der Matrix-Trilogie in die Tat umsetzen.
Jetzt startete Matrix: Reloaded in den deutschen Kinos, eine Woche nach Kinostart in den USA; im November wird die Saga mit Matrix: Revolutions zum Abschluss gebracht.
Nach dem grandiosen ersten Teil, dem immensen Produktionsaufwand (die Fortsetzung kostete knapp 130 Millionen Dollar und spielte allein in der ersten Woche in den USA die Kosten wieder ein) und der Geheimnistuerei bei den Dreharbeiten, vor allem aber nach den großspurigen Versprechungen und Ankündigungen von Produzent Joel Silver, war die Erwartungshaltung so groß wie kaum jemals zuvor – und genau das ist das Problem von Reloaded. Wer einen ähnlichen Regiestreich wie beim ersten Film erwartet, und bei jenem neben den phänomenalen Stunt- und Effeltarbeiten auch die Hintergrundgeschichte zu schätzen wusste, wird von Matrix: Reloaded mehr oder weniger enttäuscht werden.

Die Geschichte spielt einige Zeit nach dem ersten Teil und setzt unmittelbar an Der letzte Flug der Osiris [2003] (zu sehen als Vorfilm zur enttäuschenden Stephen-King-Verfilmung Dreamcatcher [2003]) an, einem der neun Animatrix-Kurzfilme, die in Kürze auf Video und DVD erscheinen werden.
Die Ausgangslage ist wirklich interessant und setzt die Hauptakteure ziemlich unter Druck: In weniger als 72 Stunden werden die Maschinen Zion, die letzte Menschenstadt, und alle darin befindlichen Befreiten vernichten. Neo, der Auserwählte, soll laut einer Prophezeiung die restlichen Menschen aus der virtuellen Welt befreien und die Matrix zerstören.
Während die Story ansich durchaus Potential bietet und mit der Menschenstadt Zion ein interessanter Gegenpol geschaffen wird, in dem vor allem der Quasi-Messias Neo in einem neuen Licht erscheint, wirkt der Verlauf im Film bisweilen sprunghaft und unlogisch, vor allem aber nicht ausgenutzt.
Am auffälligsten ist hierbei sicherlich, dass die Macher vieles von dem, was sie im ersten Teil über die Matrix sagten, widerrufen, denn Neo ist auf einmal nicht mehr so allmächtig oder unverletzbar, wie noch am Ende von Matrix.
Vielmehr gibt es dafür nun bedeutend mehr Anomalien und Ausnahmen in der Matrix selbst, um die Geschichte wieder interessant zu machen. Da wären zum einen die Zwillinge, die sich durch alles hindurch bewegen und nicht zerstört werden können. Oder der "Merowinger" und seine beiden Spielzeuge, derer sich Persephone annimmt. Auch der Schlüsselmacher und der Bodyguard des Orakels fallen in diese Kategorie – allerdings muss man sich fragen, wieso das Orakel im ersten Film noch keinen Beschützer benötigte.
Waren in Teil 1 noch die Agenten die mächtigsten Personen in der Matrix, sind sie nun eigentlich eine der schwächsten Fraktionen. Selbst Trinity und Morpheus trauen sich nun zu, gegen sie anzutreten (obwohl die Agenten laut Neo deutlich stärker geworden sind) und gewinnen dabei durchaus das eine oder andere Mal die Oberhand.

Diese Kräfteverschiebung ist aber nicht der größte Kritikpunkt, obwohl die zunehmenden Ausnahmen zur Matrix-Regel Fans des ersten Teils durchaus stutzig machen sollten.
Aufdringlicher ist hingegen, dass die Actionsequenzen und die Hintergründe derselben nicht immer schlüssig sind.
So kämpft Neo mit dem Bodyguard des Orakels und dieser meint am Schluss, dass er nur so feststellen konnte, ob Neo der Auserwählte wäre – dabei ist der Kampf nicht einmal so anstrengend wie das Training mit Neo und Morpheus im ersten Teil.
In einer weiteren Sequenz liefert sich Neo ein minutenlanges Martial-Arts-Duell mit dem vielfach duplizierten Agenten Smith. Nicht nur, dass sich viele Einstellungen und Momente endlos zu wiederholen scheinen, wirkt das Ganze angesichts der Tatsache, wie die Szene aufgelöst wird, vor allem komplett unnötig, denn auf diese Idee hätte Neo schon drei Minuten eher kommen, und sich selbst und dem Zuschauer viel Zeit ersparen können.
Hier wird man das Gefühl nicht los, dass die Kämpfe nur eingebaut wurden, um etwas Action zwischen zwei Gesprächssequenzen einzustreuen.

