Blair Witch Project [1999]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 05. November 2002
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: The Blair Witch Project
Laufzeit: 86 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Daniel Myrick, Eduardo Sánchez
Musik: Tony Cora
Darsteller: Heather Donahue, Joshua Leonard, Michael C. Williams


Kurzinhalt:
Im Oktober 1994 verschwanden die drei Filmstudenten Heather Donahue, Joshua Leonard und Michael Williams in den Wäldern nahe Burkitsville, Maryland, während sie einen Dokumentarfilm über die Hexe von Blair drehten. Ein Jahr später fand man ihre Aufnahmen.


Kritik:
Die Handlung des Films beschränkt sich auf die drei Hauptcharaktere, die sich in den Wäldern verirren und von einem nicht gezeigten Bösen bedroht werden.
Ansich kann man über den Film auch nicht mehr erzählen, denn was man als Zuschauer letztendlich geboten bekommen ist eigentlich ... nichts.
Doch diese Aussage wird einem der größten finanziellen Erfolge der Filmgeschichte nicht gerecht. Immerhin kostete Blair Witch Project knapp 22.000 $ - und spielte 240 Millionen $ wieder ein!

Dass der Film nicht in Burkitsville, sondern im Seneca State Park in Rockville gedreht wurde, fällt nicht auf. Eine witzige Anekdote in diesem Zusammenhang: Bereits in der Nacht, in der der Film in die Kinos kam, wurde das Ortsschild von Burkitsville, das zu Beginn des Films gezeigt wird, gestohlen; und seither noch mindestens drei weitere Male. Ganz offensichtlich unterliegen immer noch sehr viele Zuschauer dem Werbegag, die gezeigten Szenen im Film wären alle real passiert, doch dem ist nicht so, auch wenn die Hauptdarsteller während der Dreharbeiten der Meinung waren, dass die Geschichte um die Blair Hexe Wirklichkeit wäre. Erst nach den Dreharbeiten erfuhren sie, dass all das nur den Köpfen der Regisseure entsprungen war.

Aus 35 Seiten bestand das eigentliche Drehbuch, das nicht mehr als die Mythologie der Blair Hexe beschrieb, und den Darstellern vor Drehbeginn überreicht wurde. Alle Textzeilen und beinahe alle Ereignisse des Films sind improvisiert, Überraschungen erreichen die Zuschauer meistens im selben Moment, wie die Darsteller während der "Dreharbeiten". Die drei drehten den Film großteils auch selbst, die Regisseure schufen letztendlich "nur" die bedrohliche Atmosphäre.

Buchstäblich unerträglich war für viele Zuschauer im Kino die verwendete Videokamera, die verständlicherweise ständig hin- und herwackelt – mir persönlich fiel es am Anfang ebenfalls schwer, mich an die Kameraschwenks und das übelkeiterregende Wackeln zu gewöhnen – nicht wenige Kinozuschauer konnten sich leider nicht daran gewöhnen und mussten den Kinossal verlassen, um sich zu übergeben. Verständlich, doch dadurch verpassen sie einen atmosphärisch dichten Film, der zwar in den Medien hoffnungslos überhypt wurde, letztendlich durch den unsichtbaren Horror aber durchaus überzeugen kann.

Der eigentliche Horror muss für Hauptdarstellerin Heather Donahue allerdings die Dreharbeiten gewesen sein: allein mit zwei Männern im Wald schien ihr zu gefährlich, weswegen sie sich mit einem Messer bewaffnete.

Wie gesagt, man kann über Blair Witch Project nicht viel erzählen, und auch nicht kritisieren. Die Darstellungen der Charaktere wirken natürlich, auch wenn man keine oscarreifen Leistungen erwarten sollte; der Horror wird nach den sterbenslangweiligen 30 Minuten zu Beginn später dann buchstäblich schon spürbar, auch wenn ich als Zuschauer vom Ende des Films etwas enttäuscht war.
Der atmosphärische Aufbau des Films ist wirklich gut gelungen, obwohl für mich persönlich inhaltliche Schwächen den Filmspaß trübten: wie man sich mit Karte und Kompass (auch ohne Karte) in einem Wald verlaufen kann, ist mir schlicht und ergreifend ein Rätsel. Zumal die Beteiligten mehrmals im Film auf einen kleinen Back stoßen, der schlicht nicht im Kreis fließen kann; sie hätten ihm einfach nur folgen müssen! So viel Überlebensinstinkt und Allgemeinwissen sollte man mitbringen, wenn man sich in solche Wälder traut. Dass keiner der Beteiligten daran dachte, ein Funktelefon mitzunehmen (die gab es 1994 auch schon), ist ebenfalls verwunderlich.

Bei diesen Mängeln zeigt sich, dass die Marketingstrategie um den Film besser durchdacht war, als dessen Aufbau. Geschadet hat es dem Erfolg nicht. Mir wird das Blair Witch Project aber definitiv nicht als der Horror-Schocker in Erinnerung bleiben, für den die Verantwortlichen ihn verkaufen wollten.


Fazit:
Bei einem derart übernatürlichen Hype, ist es kein Wunder, dass viele Zuschauer von Blair Witch Project enttäuscht sind.
Nach langer Anlaufzeit ist die Stimmung des Filmes aber wirklich bedrückend und fast schon beängstigend – wenn man sich mit Charakteren identifizieren kann.
Allerdings war mir persönlich die Hauptdarstellerin von Anfang an unsympathisch, so dass ich kein großes Mitleid hatte, was mit ihr passierte.
Der Film funktioniert durch das, was man nicht zu sehen bekommt, für Fans des schnellen und offensichtlichen Splatter-Horrors also keine Empfehlung. Als Abschlussarbeit von zwei Filmstudenten oder Experimentalfilm ist Blair Witch Project ein wirklich gelungenes Projekt, das eindrucksvoll demonstriert, wie leicht die Medien doch zu beeinflussen sind. Als mehr funktioniert der Film für mich jedoch nicht.