BlackBerry – Klick einer Generation [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Oktober 2023
Genre: Biografie / Unterhaltung

Originaltitel: BlackBerry
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: Kanada
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Matt Johnson
Musik: Jay McCarrol
Besetzung: Jay Baruchel, Glenn Howerton, Matt Johnson, Rich Sommer, Michael Ironside, Martin Donovan, Michelle Giroux, SungWon Cho, Mark Critch, Saul Rubinek, Cary Elwes, Ben Petrie


Kurzinhalt:

Mit ihrem Versuch, die Idee eines neuartigen Mobiltelefon zu verkaufen, das Telefon und Computer vereint und mit dem sich von unterwegs E-Mails beantworten lassen, scheitern die Jungunternehmer Mike Lazaridis (Jay Baruchel) und Doug Fregin (Matt Johnson) im Jahr 1996 kolossal. Doch kurz darauf bietet der geschasste Manager Jim Balsillie (Glenn Howerton) an, ihr Konzept zu vermarkten, wenn er im Gegenzug Teil der Firmenleitung des kleinen Unternehmens wird. Mike geht darauf ein und das Gerät, das später „BlackBerry“ genannt wird, katapultiert die jungen Entwickler nicht nur an die Spitze des Erfolgs, sondern lässt eine ganz neue Produktkategorie entstehen. Doch der Erfolg weckt Begehrlichkeiten, so dass schon bald feindliche Übernahmen drohen. Um dem zu entgehen, muss die Firma von Mike und Doug schneller wachsen und an der Spitze der Mitbewerber bleiben. Darunter leidet jedoch die Identität, die das Zusammenarbeiten der jungen Entwickler bislang ausgemacht hat. Als nach dem globalen Erfolg ein Konkurrenzprodukt dem BlackBerry den Rang abläuft, beginnt eine Abwärtsspirale, die weder Mike, noch Jim aufzuhalten vermögen, die trotz ihrer charakterlichen Unterschiede festgefahren sind …


Kritik:
Mit viel nostalgischen Charme und auch einer großen Portion Humor blickt Regisseur Matt Johnson in BlackBerry – Klick einer Generation auf die Geschichte einer einflussreichen Firma zurück, die heute beinahe vergessen scheint. Neben der Bewunderung für den Einfallsreichtum der Verantwortlichen, bewahrt sich die Biografie den kritischen Blick auf die nicht einfachen Charaktere, die den Wegbereiter für das Smartphone, wie man es kennt, zu einem eigenständigen Begriff gemacht haben. Das ist unterhaltsam und informativ zugleich.

Die Welt der Elektrotechnik ist mitunter derart schnelllebig, dass 10 Jahre einer ganze Epoche der Geschichte entsprechen können. Es wundert daher nicht, dass viele junge Menschen, die auf der Straße gebannt auf das Smartphone in ihrer Hand blicken, mit dem Namen BlackBerry nichts verbinden. Für diejenigen, die den Aufstieg der Mobiltelefone miterlebt haben, repräsentiert der Name mehr, als nur ein den Weg ebnendes Gerät, das erstmals verschiedene Funktionen miteinander verband. Es definierte eine ganz eigene Kategorie der handhabbaren Produktivität, die bis dahin kaum vorstellbar war. Es war Marke und Statussymbol in einem. Bis es vom nächsten großen Sprung der Geräteentwicklung überholt wurde.

Im Jahr 1996 versuchen Mike Lazaridis und Doug Fregin, die dank Mikes brillantem Ingenieurverstand mit der Firma „Research In Motion“ auch große Auftraggeber für ihre speziell angefertigte Elektrotechnik finden konnten, die Vision eines Mobiltelefons zu verkaufen, das Computer und Telefon verbindet. In einer Zeit, in der PowerPoint-Präsentationen bereits bekannt waren, ist ihr Pitch mit Staffelei und gezeichneten Skizzen eine Katastrophe. Doch wenig später steht Jim Balsillie, der gerade eben seinen Job verloren hat und für die Ablehnung ihres Pitches verantwortlich war, vor ihrer Tür. Er will das Gerät, von dem es noch nicht einmal einen Prototyp gibt, verkaufen und sich dafür Anteile an der Firma sowie den Posten als Co-CEO sichern. Da sie gerade erst von einem großen Auftraggeber um ein Millionenhonorar geprellt wurden, geht Mike auf den Vorschlag ein. So brillant er als Entwickler ist, so wenig durchsetzungsstark ist er. Jim hingegen ist ein geborener Verkäufer, dabei aber nicht nur skrupellos, sondern auch unbeherrscht. Der „PocketLink“, wie das Gerät ursprünglich heißen sollte, findet einen Interessenten und wenig später ist das als „BlackBerry“ umgetaufte Gerät ein Verkaufsschlager. Das wäre für sich im Grunde eine Erfolgsgeschichte, doch zeichnet Filmemacher Matt Johnson nicht nur den Aufstieg, sondern auch den Fall der Marke BlackBerry in seiner auf realen Ereignissen basierenden, fiktionalen Erzählung nach. Dabei beleuchtet er gleichermaßen die Persönlichkeiten, die für beides verantwortlich waren.

