Hard Powder [2019]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. Februar 2019
Genre: Thriller / Drama / Action

Originaltitel: Cold Pursuit
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: Großbritannien / Norwegen / Kanada / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Hans Petter Moland
Musik: George Fenton
Darsteller: Liam Neeson, Laura Dern, Emmy Rossum, Tom Bateman, William Forsythe, Julia Jones, Tom Jackson, Domenick Lombardozzi, Raoul Trujillo, Benjamin Hollingsworth, John Doman, Aleks Paunovic


Kurzinhalt:

Im Grunde führt Nelson Coxman (Liam Neeson) in dem Skiort Kehoe in den Rocky Mountains ein beschauliches Leben mit seiner Frau Grace (Laura Dern). Ihr Sohn Kyle (Micheál Richardson) arbeitet am Flughafen, während Nelson den Schneepflug fährt, damit der Ort auch durch den Straßenverkehr zugänglich bleibt. Als Kyle tot aufgefunden wird, bricht für Nelson und Grace der Alltag auseinander. Im letzten Moment erfährt er, dass sein Sohn mit einer Überdosis ermordet wurde. Auf Rache aus, arbeitet sich Nelson den Weg in der „Lieferkette“ nach oben. Während Polizistin Kim (Emmy Rossum) bereits ahnt, dass das Drogenmilieu im Spiel sein muss angesichts der Leichen, die sich in der beschaulichen Kleinstadt türmen, spielt Nelson ohne es zu ahnen die beiden Drogenkartelle von Viking (Tom Bateman) und White Bull (Tom Jackson) gegeneinander aus und beginnt damit einen Revierkrieg, bei dem er selbst im Zentrum steht …


Kritik:
Es scheint wenig originell, einen weiteren Thriller mit Liam Neeson in der Rolle des einsamen wie schweigsamen Rächers zu besetzen, zumal der charismatische Mime seit Jahren auf diese Art Rolle abonniert scheint. Doch das heißt nicht, dass es nicht funktionieren könnte. Warum es das in Hard Powder nicht tut, liegt vielmehr daran, wie Filmemacher Hans Petter Moland seinen eigenen preisgekrönten norwegischen Crime-Thriller Einer nach dem anderen [2014] für das Remake adaptiert.

Dabei ist es durchaus bezeichnend, dass Hard Powder bereits vor zwei Jahren gedreht wurde, aber erst nun in die Kinos kommt. Die Kontroversen um Interviewäußerungen des Hauptdarstellers, die dafür sorgten, dass die Filmpremiere in New York abgesagt wurde, sollen hier allerdings außer Acht gelassen werden. Neeson schlüpft in die Rolle des einzelgängerischen und schweigsamen Nelson „Nels“ Coxman, der in dem Wintersportort Kehoe als Bürger des Jahres geehrt wird. In der idyllischen Schneelandschaft der Rocky Mountains sorgt Nels mit seinem Schneepflug dafür, dass die Zufahrtsstraßen frei bleiben. Als sein Sohn Kyle mit einer Überdosis Heroin im Blut tot aufgefunden wird, akzeptiert seine Frau Grace, dass sie ihren Sohn offensichtlich nicht kannten. Nels verzweifelt beinahe daran und erfährt im allerletzten Moment, dass Kyle von einem Drogenhändler ermordet wurde. Daraufhin begibt er sich auf einen Rachepfad, auf dem sich alsbald nicht nur Leichen türmen, sondern auf dem sich Nels dem Drogenbaron Viking nähert, für dessen Vater Nels eigener Vater und sein Bruder einst gearbeitet haben.