Leider können auch die nicht mehr uneingeschränkt überzeugen, denn richtige Dialoge sucht man bisweilen vergebens.
Dafür werden ständig neue Figuren vorgestellt, denen wird eine Frage gestellt oder ein Gesprächshappen hingeworfen und anschließend folgt ein zweiminütiger Monolog, in der die Person ihren Zweck in der Matrix erklärt. Als Zuschauer ist das insofern frustrierend, als dass man meist schon zu Beginn weiß, worauf die Person mit ihrem Monolog hinaus will, man sich aber dennoch durch das großteils pseudo-philosophische Gequassel quälen muss.
Gerade bei der ohnehin zumindest im zweiten Teil überflüssigen Figur des "Merowingers" fällt das auf, aber auch beim Monolog des menschlichen Ratsmitgliedes Hamann, gespielt von Anthony Zerbe.
Die Informationen, die in den Monologen vermittelt werden sind dabei nicht unbedingt uninteressant, nur die Art und Weise, wie sie dargebracht werden, macht einen so verkrampften und erzwungenen Eindruck, dass dadurch kein richtiger Erzählrhythmus aufkommen will. Das steigert sich sogar noch, als der Schlüsselmacher kurz vor dem Finale des Films mit seinen Ausführungen beginnt, denn dann werden die Monologe zunehmend technischer Natur – wer wirklich alles inhaltlich verstanden hat, was der als "Architekt" der Matrix bezeichnete Charakter Neo verrät, sollte den Wachowski-Brüdern vielleicht erklären, wie sie es so formulieren könnten, dass man auch als "normaler" Zuschauer durch die verschachtelten und nicht immer logischen Zusammenhänge durchsteigt. Einiges davon mag im dritten Teil gelüftet werden, doch selbst für eine Trilogie ist das kein legitimer Zug. Man kann in folgenden Teilen auf Erklärungen aus den vorangegangenen aufbauen, doch die Zuschauer damit vor den Kopf zu stoßen, dass man Schlüsselelemente erst versteht, wenn man den kommenden Film gesehen hat, ist ein Fehler, den weder Star Wars, noch Der Herr der Ringe gemacht haben. Und in Matrix: Reloaded ist das tatsächlich störend und in keinster Weise episch, sondern höchstens verwirrend und gekünstelt anspruchsvoll. Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass den Drehbüchern zu den Teilen zwei und drei der große schematische Aufbau gefehlt hat.
Mag sein, dass diese Undurchschaubarkeiten sich nach mehrmaligem Anschauen besser erschließen lassen, ein paar direkte Erklärungen, ohne dass es nur bei vagen Andeutungen bleibt, wären bei derart komplizierten Zusammenhängen aber sicherlich von Vorteil gewesen. Zu Matrix fand man vor vier Jahren jedenfalls eindeutig einen leichteren Zugang, der in sich schlüssiger war.

So fragt man sich bei Reloaded am Schluss immer noch, was alle diese Anomalien in der Matrix für einen Sinn und Zweck haben, und wieso die Maschinen sich ihrer nicht entledigen – und was Agent Smith mit dem Angriff auf Neo eigentlich bezweckt, wo er doch nun frei von den Zwängen der Matrix ist?
Neos Visionen verwundern den Zuschauer hingegen hauptsächlich dadurch, dass sie nicht immer als solche zu erkennen sind, und man nie weiß, was real ist, und was nicht. Dass seine Vorahnungen in den Visionen deutlicher sind und länger gehen, als wenn sie dann in Echtzeit im Film passieren, ist eine Entscheidung der Filmemacher, die man ebenfalls nicht nachvollziehen kann. Es wäre doch bedeutend interessanter gewesen, die realen Szenen länger und ausführlicher zu zeigen, als die Visionen zu Beginn?!

