Coma [1978]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Januar 2021
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Coma
Laufzeit: 113 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1978
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Michael Crichton
Musik: Jerry Goldsmith
Besetzung: Geneviève Bujold, Michael Douglas, Rip Torn, Richard Widmark, Elizabeth Ashley, Lois Chiles, Lance LeGault, Hari Rhodes, Gary Barton, Frank Downing, Richard Doyle, Alan Haufrect


Kurzinhalt:

Als ihre beste Freundin Nancy (Lois Chiles) bei einem Routineeingriff in ihrem Krankenhaus in ein unerklärliches Koma fällt und stirbt, ist die Ärztin Dr. Susan Wheeler (Geneviève Bujold) am Boden zerstört und sucht nach einer Erklärung. Ihr Freund und Kollege Dr. Mark Bellows (Michael Douglas) bezeichnet den Fall ebenso wie Chefarzt Dr. Harris (Richard Widmark) als unerklärlichen Unfall, der in Anbetracht der Menge an Operationen auftreten könne. Doch als Susan auf der Suche nach Antworten auf Hinweise stößt, dass im vergangenen Jahr ein Dutzend Patienten auf diese Weise verstorben sind, und sie vom Leiter der Anästhesie Dr. George (Rip Torn) zurückgewiesen wird, wächst in Susan die Überzeugung, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Die entscheidenden Fragen sind nicht nur, wer alles in die Verschwörung verwickelt ist und worum es dabei tatsächlich geht, sondern wem Susan noch trauen kann …


Kritik:
Fünf Jahre nach seinem Genre prägenden Kinoregiedebut Westworld [1973] adaptiert Filmemacher Michael Crichton die Romanvorlage Koma [1977] von Arzt und Autor Robin Cook. Crichton, der selbst Medizin studierte, gelingt dabei ein authentisch erscheinender Blick auf den Alltag einer Klinik in der amerikanischen Großstadt Boston, der gleichzeitig die Tür für Urängste der Menschen aufstößt. Im Ergebnis ist Coma ein Medizin-Thriller, dessen Themen auch 40 Jahre später noch aktuell sind und dessen zweite Hälfte immer noch fesselt.

Über diese kann man jedoch nicht sprechen, ohne die große Storywendung vorweg zu nehmen. Erzählt wird Coma aus der Sicht der Ärztin Dr. Susan Wheeler, deren beste Freundin Nancy bei einem Routineeingriff in ein tiefes Koma fällt und wenig später für hirntot erklärt wird. Wie Susan feststellt, ist dasselbe im vergangenen Jahr zehn weiteren Patienten widerfahren und tags darauf trifft es erneut einen jungen, an sich gesunden Mann, der bei einer alltäglichen Operation ins Koma fällt. Als sie ihren Kollegen und Liebhaber Mark, gespielt von einem blutjungen Michael Douglas, darauf anspricht, ist er der Auffassung, dass sie sich einen Zusammenhang nur einbildet, weil sie den Verlust ihrer Freundin nicht verarbeiten kann. Selbst Chefarzt Dr. Harris wiegelt ab, doch als Susan von einem bewaffneten Mann angegriffen wird, steht für sie fest, dass sie einer Verschwörung auf der Spur sein muss. Die Frage, die Darstellerin Geneviève Bujold dem Publikum greifbar nahebringt, ist lediglich, wer alles Teil dieser Verschwörung ist, und worum es im Kern überhaupt geht.

Ein Teil davon spiegelt sich bereits im Plakat das Films wider und zählt zu den einprägsamsten Momenten im Film. Bis es soweit ist, nimmt sich Regisseur Michael Crichton viel Zeit, seine Figuren aufzubauen. So wird Susan als starke Persönlichkeit etabliert, die sich den typischen Rollenbildern der damaligen Zeit nicht beugt, wenn sie genau dafür mit Mark in der ersten Szene in Streit gerät. Regelmäßig sieht sie sich als Frau in einer von Männern dominierten Branche dem Vorwurf gegenüber, sie wäre entweder nicht emotional genug, oder aber gar hysterisch und bilde sich etwas ein. Dass sie gleichzeitig keine Figur ist, die von Mark oder anderen Männern gerettet werden muss, dass sie sich selbst erfolgreich gegen einen Angreifer zur Wehr setzen kann, ist nicht nur erfrischend, sondern sorgt in der Tat für die packendsten Momente im Film. Allerdings gestaltet sich die erste Stunde von Coma deshalb langsamer, als es ein modernes Publikum wohl gewohnt ist. Erst nach einer Dreiviertelstunde setzt beispielsweise die musikalische Untermalung von Jerry Goldsmith ein.

Bedenkt man, dass Filme wie Der weiße Hai [1975] oder auch Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung [1977] zuvor erschienen waren, trägt Coma deutlicher die Handschrift der 1970er-Jahre, wobei die Momente im Krankenhaus überraschend zeitlos erscheinen. Es ist das generelle Erzähltempo und die -struktur, die aus heutiger Sicht eher behäbig wirken. Doch das ändert nichts an der inhaltlichen Ausrichtung des Thrillers, dessen Kernthemen damals wie heute aktuell sind und an eine ureigene Angst der Menschen vor Krankenhäusern, medizinischem Personal und allem, was damit zu tun hat, anknüpfen. Neben einer starken Darbietung von Geneviève Bujold und einem gewohnt guten Michael Douglas kann das Publikum außerdem Rip Torn in einer undurchsichtigen Rolle entdecken sowie darüber hinaus Tom Selleck und einen Gastauftritt von Ed Harris in seiner ersten Filmrolle. Wen die Geschichte nicht interessiert, findet in ihnen Grund genug, einzuschalten.


Fazit:
Es sind alltägliche, nachvollziehbare Ängste, an die Regisseur Michael Crichton hier anknüpft. Sein Thriller nimmt sich genügend Zeit, nicht nur die Figuren vorzustellen, sondern auch, die notwendigen medizinischen Hintergründe zu erläutern, so dass das Publikum dem Geschehen ohne weitere Erklärung in dem jeweiligen Moment folgen kann. Dadurch gerät vor allem die erste Filmhälfte nicht nur spürbar langsam, sondern auch dialoglastig. Ein modernes Publikum mag das als zu stockend empfinden, doch diese Vorbereitung sorgt dafür, dass wenn Susan ein erster Blick hinter die Verschwörung gelingt, man bis zum Ende gespannt bleibt. Mit einer starken Frauenfigur im Zentrum, die in der zweiten Hälfte für sich steht, einer guten Besetzung und einigen bemerkenswerten Sets und Momenten, die im Gedächtnis haften bleiben – sei es der schwebende Lagerraum oder aber der Kampf in der Kühlkammer voller Leichen – überzeugt Coma auch heute noch. Thematisch vielleicht überspitzt, aber nichtsdestotrotz greifbar, ist das über weite Strecken nach wie vor packend und in vielerlei Hinsicht überraschend zeitlos.