Ambulance [2022]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. März 2022
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Ambulance
Laufzeit: 136 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Michael Bay
Musik: Lorne Balfe
Besetzung: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González, Garret Dillahunt, A Martinez, Keir O’Donnell, Jackson White, Olivia Stambouliah, Moses Ingram, Cedric Sanders, Colin Woodell, Wale Folarin, Jesse Garcia, Victor Gojcaj, Remi Adeleke, Devan Chandler Long


Kurzinhalt:

Ohne eine experimentelle Behandlung wird Wills (Yahya Abdul-Mateen II) Frau Amy (Moses Ingram) sterben. Doch die Kosten werden von der Krankenkasse nicht übernommen. Um die Mutter seines gerade erst geborenen Sohnes zu retten, wendet sich Will an seinen Bruder Danny (Jake Gyllenhaal). Ihr Verhältnis ist nicht das beste, da Danny ihrem Vater nachfolgt, einem Bankräuber und Mörder. Will hingegen ist zum Militär gegangen und gerade erst aus dem Dienst entlassen worden. Doch Danny kann Will kein Geld leihen, alles, was er hat, ist in seinen nächsten Coup investiert, der ihm und seiner Crew 32 Millionen Dollar einbringen soll. Allerdings fehlt ihnen ein Mann und so willigt Will ein, sie zu begleiten. Der Überfall würde nach Plan verlaufen, wäre es nicht um den jungen Polizisten Zach (Jackson White). Der wird angeschossen und da sich ihr Fluchtplan in Rauch aufgelöst hat, beschließen Danny und Will, einen Krankenwagen zu kapern, und damit zu fliehen. Doch in eben jenem Wagen liegt Zach, um dessen Leben die Rettungssanitäterin Cam (Eiza González) kämpft. Während Polizeicaptain Monroe (Garret Dillahunt) alles aufbietet, was im Arsenal der Polizei schlummert, wendet sich Danny an einen ehemaligen Mitstreiter seines Vaters und bittet um Hilfe. Doch damit macht er die ausweglose Situation für alle Beteiligten nur noch schlimmer …


Kritik:
Im Remake des beinahe eine Stunde kürzeren, dänischen Films Ambulancen [2005] zeigt Filmemacher Michael Bay, wie eine Mischung der Genreklassiker Heat [1995] und Speed [1994] aussehen könnte. Was sich nach einer schrecklichen Idee anhört, ist als das, was ich es sein will, erstaunlich konsequent. Ambulance fühlt sich an wie ein zweistündiger Adrenalinrausch. Das ist länger, als es zum Teil Spaß macht und mitunter zu viel zu laut, aber Fans von geradlinigen Actionfeuerwerken ohne Tiefgang können auf ihre Kosten kommen.

Angesiedelt in Los Angeles und mit einer schnörkellosen Ausgangslage versehen, ist es geradezu erstaunlich, welche Möglichkeiten Regisseur Bay hier nicht nutzt. Als eine überlange Verfolgungsjagd ausgelegt, hätte man den Actionthriller beispielsweise in Echtzeit erzählen können, oder sich vollständig der Prämisse hingeben. Stattdessen gibt es hier viel Beiwerk, das das Ende versöhnlicher gestalten oder was auf dem Spiel steht noch dramatischer wirken lassen soll, obwohl beides nicht notwendig ist. Im Zentrum der Geschichte steht nicht Jake Gyllenhaals Figur Danny, auch wenn er zuerst im Abspann genannt wird, sondern der von Yahya Abdul-Mateen II gespielte Will Sharp. Sie sind Brüder, aber während Danny in die Fußstapfen des Vaters getreten ist und in zehn Jahren mehr als drei Dutzend Banken überfallen hat, hat sich Will einen anderen Sinn und Zweck im Leben gesucht und war bei den U.S. Marines. Gerade die Armee verlassen, braucht seine Frau Amy, Mutter seines kürzlich geborenen Sohnes, eine experimentelle Operation. Doch die teure Prozedur wird von der Krankenkasse nicht übernommen. Überhaupt eine menschliche Stimme an das Telefon zu bekommen, ist eine Herausforderung. Immer noch ohne feste Arbeit, wendet sich Will an seinen Bruder Danny, der scheinbar ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Tatsächlich hat er jedoch einen großen Banküberfall geplant, bei dem 32 Millionen Dollar Beute möglich sein sollen.

Wie dieser Überfall genau ablaufen soll, was also das bestmögliche Szenario wäre, verrät Ambulance dabei interessanterweise gar nicht. Vielmehr zeigt Bay zuerst, wie Danny seinen Bruder in einer schier Minuten dauernden Sequenz anwerben will, um dann kurz einzustreuen, wie die Crew – bestehend aus Figuren, die das Publikum kaum zuordnen kann – die Bank betritt. Beim nächsten Szenenwechsel ist der Überfall fast vorbei und wird durch den Polizisten Zach gestört, der eine Bankangestellte um ein Date bitten möchte. Was dann geschieht, ist im Grund die Paradedisziplin von Filmemacher Michael Bay. So sehr, dass er sogar den Begriff „Bayhem“ geprägt hat, was so viel bedeutet wie „vollkommenes Chaos – im Stile von Michael Bay“. Geht der Bankraub in ebenso bleihaltiger wie spektakulärer Weise schief, entfesselt der Regisseur eben jenes Chaos, das seinen Stil lange Zeit geprägt hat. Doch fällt dabei auf, dass da die Figuren kaum bekannt sind, geschweige denn interessieren, das Gezeigte nur mäßig mitreißt. Auch fällt es schwer, einen wirklichen Überblick zu behalten, wer sich wo in bzw. außerhalb der Bank befindet. Der Schusswechsel ist laut und intensiv, aber nie so furchteinflößend oder packend wie beispielsweise in Heat. Am Ende sind lediglich Will und Danny übrig, die als Fluchtfahrzeug einen Krankenwagen wählen, in dem ein von Will angeschossener Polizist liegt. Die Rettungssanitäterin, die zuvor gezeigt wurde, wie sie einem kleinen Mädchen das Leben rettete, ist ihre Geisel und es beginnt eine Hochgeschwindigkeitsverfolgungsjagd quer durch Los Angeles.