Es gibt insofern an sich bei Hard Powder genügend aufzuarbeiten und sieht man, welche Kreise Nelsons Racheakte ziehen, dann wird durchaus deutlich, dass es dem Filmemacher offensichtlich ein Anliegen ist zu zeigen, dass solche Gewalttaten immer noch mehr Gewalt hervorrufen. Da sich dieser insbesondere, wenn die Gewalt auf Nelsons Familie zurückschlägt, davon aber kaum berührt zeigt, bleibt auch die emotionale Kettenreaktion beim Publikum entsprechend aus. Dafür verbringt Regisseur Moland erstaunlich viel Zeit mit den Bösewichten. So viel sogar, dass Neeson ab der Hälfte des Films merklich in den Hintergrund tritt. Denn mit seiner Art, die Dinge zu regeln – wobei er sich Ideen eines Kriminalromans bedient – tritt Nelson unbeabsichtigt einen Revierkampf zwischen zwei rivalisierenden Drogenkartellen los, zwischen denen die vergangenen 30 Jahre ein Waffenstillstand herrschte. Viking ist der Ansicht, der rivalisierende White Bull wäre für die verschwundenen Dealer inklusive Drogen verantwortlich und lässt seinerseits einen von White Bulls Männern ermorden.

Dass die Situation eskaliert ist zwar absehbar, würde aber dann funktionieren, wenn sich der Einsatz für die eigentliche Hauptfigur dadurch erhöhen würde. Nur gerät Nelson bei alledem zur Randfigur. Dafür nimmt sich Hard Powder erstaunlich viel Zeit, mit dem Erbe der Indianer um White Bull durchaus melancholische Aussagen zu treffen. Auch dass das Drehbuch mit den üblichen Klischees spielt und den sonst so vornehm-klugen Viking mit einem verqueren Selbstverständnis, wer ein Anrecht auf das Land hat, er oder das Volk, dem es eigentlich gehörte, auftreten zu lassen, spielt dem schwarzen Humor durchaus zu. Aber der ist nur selten bissig oder absurd genug, um die gezeigte Gewalt in eben das Licht zu rücken, das die Geschichte eigentlich ausstrahlen möchte.

Obwohl die Musik mitunter darum bemüht ist, indianische Klänge einzuweben und sich generell eine Leichtfüßigkeit zu bewahren, sie ist merklich zu zurückhaltend, um vielen Momenten einen emotionalen Ton zu verleihen. Statt eine Balance zwischen makabrem Humor und bösem Ernst zu finden, werden die Figuren selbst emotional nie wirklich mitgenommen. Aber wenn für die eigentliche Bezugsperson Nelson sein Seelenfrieden nie in Gefahr scheint, kein Zweifel aufkommt, dass er seine selbst auferlegte Rachemission abschließen könnte, ist das auch nie wirklich spannend. Die Ermittlungen der Polizei verkommen hier vollkommen zur Nebensache, wie auf die verschwundenen Personen in Kehoe reagiert wird, beschreibt Hard Powder mit keinem Wort, dafür sollen anzügliche, lockere Sprüche für Unterhaltung sorgen. Das klappt leider – wie vieles anderen hier – nur bedingt.


Fazit:
Die Idee eines obsessiven Bösewichts, der seinen schlauen Sohn mit absonderlichen Diäten erzieht und sich gegenüber anderen als neunmalklug aufführt, hört sich auf dem Papier interessanter an, als sie am Ende umgesetzt ist. Auch die verschiedenen Leichen jeweils mit einer Texttafel zu benennen, verliert nach dem dritten Mal merklich seinen Reiz. Trotz der mehr als zwei Dutzend Toten kommt der Thriller nie richtig in Fahrt, oder entwickelt ein Tempo bzw. eine Spannung, die der Story gerecht würde. Ein Paar der trockenen Sprüche sind gelungen und einige böse Seitenhiebe treffen ins Schwarze. Aber gerade, weil was für Hauptfigur Nelson auf dem Spiel steht, sich nicht steigert, packt seine Revenge-Story zu keinem Moment. Dass viele Figuren keinen Abschluss erhalten, passt bezeichnenderweise ins Gesamtbild. Hard Powder ist kompetent umgesetzt und bringt bereits zu Beginn auch mit dem Konflikt zwischen dem herkömmlichen und dem von Indianern geführten Drogenkartell alle Elemente in Stellung, aber die interessanten Aspekte führen nirgendwo hin. Das ist am Ende leider nur enttäuschend.