Das 9. Leben des Louis Drax [2016]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 6. November 2017
Genre: Thriller / Drama / FantasyOriginaltitel: The 9th Life of Louis Drax
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: Großbritannien / Kanada / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Alexandre Aja
Musik: Patrick Watson
Darsteller: Aiden Longworth, Sarah Gadon, Jamie Dornan, Aaron Paul, Barbara Hershey, Molly Parker, Oliver Platt, Julian Wadham, Jane McGregor
Kurzinhalt:
Der neunjährige Louis Drax (Aiden Longworth) hat viele Unfälle. Ständig. Sein jüngster ist dabei sein größter – und könnte sein letzter sein. An seinem Geburtstag stürzt er von einer Klippe ins Meer und ist bereits zwei Stunden tot, als er wider Erwarten doch noch Anzeichen von Leben zeigt. In ein tiefes Koma gefallen, soll ihm Dr. Allan Pascal (Jamie Dornan) helfen. In einer Spezialklinik kümmert dieser sich um Louis und kommt dabei dessen Mutter Natalie (Sarah Gadon) näher. Auf der Suche nach einem Weg, Zugang zu Louis zu finden, beschäftigt sich Allan mit dessen Vergangenheit. Nicht nur, dass es verschiedene Berichte über Louis' Vater Peter (Aaron Paul) gibt, nach dem in Folge des Unfalls immer noch gesucht wird, Louis' Psychologe Dr. Perez (Oliver Platt) erzählt, dass der Junge ungewöhnlich sei. Wenig später spürt Allan das am eigenen Leib, als Louis Kontakt mit ihm aufzunehmen scheint, durch das Koma hindurch …
Kritik:
Es mag insbesondere in den ersten Minuten mit dem frechen Erzähler aus dem Off und angesichts der seltsamen Geschichte den Anschein haben, als wäre Das 9. Leben des Louis Drax ein Mystery-Drama um den gleichnamigen Jungen, der von einer Klippe fällt, zwei Stunden lang tot ist und dann doch wieder lebt. Doch im Kern erzählt Alexandre Ajas Film von einer zutiefst gestörten Person, die erschreckend gefährlich ist. So chic das visuell verpackt ist, es tröstet nur bedingt darüber hinweg, dass der Filmemacher den Fokus viel zu spät auf die damit gemeinte Figur lenkt.
Im Zentrum steht auch nicht Louis Drax, der Unfälle magisch anzuziehen scheint und an seinem neunten Geburtstag in den Tod stürzt. Zwar erzählt Louis viel von sich, seinem Elternhaus, in dem es viel Streit gibt, und seinen Behandlungen beim Psychologen Dr. Perez. Aber weswegen er so seltsam ist, wie er ist, ergründet die Geschichte nicht. Dabei ist Louis alles andere als normal, seine Art, selbst mit Erwachsenen zu reden, nicht nur direkt, sondern beinahe unverschämt. Auch versteht er Zusammenhänge, die sich ihm noch nicht erschließen sollten.
Er tut dies alles in einer Art Traumwelt, in der er sich nach seinem tödlichen Sturz befindet. Zwei Stunden lang war er tot, ehe er sich selbst wiederbelebt und im Koma liegt. Um seine Behandlung kümmert sich der fähige Arzt Dr. Allan Pascal, der seiner Mutter näher kommt, während sein Vater immer noch vermisst wird. Das allein wäre noch nicht mysteriös genug und so kommentiert Louis aus seinem komatösen Zustand nicht nur das Geschehen, sondern erzählt einem Seemonster seine Geschichte.
