Fall – Fear Reaches New Heights [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Dezember 2022
Genre: Thriller

Originaltitel: Fall
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Scott Mann
Musik: Tim Despic
Besetzung: Grace Caroline Currey, Virginia Gardner, Jeffrey Dean Morgan, Mason Gooding, Darrell Dennis, Julia Pace Mitchell


Kurzinhalt:

Ein Jahr ist vergangen, seit Becky (Grace Caroline Currey) ihren Ehemann Dan (Mason Gooding) bei einem Bergsteigerunglück verloren hat. Seitdem schottet sie sich ab, nicht einmal ihr Vater James (Jeffrey Dean Morgan) kommt an sie heran. Auf seine Bitte hin sucht Beckys beste Freundin Shiloh Hunter (Virginia Gardner) sie auf. Hunter, eine begeisterte Extremsportlerin, arbeitet an ihrer Karriere als Streaming-Star und hat sich zum Ziel gesetzt, den 600 Meter hohen, außer Betrieb genommenen Fernsehturm B67 zu erklimmen, der mitten in der Wüste steht. Becky soll sie begleiten. Der Stunt gelingt, doch beim Abstieg bricht das Außenleitergerüst weg und die beiden jungen Frauen stranden in mehr als einem halben Kilometer Höhe auf der kleinen Plattform. Mobilfunkempfang gibt es nicht und als wäre es nicht schlimm genug, dass der Rucksack mit ihrer Verpflegung gute 20 Meter unter ihnen an einer Funkschüssel hängt, beanspruchen Geier den Turm offenbar als ihr Revier und umkreisen ihre künftige Beute unablässig …


Kritik:
In Fall – Fear Reaches New Heights finden sich zwei erfahrene Bergsteigerinnen auf der Spitze eines 600 Meter hohen Funkturms, ohne eine Möglichkeit, wieder herunter zu kommen. Was wie ein Drama um Trauer und die Schuld der Überlebenden anfängt, wandelt sich zu einem Thriller ums Überleben selbst, teils vor schwindelerregender Kulisse eingefangen. Trotz vieler Klischees und einiger nicht ganz gelungener Entscheidungen, ist das nicht nur für Genrefans eine überraschende Empfehlung.

Die Geschichte beginnt mit einem Kletterausflug von Shiloh Hunter, ihrer Freundin Becky und deren Ehemann Dan, der bei einem tragischen Unglück in den Tod stürzt. Ein Jahr später versinkt Becky immer noch in ihrer Trauer, so dass sie noch nicht einmal die Asche ihres Mannes verstreut hat. Selbst ihr Vater James dringt zu ihr nicht durch. Bei einem Besuch wird Becky von Shiloh überredet, sie auf ein Abenteuer zu begleiten. Sie will für einen Schub ihrer Streaming-Karriere auf einen verlassenen, 600 Meter hohen Funkturm klettern, der einst das vierthöchste Bauwerk in den USA gewesen ist. Dort kann sich Becky ihrer Angst stellen und nach einem beschwerlichen Aufstieg sind die beiden Frauen auf einer kleinen Plattform angekommen, auf der sie beide kaum stehend Platz finden. Doch beim Abstieg bricht die Leiter am Turm weg, so dass Becky und Hunter in mehr als einem halben Kilometer Höhe eingeschlossen sind – ohne ein Handysignal oder die Möglichkeit, Hilfe zu holen.

Man sollte meinen, dass sich aus der einfachen Prämisse kaum ein abendfüllender Spielfilm erzählen lässt, zumal viele Elemente von Fall wie ein Abwandlung bekannter Geschichten klingen. Tatsächlich aber gelingt es Regisseur Scott Mann erstaunlich gut, der Ausgangslage interessante Aspekte abzugewinnen, wobei es Becky und Shiloh nicht an Ideen mangelt, sich aus dieser ausweglosen Situation herausmanövrieren zu wollen. Doch jeder ihrer Versuche schlägt fehl, so dass sich das Drehbuch zum letzten Drittel hin an einen Punkt bringt, von dem es keinen Weg zurück mehr gibt. Aufgelöst wird die Situation letztlich auf eine Art und Weise, wie es sie nur im Film gibt, was nicht bedeutet, dass die erzählerischen Entscheidungen ihre dramaturgische Wirkung verfehlen würden. Schwieriger ist dahingegen, dass das Drehbuch eine Wendung präsentiert, die das Kammerspiel in luftiger Höhe auf den Kopf stellen soll, die aber letztlich mehr erzwungen denn notwendig erscheint.