Für Sprünge in der Geschichte mag es eine Erklärung geben, das entschuldigt jedoch nicht das Endergebnis. So wurden anscheinend viele Passagen des Films deshalb nicht ausführlich dargestellt, um mit einer geschickten (und erfolgreichen) Marketing-Strategie den Verkauf des zeitgleich mit dem Kinofilm erschienenen Computer- und Konsolenspiels Enter the Matrix anzukurbeln, in dem gerade diese Sequenzen nachgespielt werden können. Das mögen die Macher zwar als finanziellen Geniestreich gesehen haben, doch für den normalen Zuschauer, der nicht das Interesse oder die Zeit hat, solche Spiele zu spielen, sind solche Storylücken vielmehr ein Schlag ins Gesicht.
Das offenbart sich beispielsweise darin, dass man bisweilen gar nicht mitbekommt, was passiert ist. Zum Beispiel erfährt der Zuschauer nicht, was mit der Versammlung zu Beginn geschieht, während Neo bereits mit drei Agenten kämpft. Oder es wird in einem kurzen Gespräch auf einen Gegenangriff eingegangen, den man nie hat stattfinden sehen. Oder Morpheus' Ex-Freundin Niobe kommt ihm während der Freeway-Verfolgungsjagd zu Hilfe, ohne dass man mitbekommt, wie sie ihn überhaupt gefunden hat. Ein anderes Mal explodiert ein Hovercraft der Menschen, nachdem es von Sentinels (Wächtern) angegriffen wurde, doch im Kinosessel sitzend weiß man nicht, welches Schiff das überhaupt war.
Das nimmt allerdings beim Finale wirklich überhand, das der Schlüsselmacher in einem Monolog vorbereitet, und während dem immer wieder Szenen eingestreut werden, von denen man nicht weiß, ob sie nun eine Vorschau sein sollen, oder in Echtzeit stattfinden und der Monolog dafür rückblickend erzählt wird. Auf drei Ebenen spielt sich das Finale ansich ab; von der Ausgangsidee her eine gute Wahl und es bietet viel Potential eine spannende Sequenz umzusetzen. Im Endeffekt dauert alles aber keine zwei Minuten. Wie die Leute dorthin kamen oder wo sie ihre Aufgaben erfüllen müssen, wird nicht erklärt – auch nicht, wie Agent Smith in diese seltsame Zwischenebene mit unzählig vielen Türen gelangt. Insgesamt gesehen ist dieser Abschnitt so prickelnd spannend wie eine Widerholung der Ziehung der Lottozahlen von vor 50 Jahren.
Dass diese Handlungsstränge im Spiel fortgeführt oder gelöst werden, macht einen als gewöhnlichen Zuschauer hingegen vielmehr wütend, weil man um den Unterhaltungsspaß im Kino betrogen wurde. Auch wenn George Lucas mit seinen beiden Star Wars-Prequels Die dunkle Bedrohung [1999] und Der Angriff der Klonkrieger [2002] eine ähnliche Strategie verfolgte, ergaben seine Filme immerhin noch einen Sinn; und im Gegensatz zu der Verhaltensweise der Wachowski-Brüder wirken seine Spungeskapaden geradezu harmlos.

Diese Sezierung des Drehbuches mag nun sehr negativ klingen, allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass sich die Autoren wirklich Mühe gegeben haben, einige neue Dinge zur Matrix selbst zu erklären. Das Problem hierbei ist, dass der Reiz des ersten Teiles war, dass man eben nicht alles wusste. Nun bekommt man vieles vom Hintergrund des Matrix-Konstrukts – in allzu technische Phrasen verpackt – serviert. Doch damit ist es, als hätten Andy und Larry Wachowski ihren Zaubertrick erklärt und sich selbst den Aha-Effekt beim Zuschauer genommen.
Highlights sind hingegen das Treffen mit dem Orakel und wenig später mit dem veränderten Agenten Smith – hier zeigt sich, dass Matrix vor vier Jahren eben kein Zufallstreffer war, sondern die Macher wussten, was sie taten.

