Raymond Z. Gallun: "The Eden Cycle" [1974]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. Juli 2016
Autor: Raymond Z. Gallun

Genre: Science Fiction

Originaltitel: The Eden Cycle
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Taschenbuch
Länge: 232 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 1974
Erstveröffentlichung in Deutschland: noch nicht erschienen
SBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 345-24255-6-125


Kurzinhalt:

Es ist eine Erkenntnis, die die Welt von Joey und Jennie buchstäblich auf den Kopf stellt – das Leben, das sie kennen, gibt es nicht. Sie sind Teil einer Simulation, die sie mit ihren Gedanken, ihren Wünschen ändern und anpassen können. Wenn sie wollen, können sie ihre eigene Simulation generieren und darin sein, wer immer sie sich vorstellen. Es gibt keine Grenzen, nicht den Tod und nicht einmal, dass sie vergessen wollten, dass ihre Welt nicht wirklich ist. Nur wenn kein Tun eine Auswirkung hat, wonach soll man dann noch streben?


Kritik:
Nicht nur, dass Autor Raymond Z. Gallun in seinem Science Fiction-Roman The Eden Cycle unzählige Welten besucht, unvorstellbare Umgebungen und von Charakteren erzählt, die von bekannten Comic-Figuren bis hin zu Weltherrschern reichen, er tut dies eingebettet in einer Geschichte, die das Konzept der Virtuellen Realität Jahrzehnte vor ihrer Zeit, in einem Detailgrad definiert, der fasziniert. Die Feststellungen, die der Autor dabei trifft, bringen so Vieles auf den Punkt, dass man ihm verzeiht, wie lange er sich dafür Zeit nimmt.

Er erzählt aus der Sicht von Joseph "Joey" Martin, der nach bestem Wissen und Erinnerung wiedergibt, wie ihm und Jennie Murray widerfahren ist. Zusammen aufgewachsen in einer kleiner Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts bemerken sie eines Tages, dass was sie erleben, nicht real ist. Sie sind Teil einer Simulation, einer künstlichen Realität, die eine Episode – eine Sequenz – im so genannten Sensorischen Erfahrungs-Simulator (SES) darstellt. Und wie sie schnell feststellen, sind sie nicht allein.
Irgendwann in der Vergangenheit der Menschheit, als sie kurz davor stand, sich auszulöschen, empfingen Wissenschaftler Radioimpulse aus dem Weltraum. Es war eine Anleitung für den SES, in dem ein jeder und eine jede das Leben führen könnte, von der er bzw. sie immer geträumt hatte. Ohne körperliche Bedürfnisse wie Hunger, Leid, Schmerz oder Tod.

Nur was würde aus der Menschheit werden, wenn sie tatsächlich unsterblich würde? Wenn man ein scheinbar erfülltes Leben in einer Scheinwelt verbringt, welchen Wert haben die dort erlangten Errungenschaften? Gibt es eine Notwendigkeit für Forschung? Müsste man zu den Sternen reisen wollen, oder würde es ausreichen, sich in eine solche Sequenz zu wünschen?
Die Fragen, die der Autor für die Zukunft einer Gesellschaft mit unendlichen Möglichkeiten in einer künstlichen Realität aufwirft, sind verblüffend und sorgen auch nach der letzten Seite für viel Diskussionsstoff. Es sind die Teile, in denen The Eden Cycle als Science Fiction-Werk heraussticht und die das Lesen gerade aus heutiger Sicht lohnen. Sind wir angesichts des Internets und der boomenden Virtual Reality-Technologie nicht auf dem besten Weg dahin, auch wenn Gallun sogar in der Kultur des Fernsehens hier schon Parallelen gesehen hat?

Joey und Jennie entdecken ihre Unsterblichkeit und die Möglichkeiten des SES mit ebenso viel Faszination wie man es vermutlich selbst würde, bis ihnen die Schattenseiten des Systems offensichtlich werden: Wenn nichts real ist, gibt es dann noch einen freien Willen? Und hat die Menschheit eine Zukunft, wenn sie quasi nur in einer virtuellen Realität existiert?
Gute Science Fiction zeichnete für mich seit jeher aus, dass sie mich mit Themen konfrontiert, deren Aspekte so noch nicht beleuchtet wurden und die Fragen stellt, die bislang niemand sich zu stellen wagte. Raymond Z. Gallun tut dies und rückt dabei die wohlwollenden Außerirdischen, die den Menschen diese Technologie zur Verfügung stellten in ein wenig vorteilhaftes Licht, das sich erst am Ende bessert, wenn sie für sich selbst sprechen dürfen. Aber auch hier gibt es wenige Antworten, sondern nur noch mehr Fragen, mit denen sich der Leser selbst auseinandersetzen muss.

So anregend die Gedankenspiele bei The Eden Cycle hierbei sind, ehe Joey und Jennie ihre Konsequenz aus der Situation ziehen und einen ungewohnten Weg einschlagen, sind nicht nur zwei Drittel des Buches vergangen, sondern auch gefühlt ebenso viele SES-Sequenzen wie Seiten bis dahin. Dabei erzählt Gallun zwar von den exotischen Landschaften und den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, in welche die zwei in den jeweiligen Episoden geschlüpft sind, nur wiederholen sich die Beschreibungen und das Erlebte so oft, dass man derer als Leser bereits überdrüssig ist, auch wenn die Unsterblichen diese Erkenntnis noch nicht erlangt haben.
Hätte sich der Autor hier kürzer gefasst, wäre von der Faszination der unendlichen Möglichkeiten nichts verloren gegangen, aber der spürbar langgezogene und ziellos erscheinende Mittelteil prägnanter geworden.


Fazit:
Wenn man unsterblich ist und jede Welt und Situation erschaffen lassen kann, die man sich vorzustellen vermag, ist man dann nicht so etwas wie ein Gott? Oder sind das nur diejenigen, die die Technologie hierfür bereitstellen? Die existenziellen Fragen machen The Eden Cycle zu einem kompromisslos philosophischen Science Fiction-Buch und man ertappt sich dabei, bestimmte Feststellungen mitunter anders zu bewerten als die beiden Hauptfiguren. Raymond Z. Gallun gelingt es, diese Welt mit all ihren Möglichkeiten und der erschreckenden Unendlichkeit darzubringen. Aber während die Figuren sehr lange brauchen, um festzustellen, dass man sich auch an unendlichen Variationen sattsehen kann, wenn nichts, was man tut irgendeine bleibende Wirkung hat, ist man als Leser schneller an diesem Punkt. So hätte ich mir gewünscht, dass der Roman früher den Weg einschlägt, den er im letzten Drittel geht. Fans von Science Fiction-Geschichten, die wichtige Fragen stellen, auf die es keine einfachen Antworten gibt, werden um dieses Werk nicht herumkommen. Dafür ist es angesichts der Themen und des Alters schlicht zu Weg weisend.