Dass man dies verzeiht, liegt nach dem etwas zähen Anfang an der starken ersten Filmhälfte, die insbesondere beim Aufstieg auf den Funkturm nicht nur viel erzählerische Überlegung offenbart. So werden zahlreiche Elemente vorgestellt, die zum Ende hin wichtig werden, vor allem jedoch ist dies bemerkenswert und in den Perspektiven geradezu erstklassig eingefangen. Manns Bilderauswahl vermittelt nicht nur ein Gefühl für die geradezu unvorstellbaren Höhenverhältnisse. Fängt er den Überlebenskampf auf der kleinen Plattform in mehr als einem halben Kilometer Höhe ein, erzeugt er eine geradezu klaustrophobische Beklemmung. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Kulisse realer oftmals kaum aussehen könnte, aber auch daran, dass die beiden Hauptdarstellerinnen die allermeisten Stunts selbst absolvieren. Lohn der Mühe sind teils malerische, teils beängstigende Aufnahmen von Becky und Shiloh vor einer so weitläufigen wie ein Schwindelgefühl auslösenden Kulisse. Fall profitiert hier von einer so überlegten wie tadellosen Inszenierung vor einem atemberaubenden Naturhintergrund, der von einem passenden Soundtrack von Tim Despic eingerahmt wird.

Die bei EuroVideo Medien GmbH erschienene Heimvideoveröffentlichung wartet neben dem Film in tadelloser Bild- und Tonqualität auf Blu-ray sowie zugehörigem Trailer auch mit einem informativen 15minütigen Making of und einem nicht minder interessanten Audiokommentar von Regisseur Scott Mann und Produzent James Harris auf, die Einblicke in die insbesondere auf Grund der Pandemiebedingungen schwierige Entstehung und Drehzeit geben. So erklären sich auch kreative Entscheidungen wie die wenig fokussierte Kamera bei den gemeinsamen Szenen zwischen Jeffrey Dean Morgan und Grace Caroline Currey. Gleichzeitig wird aber auch der Aufwand deutlich, den die Verantwortlichen in Kauf genommen haben, um ein realistisches Gefühl für die Höhe zu erzeugen, in der die Figuren hier ums Überleben kämpfen.

Herausgekommen ist ein Thriller, der Vieles richtig macht und in den entscheidenden Momenten packend umgesetzt ist. Dass Virginia Gardner in der zweiten Hälfte kaum gefordert ist, liegt in der Story begründet, bleibt aber dennoch schade. So auch, dass die Figuren ab einem gewissen Punkt nicht mehr den Weg nach unten suchen, sondern lediglich eine Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Inspirierender wäre gewesen, hätten sie sich selbst aus dem Dilemma befreien können. Dabei sollte man über zahlreiche Absurditäten wie die tagelang ausreichende Handy-Batterie oder den Umstand, dass die Figuren viel zu lange ohne Wasser auskommen, besser nicht nachdenken. Diese Schwachpunkte verzeiht man ebenso wie den Twist der Story, der kaum schockiert, während der gestiegene Gewaltgrad im letzten Drittel doch überrascht. Sieht man sich nicht nur die Herausforderungen an, mit denen die Verantwortlichen auch in Anbetracht des kleinen Budgets zu kämpfen hatten, sondern vor allem, was Fall aus der Ausgangslage zu machen versteht, dann ist das bemerkenswert und vor allem als in einigen Momenten schweißtreibender Thriller durchaus zu empfehlen.


Fazit:
Sieht man Becky und Shiloh in 600 Metern Höhe vor einem so malerischen wie bedrohlichen Hintergrund auf dieser Plattform stehen, so gelungen wie zentral in der Mitte des Bildes eingefangen, bei der die Perspektiven allein für ein Schwindelgefühl sorgen, dann fragt man sich, weshalb Scott Manns Film zum Teil besser aussieht, als Großproduktionen aus Hollywood. Die Antwort ist so einfach wie überzeugend: Weil viele dieser Einstellungen schlicht echt sind. Die Trickeffekte selbst schwanken dem Budget entsprechend stark in der Qualität, doch sie reißen nur selten aus der Illusion. Die ist überzeugend genug, dass diese zwei jungen Frauen hoch oben auf jenem Funkturm ums Überleben kämpfen. Das ist so minimalistisch wie manche Verstrickungen absehbar, während andere Wendungen erzwungen scheinen. Vor allem aber ist Fall – Fear Reaches New Heights ein eindrucksvoll inszenierter Thriller, der aus seiner Idee mehr zu machen versteht, als viele andere Produktionen. Für Genrefans und ein Publikum, das gewillt ist, sich in ungefährlicher Umgebung der eigenen Höhenangst zu stellen, ist das eine klare Empfehlung.

Wertung der Blu-ray-Disc:
4.5 von 6 Punkten

Fall – Fear Reaches New Heights-Packshot Fall – Fear Reaches New Heights
ist seit 1. Dezember 2022 als Video on Demand und
seit 15. Dezember 2022 als Blu-ray und DVD
im Verleih von EuroVideo Medien GmbH erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
EuroVideo Medien GmbH.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.