Auf darstellerischer Seite gibt es viele neue Gesichter zu sehen, die meist aber auch völlig überflüssig scheinen. Bestes Beispiel sind der französisch sprechende "Merowinger" und seine Gattin Persephone, verkörpert von Lambert Wilson und Monica Bellucci. Die beiden spielen nicht wirklich schlecht, nur ihre Rollen machen im Film auf den ersten Blick keinen richtigen Sinn. Ähnlich ergeht es Sing Ngai, dem Bodyguard des Orakels.
Was bei den neuen Charakteren und Schauspielern auffällt, ist die Tatsache, dass sie in der Matrix meist völlig überdesignt sind; man sehe sich das Aussehen der Zwillinge (Adrian und Neil Rayment) an, oder allein die Frisur von Niobe Jada Pinkett Smith. Solche Figuren waren im ersten Teil nicht nötig, nun erinnert es verteufelt an die lächerliche Mode- und Frisurenshow in Das Fünfte Element [1999]. Die Darsteller sind dabei aber gut besetzt, wenngleich sie hauptsächlich körperlich gefordert sind.
Einzig der Hauptcast, bestehend aus Carrie-Anne Moss, Laurence Fishburne und Keanu Reeves dürfen von ihrem Können einiges unter Beweis stellen – davon häufig aber in Zion und nicht in der Matrix-Welt. Das größte Problem ist sicher, dass sie im ersten Teil alle noch wie menschliche Figuren gewirkt haben, hier scheinen sie vielmehr wie unnahbare, unterkühlte Ikonen, mit denen man bei weitem nicht so leicht mitfiebern, geschweige denn sich identifizieren kann.
Hugo Weaving darf zwar dutzendweise als Agent Smith in Erscheinung treten, von seiner Faszination im ersten Film, ist aber nicht mehr viel übrig geblieben. Seine Bedrohung geht nicht mehr von seiner ruhigen Art aus, sondern mehr von seiner schieren Masse.
Eine interessante und witzige Neuerung ist Harold Perrineau, als Operator und Pilot Link von Morpheus' Hovercraft. Relativ schnell kann er Pluspunkte für sich verbuchen und ist vielleicht den Zuschauern in seinen Reaktionen und Zweifeln am nächsten.
Gloria Foster nochmals in ihrer Rolle als das Orakel zu sehen, stimmt einen als Zuschauer zum einen fröhlich, zum anderen aber auch traurig, immerhin verstarb die Darstellerin während der Dreharbeiten und wird im dritten Film durch eine andere Schauspielerin ersetzt werden müssen. Ebenso erging es der Sängerin Aaliyah Dana Haughton, die ursprünglich die Rolle von Zee spielen sollte, allerdings bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. An ihre Stelle trat Nona M. Gaye, die ihre Sache ebenfalls ganz gut macht.
Die restlichen Nebendarsteller wie Helmut Bakaitis als der Architekt, Randall Duk Kim als der Schlüsselmacher, Harry J. Lennix, der Commander Lock mimt, Anthony Wong in der Rolle des Ghost und Anthony Zerbe als das Ratsmitglied Hamann, sind zwar allesamt gut besetzt, ob insgesamt aber so viele neue Charaktere tatsächlich notwendig waren, ist eine andere Frage.
Auffallend ist, dass Marcus Chong, der im ersten Teil der Trilogie noch Tank spielte, nicht mehr an Bord ist; er zerstritt sich mit den Produzenten über seine Gage und wurde deshalb aus dem Film geschrieben.

Die Inszenierung ist, wie der Film ansich, sehr schwer zu bewerten.
Der erste Film glänzte mit einer durchdachten, innovativen und doch eingängigen Erzählweise, die man hier gerade bei den Actionszenen mitunter stark vermisst. Zum Teil liegt es in gewisser Hinsicht am Zusammenspiel vieler Elemente, die nicht richtig zusammenpassen wollen.
So beispielsweise während der Tanzszene in Zion, die mit einer Liebesszene zwischen Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss montiert wurde. Nicht nur, dass das ekstatische Gehüpfe der Zioneinwohner frappierend an einen Bacardi-Werbespot erinnert, wirkt die Szene insgesamt viel zu lang, auch wenn die Musik sehr rhythmisch geraten ist, und schnell auf den Zuschauer übergeht. Die Idee allerdings, eine Sex-Szene auf diese Art zu verpacken, ist ziemlich klischeebehhaftet und altbacken. Eine ruhigere und emotionalere Liebesszene, die sich nur auf die beiden Charaktere konzentriert hätte, wäre sicherlich erotischer und bewegender gewesen.