Solange die dauert, hält Ambulance das Erzähltempo mit Schnitten im Sekundentakt, langen Kamerafahrten, Drohnenaufnahmen und allerlei inszenatorischer Finessen sehr, sehr hoch. Dies gelingt auch erstaunlich lange, selbst wenn die einzelnen Herausforderungen während der Verfolgungsjagd allesamt sehr ähnlich sind. Hier beweist Speed mit nicht fertig gebauten Brücken oder Staus deutlich mehr Abwechslungs- und Einfallsreichtum. Vorliegend setzen die Verantwortlichen mit zwei Punkten entgegen, die sich sowohl außerhalb als auch innerhalb des Krankenwagens befinden. Außerhalb fährt der Leiter einer Sondereinheit, Captain Monroe, unzählige Polizeiwagen und Helikopter auf, während FBI Agent Anson Clark einen anderen Ansatz verfolgt. Im Krankenwagen kämpft die Rettungssanitäterin Cam um das Leben des angeschossenen Polizisten. Auf beiden Ebenen soll eingestreuter Humor für Auflockerung sorgen, wenn Monroes riesiger Hund unfreiwillig Teil des Einsatzes wird, oder Dannys Mitarbeiter, die ihm bei der Flucht helfen sollen, ihn beinahe in den Wahnsinn treiben. Auch seine Wutausbrüche oder verkrampft „coolen“ Sprüche heitern die Situationen auf, nur, dass dies aufgesetzt wirkt und nicht so recht zum Rest passen mag. Eine geradezu wahnwitzige Idee ist die Operation, die Cam bei Zach vornehmen muss – während der Verfolgungsjagd. Hier zeigt sich, was Ambulance hätte sein können, hätten die Verantwortlichen die vollkommen überdrehten Elemente angenommen, um einen Film im Stile von Crank [2006] auf die Leinwand zu bringen.

Stattdessen versuchen sie sich an einer ernsthaften Idee, aus der sogar der Hauch von (altbekannter) Gesellschaftskritik hervorsticht, doch sie versetzen dies mit Momenten, die so hanebüchen und überzogen sind, dass man das Gezeigte nicht wirklich ernst nehmen kann. Kommen dann noch Entscheidungen hinzu, wie dass Danny anfangs auf gar keinen Fall Polizisten getötet sehen will, er sich später aber an ehemalige Verbündete seines Vaters wendet, die der Polizei mit Sprengstoff und großkalibrigen Waffen begegnen sollen, dann ergibt all das nur wenig Sinn. Ebenso wie das Ende, das sich nach dem Gezeigten zu versöhnlich gibt. Ambulance ist zu unentschlossen, in welche Richtung die Verantwortlichen die Geschichte entwickeln sollen. Der Weg, den sie am Ende gehen, ist nicht langweilig umgesetzt. Wirklich packend aber auch nur selten.


Fazit:
Für intellektuell anspruchsvolle Filme ist Regisseur Michael Bay nicht bekannt, wohl aber dafür, dass sie dem Publikum mitunter Einiges abverlangen. Sein Remake des dänischen Originals ist dabei keine Ausnahme. Was der Geschichte an erinnernswerten Figuren fehlt, machen die Verantwortlichen mit einer teils halsbrecherischen Inszenierung wieder wett. Die ebenso aufwändigen wie gefährlichen Stunts, die hier wie am Fließband dargeboten werden, sind allesamt beeindruckend bis sogar furchteinflößend, so nah, wie man dank der etwas zu häufig eingesetzten Drohnenaufnahmen hier dabei ist. Umso mehr, weil dies alles echt aussieht und nicht am Computer generiert. Die drei Hauptakteure gehen in ihren Rollen auch spürbar auf, nur fiebert man mit ihnen nur selten mit. Entweder, da die Figur zu klischeehaft angelegt ist, oder man über sie zu wenig erfährt. Mit über zwei Stunden ist Ambulance gut 30 spürbare Minuten zu lang mit einer Nebenhandlung um Dannys absurden Deal für seine mögliche Flucht, die nicht nur vollkommen unnötig ist, sondern das Gezeigte nur länger macht. Damit zieht sich die nicht enden wollende Verfolgungsjagd, die in ihrer Ziellosigkeit lediglich von den Bankräubern übertroffen wird, die ohne Handschuhe oder Masken offenbar keinen Plan hatten, wie sie überhaupt entkommen wollten. Diesen offensichtlichen Schwächen zum Trotz, hält der Filmemacher den Adrenalinpegel merklich hoch und präsentiert ein vollkommenes Inferno, das Genrefans durchaus verzücken kann. Damit wird er seinem Anspruch zwar ebenso wenig gerecht wie dem Potential, aber ungeachtet der frenetischen Schnitte, gibt es solche Actionsequenzen mit derartiger handwerklicher Finesse kaum auf der Leinwand zu sehen. Das ist kein geringer Verdienst.