Schon im Jahr 2003 sind BlackBerrys aus der Geschäftswelt kaum wegzudenken. Aus der kleinen Firma Research In Motion ist ein großes Unternehmen mit zahlreichen Abteilungen geworden. Den Kern jedoch machen immer noch die Techniker aus. Als ein anderer Techgigant droht, die Firma zu übernehmen, ist Jims wie Mikes Talent gefragt. Die Absatzzahlen müssen steigen, doch dafür müssten zuerst mehr Geräte gleichzeitig in Betrieb gehen können. Heute kaum vorstellbar, gab es eine Begrenzung, wie viele BlackBerrys gleichzeitig im Funknetz senden und empfangen konnten, ehe das Netz zusammenbrach. BlackBerry schildert, welche technischen Unwägbarkeiten die Ingenieure zu überwinden hatten, damit ihre Vision einer mobilen Gesellschaft überhaupt Wirklichkeit werden konnte. Ein wenig technikaffines Publikum wird das allenfalls verwundert mitansehen. Wer mit der Materie jedoch ein wenig vertraut ist, wird die Einschränkungen und den Ideenreichtum der Beteiligten mit anderen Augen betrachten. So, wie die Techniker und jungen Programmierer eingangs als große Kinder gezeigt werden, die ihre Zeit mit Videospielen verbringen, bis Jim sie unter Druck setzt, ein präsentierbares Produkt zusammen zu stellen, zeigen sie Kreativität und den Mut, neue Wege zu gehen, die niemand in der gesamten Industrie zuvor gegangen war.

Doch mit dem Erfolg und den Ansprüchen wandelt sich die Firmenkultur des großen Spielplatzes mit Filmabenden und ohne feste Strukturen. In gewisser Weise verliert die zuvor durchaus sympathische Firma ihre Unschuld und Naivität, und das nicht erst, wenn mit aggressiven und nicht legalen Mitteln Spitzenpersonal von Mitbewerbern abgeworben wird. Das mitanzusehen, macht BlackBerry beinahe tragisch, bis der Vorsprung der BlackBerrys im Jahr 2007 mit der Präsentation von Apples iPhone beinahe über Nacht in sich zusammenfällt. Anstatt sich auf neuen Entwicklungen einzulassen, wird Ingenieur Mike vom Innovationstreiber zum Hinterherjagenden, der die Entwicklungen notgedrungen kopiert. Mit den Einblicken in die Untersuchungen der Börsenaufsicht entzaubert Johnson den eingänglichen Charme der unkonventionellen Lösungen und entlarvt die Stärken der zwei tragenden Figuren Mike und Jim als ihre größten Schwächen. Denn eine Vision zu haben bringt einen auf dem Weg nur so weit, wenn man beim Erreichen des Ziels nicht eine neue Vision des künftigen Wegs entwickelt.

BlackBerry – Klick einer Generation verpackt dies mit viel Humor und sehr viel nostalgischem Charme. Angefangen von der Ausstattung, den Kostümen und den vielen Anspielungen, die den Zeitkolorit ebenso unterstreichen wie das Milieu, in dem sich die Figuren bewegen und befinden. Anstatt die Charaktere zu verklären, zeigt sich das Drehbuch in der zweiten Hälfte erstaunlich offen, ihre Makel blank zu legen, ohne sie dafür zu verurteilen. Ein wenig kurz kommt dabei der von Regisseur Matt Johnson gespielte Doug Fregin, der als bester Freund Mike stets beschützt. Seine tatsächliche Rolle in der Firma bleibt jedoch im Unklaren und auch die vielen neuen Figuren in der zweiten Hälfte dürfen nicht mehr, als ein paar Dialogzeilen vortragen. So bedauerlich das ist, dem Unterhaltungswert schadet es kaum.


Fazit:
Als er sich weigert, ein halbfertiges Gerät Interessenten vorzustellen, fragt Verkaufs- und Managertalent Jim den brillanten Ingenieur Mike, ob er das Sprichwort „Das Bessere ist der Freund des Guten“ kenne. Mike antwortet darauf, „Gut genug ist der Feind der Menschheit“. Dialoge wie diese zeichnen Matt Johnsons Firmenbiografie ebenso aus wie insbesondere Glenn Howertons mitreißenden Wutausbrüche als cholerischer Jim Balsillie. Die Verantwortlichen sind dabei merklich bemüht, auch die Schattenseiten des raketenhaften Aufstiegs – und vor allem des Falls – der Firma und Figuren im Zentrum zu unterstreichen. Aber sie zeigen auch Bewunderung für die sympathischen Bastler, die viele Durchbrüche und Technologien ermöglicht haben (Textnachrichten außerhalb SMS beispielsweise), die man heute als selbstverständlich erachtet. BlackBerry – Klick einer Generation schafft hierfür ein Verständnis und lädt das Publikum ein, eine stellenweise geradezu dokumentarisch gefilmte Nacherzählung eine der einflussreichsten Zeiten der Elektronikbranche mitzuerleben. Das ist interessant wie amüsant. Da sich die Gründe für das Auf und Ab der Marke BlackBerry auch auf andere Branchen übertragen lassen, ist es nicht zuletzt sogar aufschluss- und lehrreich. Klasse!