Insgesamt erscheinen Kamera und Schnitt längst nicht mehr so durchdacht eingesetzt, wie bei Matrix, und auch nicht wie bei dem ersten Film der Wachowski-Brüder, Bound – Gefesselt [1996].
Offensichtlich wird das in den Actionszenen, die sich meist viel zu lange ohne richtige Höhepunkte hinziehen und in sich selbst ständig wiederholen. Bestes Beispiel ist hier der bereits angesprochene Kampf gegen die 100 Smiths, der zu Beginn noch Spaß macht, doch wenig später sieht man dann immer dasselbe Schema: Neo kloppt einen zur Seite, und schon ist der nächste da. Dabei verliert man aufgrund der Tatsache, dass alle Charaktere gleich aussehen (auch Neo fällt mit seiner Kleidung und Sonnenbrille nicht mehr auf) nicht nur den Überblick, sondern auch schnell das Interesse, da man gar nicht mehr erkennt, wer eigentlich gegen wen kämpft.
Hinzu kommt, dass in Matrix: Reloaded viel zu häufig eine Bullet-Time-ähnliche Kameratechnik eingesetzt wird, die durch die unzähligen Zeitlupen viel mehr Geschwindigkeit aus der Szene nimmt, als dass sie hineingibt. Gerade der angesprochene Smith-Fight präsentiert sich zum Ende hin fast nur noch als Slow-Motion-Kameraeinstellungen.
Der befürchtete "Zuckerschock" durch die unzähligen Bonbons für's Auge droht viel zu oft, auch wenn er glücklicherweise selten eintritt. Dabei vermisst man aber jeweils die i-Tüpfelchen der Actionszenen, die den ersten Teil veredelt haben und jenen Film in die Kinogeschichte eingehen ließen. Stattdessen wird geklotzt, nicht gekleckert. Mit Action-Bombast werden die Sinne bombardiert; was aber fehlt, ist das besondere Element, das wirkich mitreißen kann, und wirkliche Überraschungen innerhalb der Action sucht man oft vergebens.
Lobenswerte Ausnahmen sind hierbei die Freeway-Autoverfolgungsjagd und der davor stattfindende Martial-Arts-Schwertkampf. Der Aufwand war hierbei zweifelsohne immens groß, wie während der restlichen Produktion, doch bei der Inszenierung vermisst man das Genie in der Federführung; es mag zwar zahlreiche ungewöhnliche Kamerafahrten geben, die aber keinen anderen Sinn und Zweck zu haben scheinen, als zu demonstrieren, was technisch heute machbar ist.
Sicher und offensichtlich waren beinahe alle Szenen lange vorher so geplant, und die Macher wollten genau das zeigen, was letzlich auf der Leinwand zu sehen ist – doch das, was sie zeigen, wirkt bei weitem nicht mehr so ausgefeilt und detailfreudig, wie noch beim ersten Film.
Was sich die Wachowski-Brüder allerdings bei der Szene gedacht haben, in der die Kamera in der Ansicht des Matrix-Codes in den Genitalbereich einer Frau hineinfährt, wird wohl ihr Geheimnis bleiben; die Sequenz ist schlicht geschmacklos, überflüssig und vor allem fehlplatziert. Ähnlich sieht es auch mit einer Wiederbelebungsszene aus, die von der Idee her zwar ganz nett sein mag, aber im Film billig und klischeehaft wirkt.

Bereits mit Matrix wurde die Qualität von Spezialeffekten in Filmen eine Stufe höher gelegt, mit Reloaded versprachen die Macher, ebenfalls nachzulegen, und das ist ihnen zweifellos gelungen. Die meisten der Effekte sehen absolut hervorragend aus und lassen, insbesondere bei den Szenen in Zion, keine Wünsche offen; man könnte ewig auf die einzelnen Bilder starren und würde immer wieder neue Details erkennen. Dem gegenüber sind aber insbesondere die Studioaufnahmen, die in der Matrix spielen, sehr steril und unnatürlich, wozu ohne Frage die künstliche Beleuchtung sehr viel beiträgt.
Doch wo Licht, ist bekanntermaßen auch Schatten: Diejenigen Effekte, bei der die Menschen vor computergeneriertem Hintergrund agieren, sind ausgezeichnet, wenn jedoch computergenerierte Figuren zu sehen sind, wendet sich das Blatt sehr schnell. Insbesondere bei der Auflösung der Freeway-Szene, oder dem Kampf mit den unzähligen Smith-Agenten erkennt selbst das ungeübteste Auge, dass mache Personen einfach nicht real sind. Dafür bewegen sie sich zu schnell, oder verrenken sich in Positionen, die anatomisch unmöglich sind – selbst Neo ist bisweilen biegsam wie ein Gummiball. Man merkt einfach, dass es nur digitale Kopien der Figuren sind, und keine echten Darsteller. Auch bei Neos Flugszenen gibt es ein paar Einstellungen, in denen das auffällt.
Meist jedoch sind die Spezialeffekte sehr gut und übertreffen diejenigen von Star Wars – Episode II: Angriff der Klonkrieger vor allem durch die Verschmelzung von CGI und Realaufnahmen deutlich; an die Qualität der ersten beiden Herr der Ringe-Filme kommen sie allerdings oft nicht ganz heran.

