Kidnap [2017]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. September 2017
Genre: Thriller

Originaltitel: Kidnap
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Luis Prieto
Musik: Federico Jusid
Darsteller: Halle Berry, Sage Correa, Chris McGinn, Lew Temple, Jason George, Arron Shiver, Kurtis Bedford, Carmella Riley, Christopher Berry, Brice Fisher


Kurzinhalt:

Nach einer anstrengenden Schicht im Diner freut sich die allein erziehende Kellnerin Karla (Halle Berry) darauf, Zeit mit ihrem achtjährigen Sohn Frankie (Sage Correa) zu verbringen. Doch der Nachmittag im Park endet in einem Alptraum: Als Karla nach einem kurzen Telefonat mit ihrem Anwalt an den Platz zurückkehrt, wo Frankie kurz zuvor gesessen hat, ist ihr Sohn verschwunden. Ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als sie mitansehen muss, wie Frankie auf dem Parkplatz in ein Auto gezerrt wird. Karla nimmt mit ihrem Wagen die Verfolgung auf und weiß genau, dass wenn sie sich abschütteln lässt, sie ihren Sohn nie wieder sieht …


Kritik:
Wenn ein Film nach der Fertigstellung auf Grund von finanziellen Schwierigkeiten des Vertriebsstudios zwei Jahre braucht, um veröffentlicht zu werden, dann lässt das – wenn auch nicht zuverlässig – Rückschlüsse auf das glückliche Händchen des besagten Vertriebs bei dem Erwerb von profitablen Filmen zu. Es klingt, als würde man Kidnap damit werten, auch wenn das an sich nicht der Fall ist. In dem Entführungsthriller kämpft Halle Berry als allein erziehende Mutter gegen die Entführer ihres Sohnes und es ist bemerkenswert, wie viel Energie sie offensichtlich in ihre Rolle packt. Dass der Film dem am Ende nicht gerecht wird, ist deshalb umso bedauerlicher, da aus der Idee ein durchaus packender Thriller hätte werden können.

Karla Dyson bestreitet ihren Lebensunterhalt als Kellnerin und versorgt damit sich und ihren Sohn Frankie. Nachdem sie sich aus der Arbeit an einem typisch stressigen Tag losreißen kann, um Zeit mit Frankie im Park zu verbringen, übermittelt ihr Anwalt ihr die Hiobsbotschaft, dass ihr Ex-Mann das alleinige Sorgerecht beantragen will. Unmittelbar danach muss sie mit Schrecken feststellen, dass ihr Sohn verschwunden ist. Auf der Suche kann sie noch sehen, dass er in ein altes Auto auf dem Parkplatz gezerrt wird. Karla nimmt die Verfolgung auf, ohne Mobiltelefon oder die Möglichkeit, Hilfe zu holen.

Es gibt mehrere Richtungen, in die sich das Geschehen davon ausgehend entwickeln könnte, man erinnere sich an den nicht nur überaus unterhaltsamen, sondern auch spannenden Final Call - Wenn er auflegt, muss sie sterben [2004]. Zu Beginn hat es auch den Anschein, als könnte Kidnap aus einer einzigen, langen Verfolgungsjagd bestehen, die aus der Sicht von Karla erzählt wird, im Stile von No Turning Back [2013]. Dass Hauptdarstellerin Halle Berry, die hier auch als Produzentin tätig war, dem mühelos gewachsen ist, steht außer Frage. Sie gibt sich auch sichtlich Mühe, die Verzweiflung der Mutter zum Ausdruck zu bringen und wenn sie aus der passiven Verfolgerin zum Angriff gegen die Entführer übergeht, fiebert man auch durchaus mit ihr mit. Nur legt ihr das Drehbuch so viele unnötige Dialoge in den Mund, dass man am liebsten weghören möchte.
Nicht nur, dass sie all ihre Gedanken aussprechen muss, selbst wenn ihre Mimik bereits genügend verraten würde, es gibt Abschnitte im Film, in denen sie alle zehn Sekunden "Oh mein Gott" sagt und das minutenlang. Schickt sie dann noch ein Stoßgebet gen Himmel, ist das noch das Tüpfelchen auf dem i.

Doch die eigentliche Enttäuschung bei Kidnap ist nicht das Drehbuch; die Idee an sich entwickelt sich in einigen Momenten in unvorhersehbare Richtungen weiter und treibt den Thriller wenigstens voran. Vielmehr lässt die Inszenierung selbst zu wünschen übrig. Nicht nur, dass Filmemacher Luis Prieto manche Momente mit schwarzen Bildern zwischen den Übergängen in Szene setzt, als handle es sich um eine Filmvorschau und nicht um den Film selbst, die Verfolgungsjagd ist derart wackelig und unübersichtlich inszeniert, dass selbst die guten Stunts darin untergehen.

Gleichzeitig ist der Thriller übersät mit Füllaufnahmen, die die Geschichte in keinster Weise voranbringen. Sei es der überlange Prolog in Karlas Diner, wo sie sich mehreren anstrengenden Gästen gegenübersieht. Anstatt dies an einem Beispiel zu verdeutlichen, stellt Prieto mehrere dieser Begegnungen vor und lässt beinahe eine Viertelstunde verstreichen, ehe sich Kidnap von der Stelle bewegt.
An anderer Stelle sehen wir eine halbe Minute mit Blick auf den Mittelstreifen der Straße, wie die Zeit während der Fahrt vergeht – wer allerdings erwartet, dass die Perspektive langsam nach vorn gerichtet wird und Karlas Auto oder das der Entführer zu sehen sein wird, der irrt. Ein solcher Szenenaufbau ist dem Film nicht vergönnt.

Es ist, als wäre die Produktion darum bemüht gewesen, eine Laufzeit von wenigstens eineinhalb Stunden zu erreichen, was zumindest die für die Geschichte nicht nötigen Videos bzw. Bilder aus dem Privatleben von Karla und Frankie während des Vor- und Abspanns erklärt. Viele Abschnitte sind unnötig lang und tun dem Erzählfluss des Films nicht gut. Dass Halle Berry sich nach Kräften bemüht, dem entgegen zu spielen, macht das Ergebnis zumindest über weite Strecken unterhaltsamer. Bedeutend besser macht es das aber leider nicht.


Fazit:
Die musikalische Untermalung erinnert an vielen Stellen an Hans Zimmers wuchtige Kompositionen zu Blockbustern wie The Rock - Fels der Entscheidung [1996]. Aber während die Bilder die frenetische Unübersichtlichkeit der Autoverfolgungsjagd jenes Actionklassikers imitieren, erscheint das Chaos nie in dem Sinne komponiert. Regisseur Luis Prieto weiß seine Hauptdarstellerin durchaus zu fordern und Halle Berry beeindruckt als verzweifelte Mutter, die im Kampf um ihren Sohn über sich hinauswächst. Der Thriller könnte eine packende Story bieten, doch viele Szenen und Einstellungen sind zu langgedehnt. Die Geschichte tritt so lange in den Hintergrund, bis sie beinahe vergessen ist und die Actionhighlights sind im besten Fall ungelenk inszeniert. Kidnap ist dabei kein außergewöhnlich schlechter Film, nur bedauerlicherweise kein guter, obwohl einige Wendungen durchaus überraschend präsentiert werden. Es ist ein Thriller, bei dem man – sollte man zufällig einschalten – dabei bleiben wird, um zu wissen, wie es ausgeht. Deshalb einschalten wird man eher nicht.