Dem beizuwohnen ist in etwa so, als würde man mit wachen Augen träumen. Die Bilder, die Regisseur Alexandre Aja findet, sind nicht selten faszinierend und besitzen eine Anziehungskraft, die im Laufe der Zeit nur größer wird. Gerade, wenn sich Louis an Augenblicke der Zeit mit seiner Mutter, Natalie, erinnert, erzeugen die Bilder mehr ein Gefühl, als dass sie selbst eine Aussagekraft besitzen. Zum träumerischen Ambiente trägt auch das oft überstrahlende Weiß bei, sei es bei der Arztkleidung von Allan, oder allein Natalies Haaren. Zudem scheinen sich die Erinnerungen, die Louis teilt, je nachdem, wem gegenüber er sie erzählt, zu wandeln, als würde sein subjektiver Blick die Wirklichkeit verändern. All das ist durchaus gelungen, aber nie mehr als das.
Auf Grund seiner teils verletzenden Art fällt es äußerst schwer, mit Louis mitzufühlen. Er ist schlicht keine sehr sympathische oder liebenswerte Person. Dass dies durchaus seine Ursachen hat, ist unbestritten, nur kommt die Auflösung dafür viel zu spät. Ähnlich sieht es mit der ebenso unnötigen wie konstruierten Liebesbeziehung zwischen Natalie und Allan aus. Nicht nur, dass beide für sich genommen überraschend unterkühlt ausfallen, einen überspringenden Funken gibt es bei ihnen nicht zu entdecken.
Die Darsteller in Das 9. Leben des Louis Drax bleiben dadurch nicht übermäßig gefordert. Allenfalls steht Aiden Longworth in der Titel gebenden Rolle hervor. Sarah Gadon als Natalie darf nie über die unterschwellige Zerbrechlichkeit ihrer Figur hinauswachsen und Jamie Dornan hat mimisch kaum etwas zu tun. Von den Erwachsenen ist einzig Aaron Paul gefordert, dem jedoch die wenigste Zeit vor der Kamera eingeräumt wird.
Was Regisseur Alexandre Aja mit seinem übernatürlich erzählten Drama beabsichtigt, wird schon deshalb klar, da Louis Drax die Erkenntnis dem Publikum aus dem Off mitgibt. Das hinterlässt den Eindruck, dass die Macher nicht darauf vertrauen, ihr Werk könnte für sich sprechen. Es ist überaus interessant, dem Geschehen zu folgen, selbst wenn die Auflösung nicht vollends überrascht. Die alles entscheidende Frage, was mit Louis an jenem Tag an der Klippe geschehen ist, hat man spätestens nach dem ersten Akt bereits durchschaut, so dass der Weg zur Auflösung länger scheint, als er sein müsste.
Da hier weit weniger Überraschungen auf das Publikum warten, wirkt der Fantasy-Aspekt von Das 9. Leben des Louis Drax vor allem rückblickend fehl am Platz. Und je länger man darüber nachdenkt, umso offensichtlicher wird dies.
Fazit:
Die Idee klingt überaus interessant und wird nicht zuletzt durch die Off-Begleitung durch den an sich fast verstorbenen Louis Drax unterhaltsam gestaltet. Aber je mehr man über den neunjährigen Jungen erfährt, umso unsympathischer wird er. Dass auch er nur ein Opfer der Umstände ist, mag durchaus sein, nur erschwert sein Auftreten den Zugang zu ihm als Figur. Filmemacher Alexandre Aja überzeugt einmal mehr durch eine Optik, die mitunter einem Traum entnommen scheint. Farben und Perspektiven sind nie reiner Selbstzweck, sondern unterstützen die Geschichte. Die ist es jedoch, die bei Das 9. Leben des Louis Drax vorhersehbarer abläuft, als beabsichtigt. Dass die verursachende Figur im Zentrum kaum beleuchtet wird und nicht einmal versucht wird, die Hintergründe ihrer so zerstörerischen Störung zu ergründen, ist mehr als nur bedauerlich. Es ist vielmehr, als hätte man das im Grunde so wichtige Thema durch einen aufgesetzten Fantasy-Aspekt vollkommen umgehen wollen. Das ist zwar nie langweilig, erzählt aber nicht die interessanteste Geschichte, die hier verborgen liegt.