Die musikalische Untermalung von Don Davis ist ebenfalls wirklich gut geraten, obwohl man eine durchgängige Melodie ein wenig vermisst; dafür besitzen die Actionszenen, die in Kooperation mit anderen Musikern entstanden sind, meist jeweils eine Melodie, die sich aber dafür in keiner anderen Actionsequenz wiederfindet. Insgesamt gesehen ist der Score überzeugend, sehr hörbar und eingängig, wenn auch nicht so überragend, wie der zum ersten Film.
Beim Abspann krachen dafür alle möglichen Songs aus dem Album über die Lautsprecher. Für Fans dieser Art von Musik sicherlich unterhaltsam, alle anderen werden sich aber die Ohren zuhalten müssen. Lobenswert, dass dies während des Films nicht so ist. Ärgerlich ist es bei der Abspannmusik aus dem Grund, weil man diese als Zuschauer immerhin aushalten muss, wenn man in den Genuss des kurzen Teasers für Teil 3, Matrix: Revolutions, kommen möchte, der am Ende des Abspanns gezeigt wird.

Wie bereits bei Matrix einige Jahre zuvor, gab es auch hier aufgrund der anstrengenden Arbeiten an dem Film einige Verletzungen unter den Darstellern; so brach sich Carrie-Anne Moss während des Trainings das Bein, Laurence Fishburne hingegen den Arm bei einer anderen Gelegenheit, und Hugo Weaving verletzte sich am Nacken, als er von einem Kabel rückwärts gezogen wurde.
"Totalschaden" gab es allerdings nur bei einigen Spezialeffektefirmen, die während der Arbeit an den beiden Fortsetzungen – die am Stück abgedreht wurden – bankrott gingen, kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Arbeiten daran insgesamt vier Jahre betrugen. Alleine an dem Kampf gegen die unzähligen Smiths saßen die Pixel-Künstler zwei Jahre – wobei man aber anmerken muss, dass nicht alle Smiths von Hugo Weaving gespielt wurden; vor den Dreharbeiten wurden Männer mit ähnlichem Aussehen und ähnlicher Figur gesucht, deren Gesichter anschließend durch das von Weaving per CGI ersetzt wurden).
Bei Matrix: Reloaded und Revolutions verschlangen allein die Spezialeffekte angeblich über 100 Millionen Dollar; Hauptdarsteller Keanu Reeves wollte gar seine Beteiligung am Einspielergebnis aufgeben, die ihm 38 Millionen Dollar eingebracht hätte, da die Produzenten fürchteten, der Film würde seine Kosten nicht mehr einspielen können.
Die Freeway-Verfolgungsjagd war indes nur möglich, da die Macher einen zwei Meilen langen Freeway nachbauen ließen, dessen Bau alleine 2,4 Millionen Dollar gekostet hat. Insgesamt 45 Tage dauerten die Dreharbeiten dort an, mehr als manche Filme insgesamt benötigen – die Massenkaramboulagen und Effekte der Sequenz verschlangen allein knapp 40 Millionen Dollar. Für den Film stellte General Motors im übrigen 300 Autos zur Verfügung, kein einziges davon war am Schluss noch heil.
Die Tatsache, dass man von den Wachowski-Brüdern zum zweiten Teil keinerlei Interviews oder ähnliche Promotion-Auftritte gesehen hat, ist – nebenbei bemerkt – kein Zufall: Ihr Vertrag für die Arbeiten an Matrix: Reloaded und Revolutions beinhaltete eine Klausel, wonach sie keinerlei Öffentlichkeitsarbeit zu leisten haben; so wollten die Macher ihre Privatsphäre wahren und ihre Filme für sich selbst sprechen lassen.

