It Comes at Night [2017]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 4. November 2018
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: It Comes at Night
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Trey Edward Shults
Musik: Brian McOmber
Darsteller: Joel Edgerton, Christopher Abbott, Carmen Ejogo, Riley Keough, Kelvin Harrison Jr., Griffin Robert Faulkner, David Pendleton, Mikey, Chase Joliet, Mick O'Rourke


Kurzinhalt:

Nachdem eine hochansteckende und tödliche Seuche ausgebrochen ist, hat sich Familienvater Paul (Joel Edgerton) mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) und ihrem Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) in einem Haus in den Wäldern verschanzt. Paul hat strikte Regeln aufgestellt, welche Bereiche des Hauses nicht betreten werden dürfen, da die Zugänge alle abgeriegelt sind, und dass nur mit Atemschutzmasken nach Draußen gegangen werden darf. Eines Nachts stellt die Familie einen jungen Mann, Will (Christopher Abbott), bei dem Versuch, in das Haus einzubrechen. Er behauptet, auf der Suche nach Wasser für seine Frau Kim (Riley Keough) und seinen Sohn Andrew (Griffin Robert Faulkner) zu sein. Damit stehen Paul und Sarah vor der Frage, ob sie Will vertrauen und seine Familie zu sich holen, oder sich weiter alleine durchschlagen sollen. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr wird deutlich, dass nicht nur von außen Gefahr droht, sondern das eigene Misstrauen und die Weigerung, das Offensichtliche zu erkennen, ebenso große Bedrohungen sind …


Kritik:
Trey Edward Shults’ It Comes at Night ist ein ruhig erzählter, atmosphärischer und mitunter durchaus unheimlicher Horrorfilm, der jedoch weder seinem Titel, noch seiner Ausgangslage gerecht wird. Erinnert das Setting an die derzeit florierende Wiederbelebung des Zombie-Genres, bleibt der Film am Ende nicht nur viele Antworten schuldig. Es ist vielmehr, als würden die Figuren im Zentrum der kammerspielartigen Story diese Fragen gar nicht stellen. Für das Publikum bleibt das am Ende zumindest unbefriedigend.

Dabei vermittelt bereits der wenige Minuten dauernde Teaser eine beklemmende und trostlose Stimmung, aus der sich eine eingangs überaus interessante Geschichte entwickelt. In deren Zentrum stehen Paul, Sarah und ihr Sohn Travis, die sich in einem verlassenen Haus in den Wäldern verbarrikadiert haben. Eine Seuche scheint die Menschheit dahingerafft bzw. infiziert zu haben. Sie ist wohl hoch ansteckend und zeigt nach kurzer Zeit bereits Symptome. Sobald sie draußen unterwegs sind, tragen Paul und die anderen Atemmasken und Handschuhe – und sind bewaffnet. Wie lange die Situation schon so ist, wie viele infiziert sind, verrät It Comes at Night nicht. Auch woher Paul und Sarah wissen, dass die Atemschutzmasken und Handschuhe vor der Seuche schützen, oder dass man Infizierte verbrennen muss, wird nicht geklärt. Das Skript nimmt die Möglichkeit, diese Fragen des Publikums zu erörtern, nicht einmal dann wahr, wenn in das Haus der drei eingebrochen wird. Will ist dabei auf der Suche nach Wasser für seine Familie, die in einem verlassenen Haus in der Nähe Unterschlupf gefunden hat. Gegen seine eigenen Bedenken entscheiden sich Paul und Sarah, Will, seine Frau Kim und ihren kleinen Sohn Andrew bei sich aufzunehmen.

Auch aus diesen geänderten Gegebenheiten ließen sich packende Konflikte heraufbeschwören. So ist der jungendliche Travis merklich fasziniert davon, mit Kim eine junge Frau im Haushalt zu sehen. Ebenso gäbe es die Möglichkeit, die Machtverhältnisse zwischen Paul und Will langsam zu verschieben. Doch diese Mühe macht sich It Comes at Night nicht. Stattdessen bleibt die Bedrohung durch die äußeren Umstände bestehen, ehe sich auf Grund einer Storywendung beim Finale der Spieß umdreht, so dass der wahre Horror derjenige ist, was die Menschen in ihrer Paranoia bereit sind zu tun.
Der Titel scheint sich am ehesten auf Travis’ Alpträume zu beziehen, die er nachts hat und die für den sichtbaren Horror sorgen, während tagsüber eine bedrohliche Atmosphäre erhalten bleibt. Obwohl es sich bei den wenigen Figuren anbieten würde, diese näher zu beleuchten und auch zu schildern, wie sie jeweils an dem Punkt angekommen sind, an dem sie sich begegnen, weiß das Skript mit ihnen nichts anzufangen. Außer Pauls und Wills früheren Berufen wird nichts weiter enthüllt. Sie tauschen sich über die Zeit vor der Seuche auch nicht weiter aus, so dass dem Publikum wenigstens Anhaltspunkte geliefert würden, was geschehen ist.

Nur machen es diese Beschränkungen unnötig schwer, mit den Figuren in ihren ausweglosen Situationen mitzufiebern. Ob sie an sich gute Menschen sind, die zu außergewöhnlichen Entscheidungen gezwungen wurden, oder sie in dieser Welt, in der das Gesetz der Stärkeren gilt, aufblühen, wird nicht ersichtlich. It Comes at Night erweckt den Eindruck, als hätte sich Filmemacher Shults lediglich auf die handwerkliche Umsetzung konzentriert. Kamera und Schnitt sind dabei gut gelungen und tragen ebenso wie die starke Besetzung zu der bedrückenden Atmosphäre bei. Die Idee, beim Finale ganz langsam den Bildausschnitt zu verengen, indem das Bildformat einen immer schmaler werdenden Ausschnitt zeigt, ist eine tolle Idee und verdeutlicht, dass sich der Regisseur durchaus damit beschäftigt, was in seinen Figuren vorgeht. Nur lässt er sie dies nicht zu Wort bringen. Der Film bietet einen stetigen Spannungsaufbau, ohne dass er irgendwo hinführen würde. Aber ohne ein Ziel vor Augen, fehlt die Motivation, den Figuren auf ihrer Reise folgen zu wollen.


Fazit:
Von der ersten Minute an prägt Filmemacher Trey Edward Shults die Atmosphäre seines Horror-Thrillers und baut an den Schlüsselmomenten eine beklemmende Spannung auf. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass er trotz allem eine wirkliche Erklärung schuldig bleibt, in welcher Welt sich die Figuren befinden und was diese Umgebung mit ihren Persönlichkeiten anrichtet. Statt die wenigen Charaktere zu entwickeln, sie auszuloten und umfassend vorzustellen, bleiben sie überraschend eindimensional. Dass der Horror letztendlich nirgendwohin führt, macht die Enttäuschung bei It Comes at Night umso größer. Die Besetzung ist stimmig und merklich bemüht, aber sie kann schließlich nur mit dem arbeiten, was das Drehbuch ihr an die Hand gibt. Wäre dies der Abschlussfilm eines Hochschulabsolventen, der demonstrieren wollte, was er handwerklich gelernt hat, müsste man dem Regisseur gratulieren, denn handwerklich gibt es nichts zu bemängeln. Nur kann die Story damit nicht mithalten.