Selten gab es einen Film, der so schwer zu bewerten war.
Reloaded ist nicht nur im Vergleich zur Konkurrenz ein erstklassig gemachter Film, selbst gegenüber Teil 1 ist eine deutliche Steigerung in technischer Hinsicht sichtbar.
Doch man wird als Zuschauer das Gefühl nicht los, dass es sich dabei eben um nicht viel mehr als eine gigantische und immens teure Technik-Demonstration handelt, mit der die Macher gezeigt haben, was man heute mit Hilfe modernster Mittel alles anstellen kann.
Inhaltlich macht der Film zwar einen komplexen Eindruck, wenn man aber die vielen philosophischen Monologe und das technische Gerede, das einen mehr verwirrt, als es im ersten Teil der Fall war, herausnimmt, bleibt nicht mehr allzu viel übrig.
Das macht Matrix: Reloaded jedoch nicht zwangsläufig zu einem schlechten Film, immerhin ist er unterhaltsam und man interessiert sich eigentlich durchgängig für das, was auf der Leinwand passiert – doch das Flair des ersten Films und teilweise auch der Charaktere, die dort eingeführt wurden, wirkt hier angerostet und doch auf Hochglanz poliert. Als Film macht der zweite Teil der Trilogie durchaus Spaß anzuschauen, wenn man sich an der teils unschlüssigen und verwirrenden Story nicht stört. Und im Kontext mit den anderen beiden Filmen wird er vermutlich deutlich besser wirken, aber am anschaulichsten formuliere ich es vielleicht so:
Wenn ich eine viertel Stunde Zeit habe, mir auf DVD eine spannende und mitreißende Autoverfolgungsjagd anzusehen, und ich mich zwischen Matrix: Reloaded und Ronin [1998] entscheiden muss, müsste ich nicht lange überlegen, meine Antwort wäre eindeutig Ronin. Jene Verfolgung durch Paris und später in entgegengesetzter Richtung über die Schnellstraße wirkt einfach realer, greifbarer und echter – und das obwohl, oder gerade weil sie gänzlich ohne Spielereien wie die Bullet-Time-Kamera auskommt.
Wollte ich mir eine Kampfszene anschauen und hätte zwischen Matrix: Reloaded und Matrix die Wahl, so fiele sie ohne zu zögern auf Matrix; die Lobby und der Zweikampf gegen Smith am Schluss machen einfach mehr Spaß und beziehen einen mehr ein, als das, was man in Reloaded zu sehen bekommt.

Als Matrix-Fan und Zuschauer sollte man bei Reloaded allerdings auf jeden Fall während des Abspanns im Kinosessel sitzen bleiben, denn nach den Credits bekommt man einen ersten Eindruck auf das, was das Publikum in Matrix: Revolutions erwartet. Dann sollen laut den Machern auch die wahren Innovationen in der Story folgen – man kann's nur hoffen und wartet gespannt auf den November.


Fazit:
Am Ende von Reloaded bleibt die Erkenntnis, dass der Film eben nur das ist: Ein Film.
Es ist kein Meisterwerk, auch wenn die Qualität und Quantität der Tricktechnik noch weiter nach oben geschraubt wurde. Inhaltlich zeichnete den Vorgänger aus, dass man eben nicht alles über die Matrix wusste, hier werden dem Zuschauer mit allerlei Technik-Gebrabbel Pseudo-Erklärungen geliefert, die in sich aber nicht hundertprozentig schlüssig sind und Vieles aus dem ersten Teil widerrufen. Die Actionszenen sind durchweg gut geraten, auch wenn nur die Freeway-Verfolgungsjagd und der davor stattfindende Schwertkampf letztlich vollends überzeugen können.
Zum Schluss hin wirkt der zweite Teil der Trilogie hingegen völlig unnötig gehetzt, so dass man als Zuschauer nicht mehr richtig mitfiebern kann.
In Matrix fühlte man sich noch als Teil der Matrix – hier allerdings ist man lediglich ein eher teilnahmsloser Beobachter, der die Magie und Knalleffekte der ersten Geschichte schmerzlich vermisst, obwohl  Matrix: Reloaded immer noch unterhaltsam genug für einen gelungenen Kinoabend ist.
Technisch top, inhaltlich der unnötige Aufguss einer genialen Story, die aber eigentlich nicht hätte weitererzählt werden müssen.